Parlamentskorrespondenz Nr. 827 vom 07.07.2016

Nationalrat: Verkehrsthemen von Öko-Maut bis Luft-100er

Oppositionsanträge initiieren Debatte über verkehrspolitische Grundsatzfragen

Wien (PK) - Oppositionsvorschläge zur Verkehrspolitik erhielten heute im Nationalrat nicht viel Zuspruch. Die Plenumsmehrheit stellte sich gegen schon im Verkehrsausschuss abgelehnte Anträge von Grünen und Team Stronach. Zwei Oppositionsforderungen wurden allerdings dem Forschungsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen: der FPÖ-Vorstoß zum umfassenden Breitbandausbau und die NEOS-Initiative zur Abkehr von der flächendeckenden Versorgung mit Telefonzellen. Breiten Raum nahm aber die Debatte über Möglichkeiten zur Schadstoffminderung im Verkehrssektor ein.

Verkehrsminister Leichtfried: Gesundheit vor Tempo

Angesichts der Feinstaubbelastung seien Maßnahmen wie der Luft-100er unverzichtbar, betonte Verkehrsminister Jörg Leichtfried und nannte hier das Beispiel Graz. "Es geht Gesundheit vor Tempo". Wichtig sei es auch zur Reduktion der NOx-Schadstoffe, für die vor allem der Verkehr verantwortlich zeichne. Einige Gefährdungszonen habe man dank des erfolgreichen Kampfes gegen Feinstaub wieder aufheben können.

Nicht abrücken will Leichtfried – eingedenk des Föderalismusprinzips - von der Entscheidungshoheit der Bundesländer hinsichtlich temporärer Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen. Immerhin sei auf Länderebene die örtliche Witterungssituation am treffendsten zu beurteilen.

Team Stronach ortet Missbrauch bei Luft-100er

Ausgangspunkt dieses Bekenntnisses zum Luft-100er durch den Minister war ein Antrag des Team Stronach. Abgeordneter Christoph Hagen kritisiert darin ein Überhandnehmen von Tempolimits auf Autobahnen, die mit der Luftverschmutzung begründet werden. Das stehe aber dem Zweck des höherrangigen Straßennetzes – nämlich schneller voranzukommen - entgegen. Um politischen Missbrauch des Instruments zu verhindern, tritt Hagen dafür ein, dass statt der Landeshauptleute künftig der Verkehrsminister für die Genehmigung solcher Maßnahmen zuständig sein sollte. Vor allem Grüne LandesrätInnen zog der Team Stronach-Mandatar dabei zur Verantwortung – was wiederum Walter Bacher (S) und Thomas Schellenbacher (F) in Abrede stellten. Die Geschwindigkeitsregelung erfolge rein aufgrund von Messwerten, um Gesundheit und Umwelt zu schützen. Johann Rädler (V) meinte mit Hinweis auf die Bund-Länder-Gespräche zur Mindestsicherung, nun sei der falsche Zeitpunkt, die Übertragung von Länderkompetenzen auf Bundesebene zu diskutieren.

Unterstützung fand Hagen (T) indes nicht nur bei seinem Parteikollegen Leopold Steinbichler (T), sondern auch bei den fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler und Gerhard Schmid, die das IG-Luftgesetz als häufig genutzten Vorwand für Geschwindigkeitsbegrenzungen abtaten. Die Unfallrate erhöhe sich dadurch außerdem.

Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner erinnerte daraufhin an den Anstieg von Asthma und vorzeitigen Todesfällen aufgrund schlechter Luftqualität und trat aus Gesundheitsgründen für Geschwindigkeitsbeschränkungen ein. BürgerInnen hätten ein Recht auf saubere Luft; immerhin liefen EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen einer zu hohen Schadstoffbelastung.

Grüne machen für ökologische Maut mobil

In ihrem Antrag forderten die Grünen, die Mauthöhe bei LKW von deren Schadstoffbelastung abhängig zu machen. Die jüngste Neufassung des Bundesstraßen-Mautgesetzes, das nun in Umsetzung einer EU-Richtlinie die Einrechnung der externen Kosten für Luft- und Lärmbelastung erlaubt, sende ein völlig falsches Signal, so Verkehrssprecher Georg Willi (G). Vielmehr sei in den Mauttarifverordnungen der kommenden Jahre bei den Infrastrukturgebühren weiterhin die Spreizung der LKW-Mauttarife anzuwenden, auch wenn die Wirtschaftskammer hier Widerstand leiste. Die Mauttarife sind demnach entsprechend der EU-Wegekostenrichtlinie nach Schadstoffklassen zu differenzieren. "Saubere LKW" sollen laut Willi weniger Maut bezahlen als jene mit höherer Schadstoffbelastung. In Hinblick auf das Pariser Klimaabkommen sagte er, dieses zwinge Österreich zu einer Ökologisierung der Maut.

Bei SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach stieß Willi mit seinem Appell aber auf wenig Verständnis. Dank der Novelle des Mautgesetzes bestehe sehr wohl mehr Kostenwahrheit im Sinne ökologischer Fahrzeuge, wies Harry Buchmayr (S) Willis Vorhaltungen zurück. Das ermögliche zusätzliche Maßnahmen zur nachhaltigen Verkehrsausgestaltung. Andreas Ottenschläger (V) ergänzte, schon 2017 würden 90% der LKW auf den heimischen Straßen ökologischen Vorgaben entsprechen. Generell wandte sich der ÖVP-Mandatar genauso wie Walter Rauch (F) aus Wettbewerbsgründen gegen eine Mehrbesteuerung, wie sie mit einer Mauterhöhung für Stinker-LKW anfallen würde. Rauch warnte zudem, erhöhte LKW-Mautgebühren würden auf KonsumentInnen umgewälzt und er sprach sich vielmehr für eine Zweckwidmung der Mineralölsteuer zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur aus. Gleichermaßen argumentierte Gerhard Schmid (o.F.) gegen den Grünen-Antrag. Leopold Steinbichler (T) hinterfragte grundsätzlich den Nutzen vieler LKW-Transporte, besonders von Produkten aus Übersee.

Bundesminister Leichtfried betonte, in der Verkehrspolitik sei es wichtig, europäisch zu denken. Deswegen sei bereits eine neue Wegekostenrichtlinie in Planung, wodurch es mehr Mauttransparenz geben sollte.

Breitband und Telefonzellen an Forschungsausschuss

An den Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie wurden auf mehrheitliche Empfehlung des Plenums hin Anträge von FPÖ und NEOS zugewiesen. Die Freiheitlichen sorgen sich um den flächendeckenden Ausbau von Breitband-Internet in Österreich und machen das an der Katastralgemeinde Hasendorf der Gemeinde Sitzenberg-Reidling im Bezirk Tulln fest. Dort leide die Bevölkerung schon lange unter schwachem Internetzugang (1770/A(E) ). Die NEOS monieren, der Betrieb von Telefonzellen in der derzeitigen Form sei hoch defizitär. Zu reformieren sei daher das Telekommunikationsgesetz, speziell die Verpflichtung zum Angebot eines Universaldienstes, wonach eine flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Fernsprechstellen verlangt wird (1732/A(E) ). Michael Pock (N) beschrieb dies als konkrete Möglichkeit der Entbürokratisierung für Unternehmen, zumal mittlerweile die Abdeckung von Mobiltelefonen überall gegeben sei.

Mit der Forderung nach Internetausbau in Hasendorf sahen Ruperta Lichtenecker (G) und Michael Pock (N) eine Grundsatzdebatte über den Breitband-Ausbau eröffnet. Die Schaffung von leistungsfähigem Internet sei besonders für abgelegene Regionen höchst notwendig, ortet Lichtenecker hier ein eindeutiges Defizit, zumal nicht alle Fördergelder optimal genutzt würden. Eine Grund dafür sei, so Hermann Gahr (V), dass die Fördergeber auf unterschiedliche Gebietskörperschaften verteilt sind.

Elisabeth Hakel (S) unterstrich, die Digitalisierung betreffe alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft – darauf habe man sich vorzubereiten. Sie forderte dazu einen rechtlichen Rahmen ein, am besten unionsweit, sodass Sicherheitsfragen nicht im technischen Fortschritt übergangen werden. (Fortsetzung Nationalrat) rei