Parlamentskorrespondenz Nr. 901 vom 12.08.2016

Neu im Budgetausschuss

Aktuelle Berichte über Sorgenkinder der Eurozone

Wien (PK) – Aktuelle Quartalsberichte zur wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklung der Euroländer, die an Finanzhilfeprogrammen teilnehmen oder nach Ende ihrer Programme einer Post-Programmüberwachung unterliegen, hat Finanzminister Hans Jörg Schelling dem Budgetausschuss des Nationalrates übermittelt. Die Unterlagen informieren über die makroökonomische Lage Irlands, Portugals, Spaniens, Griechenlands und Zyperns, über den Haftungsstand der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) sowie über Entscheidungen und Mitteilungen des Gouverneursrates des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der ESM erzielte im 1. Quartal 2016 einen Gewinn von 173,5 Mio. € und steigerte seine Bilanzsumme um 3,2 Mrd. € auf 782,1 Mrd. €. Bei der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) betrug die Haftungssumme Ende Juni 2016 190,09 Mrd. €. Der Anteil Österreichs, dessen Beitragsschlüssel für ESFS-Haftungen 2,98% beträgt, machte insgesamt 9,898 Mrd. € aus. Rechtsgrundlage dieser Haftungen ist das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz (ZaBiStaG), das der Republik Haftungen bis zu 21,639 Mrd. € erlaubt. 12,69 Mrd. € davon wurden bislang nicht ausgenützt, da die EFSF seit Juli 2013 keine neuen Programme mehr übernimmt (109/BA und 111/BA).

Irland

Das 85 Milliarden Euro-Finanzhilfeprogramm für Irland startete im Dezember 2010 und bestand aus bilateralen Darlehen (Großbritannien, Dänemark und Schweden), Beiträgen des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM (22,5 Mrd. €), der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF (17,7 Mrd. €), des Internationalen Währungsfonds IWF (22,5 Mrd. €) sowie aus einem Eigenbeitrag Irlands von 17,5 Mrd. €. Nach Ende des Programms im Jahr 2013 tilgte Irland 2014/15 hochverzinste Währungsfonds-Darlehen. Die ausstehenden IWF-Kredite von 4,8 Mrd. € werden zwischen 2021 und 2023, die EFSM-Mittel zwischen 2018 und 2042 und die EFSF-Darlehen zwischen 2029 und 2042 zurückgezahlt. Die Post-Programm-Überwachung Irlands sieht zwei Prüfmissionen jährlich vor, bis - voraussichtlich im Jahr 2023 - 75% der EU-Finanzhilfen refundiert sein werden.

Bei der letzten der bisher fünf Überwachungsmissionen im Juni 2016 registrierten die Prüfer eine positive Entwicklung Irlands, dynamische Investitionen und ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von real 7,8% (2015). Die Arbeitslosenrate sank zuletzt auf 7,8%. 2016 und 2017 erwartet Irland Wachstumsraten von 5% und 4%. Allerdings bestehen Risiken für Irland infolge des Brexit. Die nächste EU-Prüfmission wird Dublin im Herbst 2016 besuchen.

Portugal

Hohe Staatsschulden und eine schwache Wirtschaftsentwicklung brachten Portugal während der globalen Finanzkrise unter Druck, ließen die Anleihezinsen auf ein untragbares Niveau steigen und machten im Mai 2011 ein Finanzhilfeprogramm notwendig, zu dem der EFSM 24,3 Mrd. €, die EFSF 26 Mrd. € und der IWF 26 Mrd. € beitrugen. Nach Ende des Programms im Juni 2014 tilgte Portugal 2015 und 2016 teure IWF-Darlehen; die noch ausstehende Währungsfonds-Darlehen von 18,6 Mrd. € sollen zwischen 2018 und 2024 zurückgezahlt werden. Die EFSF-Darlehen werden zwischen 2025 und 2040, die vom EFSM bereitgestellten Mittel zwischen 2018 und 2042 getilgt. Die Laufzeit eines EFSM-Darlehens von 4,75 Mrd. €, das im Juni 2016 fällig geworden wäre, wurde verlängert. Bei der letzten von bisher vier Überwachungsmissionen im Juni 2016 registrierten die Prüfer eine wirtschaftliche Erholung Portugals, die aber hinter den Erwartungen zurückbleibe. Hindernisse bilden die hohe gesamtwirtschaftliche Verschuldung sowie starre Arbeits- und Produktmärkte. Zur Erhöhung des Potenzialwachstums seien weitere Reformen notwendig. Die Institutionen rechnen 2016 mit einem Budgetdefizit von 3%, drängen auf die Reduzierung der Staatsschuldenquote von 129% des BIP und auf eine Konsolidierung der Banken, die unter nicht eintreibbaren Krediten leiden. Auch Maßnahmen gegen die hohe Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie zur Stärkung der Wirtschaft werden verlangt.

Spanien

Spanien erhielt im Juli 2012 ein ESM-Finanzhilfeprogramm zur Rekapitalisierung seiner von der Krise schwer getroffenen Banken. 41,3 Mrd. € der zugesagten 100 Mrd. € wurden bis Ende des Programms 2013 ausbezahlt. Spanien erfüllte die Programmauflagen fristgerecht und zahlte 2014 und 2015 5,3 Mrd. € frühzeitig zurück. Der ausstehende Darlehensbetrag von 35,7 Mrd. € soll planmäßig ab 2022 getilgt werden. Auch Spanien unterliegt einer Post-Programm Überwachung mit halbjährlichen Prüfmissionen. Bei der fünften Mission im April 2016 registrierten die Prüfer ein sehr geringes Rückzahlungsrisiko für den ESM. Die spanische Wirtschaft wuchs 2015 überdurchschnittlich um 3,2%. Die Restrukturierung verstaatlichter Banken ist nahezu abgeschlossen, Reformen der Sparkassen und der Schuldenabbau im privaten Sektor schreiten voran und der Zugang zu Krediten wurde verbessert. Trotz neuer Arbeitsplätze ist die Arbeitslosenrate mit über 20% nach wie vor hoch. Eine Herausforderungen Spaniens stellt auch die hohe Auslandsverschuldung dar. Die nächste Prüfmission in Madrid ist für Herbst 2016 geplant.

Zypern

Wegen Ungleichgewichten im Finanzsektor Zyperns starteten ESM und IWF im Juni 2012 und im April 2013 ein 10 Milliarden Euro-Finanzhilfeprogramm (ESM: 9 Mrd. €; IWF: 1 Mrd. €) für Zypern, das planmäßig im März 2016 endete. Von den ESM-Mitteln hat Zypern 6,3 Mrd. € in Anspruch genommen. Zins- und Tilgungszahlungen an den IWF sind 2016/2017 fällig. Die Rückzahlung der ESM-Darlehen beginnt 2025 und wird 2031 abgeschlossen. Eine erste Prüfmission im Rahmen der Post-Programm Überwachung Zyperns findet im August/September 2016 statt.

Griechenland

Das erste Finanzhilfeprogramm für Griechenland vom April 2010 bestand aus bilateralen Darlehen der Eurostaaten mit einem Volumen von 53 Mrd. € plus 20 Mrd. € an IWF-Finanzhilfe. Für diese Darlehen ("Greek Loan Facility") senkte die Eurogruppe den Zinsaufschlag im Jahr 2012 auf 50 Basispunkte und verlängerte die Laufzeiten. Die Kredite laufen bis Juni 2020 tilgungsfrei und werden bis September 2041 zurückgezahlt. Österreichs trug auf Basis des  Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes 1,56 Mrd. € bei und nahm davon bis Ende Juni 2016 109,95 Mio. € an Zinsen ein.

2012 beschloss die Eurogruppe das zweite, von der EFSF finanzierte Hilfsprogramm für Griechenland, das 120,2 Mrd. € plus einen Restbetrag aus dem ersten Programm von 24,4 Mrd. € umfasste. Verzögerungen bei vereinbarten Reformen führten zur Verlängerung des bis Ende 2014 geplanten Finanzhilfeprogramms bis Juni 2015. Ausbezahlt wurden insgesamt 130,9 Mrd. €. Da das Hilfsprogramm dennoch nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, verfielen nicht ausgezahlte ESFS-Mittel von 10,9 Mrd. €.

Aufgrund des  Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes beteiligte sich Österreich seit 2013 mit Zuschüssen auch am "Securities Markets Programme" (SMP) zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands. Im Rahmen dieses Programms überwiesen die EZB und die Zentralbanken der Euroländer Einkünfte, die aus dem Besitz griechischer Wertpapiere stammen, über den ESM an Griechenland. Da das zweite Finanzhilfeprogramms für Griechenland nicht abgeschlossen werden konnte, wurden die SMP-Einkünfte aus 2014 nicht an Griechenland ausbezahlt. Im Mai 2016 beschloss die Eurogruppe, die vom ESM treuhändisch verwalteten SMP-Einkünfte aus 2014 zur Senkung des zukünftigen griechischen Finanzbedarfs zu verwenden, die Auszahlung der SMP-Einkünfte aus 2015 und 2016 entfallen zu lassen, die Zuschüsse unter gewissen Bedingungen aber ab 2017 wieder auszubezahlen.

Das dritte - nunmehr vom ESM finanzierte - Hilfsprogramm Griechenlands vom August 2015 umfasst 86 Mrd. € und läuft bis August 2018. Von der ersten 26 Mrd. Euro-Tranche wurden bis Ende 2015 21,4 Mrd. € ausgezahlt. Der IWF, der sein zweites Griechenland-Hilfsprogramm im Jänner 2016 frühzeitig beendete, stellte Griechenland insgesamt 34,4 Mrd. € zur Verfügung, von denen Ende Juni 2016 noch 13,9 Mrd. € ausständig waren. Nach der ersten Prüfmission des neuen ESM-Programmes im Mai 2016 und positiven Bewertungen von EU-Kommission und EZB einigte sich die Eurogruppe im Mai 2016 auf Maßnahmen zur Stabilisierung der Schuldendynamik, die künftig - je nach wirtschaftlicher Entwicklung und Programmumsetzung durch die griechische Regierung – realisiert werden können. Dazu zählen Änderungen im Rückzahlungsprofil, eine Minimierung der Zinsrisiken und das teilweise Aussetzen eines Zinsaufschlags für ein Darlehen aus 2012 zumindest für 2017. Mittelfristig könnten die Einnahmen der Zentralbanken aus dem SMP- und ANFA (Agreement on Net Financial Assets)-Programm ab 2017 wieder ausgeschüttet, bilaterale Darlehen der Euroländer sowie IWF-Darlehen aus freien Mitteln der ESM-Finanzhilfe vorzeitig getilgt und die Laufzeiten von EFSF-Darlehen angepasst werden, um den Finanzierungsbedarf Griechenlands nachhaltig unter dem angepeilten Grenzwert zu halten. Langfristig könnte die Eurogruppe Maßnahmen zur Stabilisierung der Schuldentragfähigkeit auch dann beschließen, wenn dies trotz vollständiger Programmumsetzung notwendig sein sollte.

Die vereinbarten Budgetziele Griechenlands sollen durch eine Pensions- und Steuerreform, unter anderem durch eine höhere Umsatzsteuer und Steuererhöhungen bei Energie und Tabak sowie durch eine bessere Steuereinhebung erreicht werden. Die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands übertraf 2015 die Prognosen, auch die Steuereinnahmen entwickelten sich positiv. Zusätzlich verbesserten höhere Ausschüttungen der Zentralbank das Budgetergebnis im Vorjahr. Das Budgetdefizit machte 7,2% des BIP aus, der Primärsaldo lag nach Abzug von Zinszahlungen und Ausgaben zur Kapitalisierung der Banken bei +0,7% des BIP, um fast einen Prozentpunkt über dem Programmziel für 2015. Die EU-Kommission hält die Einsparungen für nachhaltig und einen Primärüberschuss Griechenlands von 3,5% des BIP ab 2018 für erreichbar.

Der ESM beschloss am 16. Juni 2016, die erste von drei Teilzahlungen der zweiten Hilfstranche in der Höhe von 7,5 Mrd. € an Griechenland auszuzahlen. Die zweite Tranche umfasst 10,3 Mrd. €, 6,8 Mrd. € davon sind für den Schuldendienst und 3,5 Mrd. € für die Begleichung von Zahlungsrückständen vorgesehen. Die beiden verbleibenden Teilzahlungen erfolgen nach Erfüllung vereinbarter "Programm-Meilensteine" im Herbst 2016. (Schluss) fru

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/fachinfos/budgetdienst. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums www.bmf.gv.at.