Parlamentskorrespondenz Nr. 968 vom 21.09.2016

Nationalrat: NEOS für ORF-Reform und Abschaffung der GIS-Gebühren

Minister Drozda für Neugestaltung der Medienförderung und starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Wien (PK) – Für einen parteiunabhängigen öffentlichen Rundfunk, eine Abschaffung der GIS-Gebühren sowie für eine massive Aufstockung der Mittel für die Presseförderung traten die NEOS zu Beginn der heutigen Nationalratssitzung ein. Es gehe nicht um eine Zerstörung des ORF, betonte Niko Alm (N), sondern um eine Umwandlung des Unternehmens von einem Anbieter von Infrastruktur in ein "Public-Value-Medienhaus". Wenn die finanziellen und strukturellen Probleme nicht in den nächsten Jahren angegangen werden, dann werde man irgendwann vor einem bankrotten Staatsunternehmen stehen, warnte Klubobmann Matthias Strolz, der Minister Drozda sogar Arbeitsverweigerung vorwarf.

Ein grundlegendes Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk legte Bundesminister Thomas Drozda ab und präsentierte seine Vorschläge zur "Medienförderung Neu". Er kündigte zudem die Abhaltung einer Enquete im nächsten Jahr an, wo nicht nur die Frage der Finanzierung, sondern auch die Schaffung einer zeitgemäßen Gremienstruktur sowie die Positionierung des ORF im internationalen Wettbewerb eingehend erörtert werden sollen. Die Antworten darauf könnten dann die Grundlage für eine allfällige Novellierung des ORF-Gesetzes sein.

NEOS: ORF müsse zukunftsfit gemacht und über Presseförderung finanziert werden

Die von den NEOS verlangte Aktuelle Stunde stand unter dem Titel "ORF ins 21. Jahrhundert. Ohne Parteipolitik. Ohne GIS. Mit Public Value Produktion". NEOS-Abgeordneter Niko Alm begrüßte grundsätzlich die von der Regierung geplante Reform der Presseförderung. Bundesminister Thomas Drozda verfolge mit der "Medienförderung Neu" einige gute Ansätze, wie z.B. die Förderung von qualitätsvollem Journalismus oder die Selbstkontrolle der Branche, vergessen habe man dabei aber auf die Einbeziehung des ORF. Wenn man sich schon darauf verständigt, den Fokus auf die Schaffung von öffentlichen rechtlichen Mehrwert zu legen, dann muss man alle Player einbeziehen, forderte Alm. Angesichts des geänderten Medienverhaltens sei der ORF massiv gefordert, sich rechtzeitig auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Nicht mehr die Bereitstellung von Infrastruktur, die vom privaten Markt mindestens genauso gut gewährleistet werden kann, stehe dabei im Mittelpunkt, sondern die Produktion von Public Value, unterstrich Alm.

Als weitere Problembereiche zeigte der Abgeordnete die "politische und ökonomische Marktverzerrung" durch den ORF auf. Notwendig sei daher u.a. eine Gremienreform; Stiftungsrat und Publikumsrat müssten jedenfalls von Parteipolitik befreit werden. Außerdem habe der ORF derzeit mehr Geld zur Verfügung als er zur Produktion von Public Value brauche, zumal er Mittel für den Ankauf von Serien, Sportrechten etc. braucht. Ein Großteil des Umsatzes in der Höhe von einer Milliarde Euro im Jahr werde dabei durch Gebühren (600 Mio. €), die in den letzten zehn Jahren um etwa 30% gestiegen sind, aufgebracht, zeigte Klubobmann Matthias Strolz auf. Dennoch tue sich im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke von etwa 30 bis 50 Mio. € auf. Gerald Loacker (N) gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass vieles auch hausgemacht sei, da etwa langgediente MitarbeiterInnen mit 56 bzw. 58 Jahren "um ein Heidengeld in die Frühpension geschickt werden" oder teure Landesstrukturen aufrechterhalten werden; all dies müssten die SteuerzahlerInnen berappen.

Nach Auffassung der NEOS sollte der ORF den Fokus auf Inhalte mit Mehrwert legen, "sonst aber nichts". Die Finanzierung solle dabei über die "Medienförderung Neu", die dramatisch erhöht werden muss, erfolgen. Gleichzeitig sollen die Werbeabgaben sowie die Rundfunkgebühren "abgeschichtet werden". Dringender Handlungsbedarf bestehe laut Strolz auch bei den Strukturen, wie die "Schmierenkomödie" bzw. der "Kuhhandel" rund um die Bestellung der Leitungsfunktionen im ORF kürzlich wieder bewiesen hätten. Auf diese Weise werde der ORF kaputt und krank gemacht.

Drozda: "Infrastruktur der Demokratie" müsse ausreichend finanziell ausgestattet werden

Der für Medien zuständige Minister Thomas Drozda legte ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab, weil es sich dabei um einen wesentlichen Bestandteil des europäischen Demokratiemodells handelt. Dies sei natürlich aber "kein Freibrief zur Strukturkonservierung", betonte er. Es sei mehr denn je Aufgabe der Demokratie, sicherzustellen, dass redaktionell gestaltete Medien als Hersteller von Öffentlichkeit eine positive Überlebensprognose haben; und zwar entweder auf dem Wege der Regulation oder durch Förderungen. Ablehnend stand Drozda möglichen Gebührenerhöhungen gegenüber. Er wolle aber nächstes Jahr alle Stakeholder zu einer Enquete einladen, wo man sich u.a. eingehend mit der Frage der Finanzierung befassen wird.

Was die rechtlichen Grundlagen angeht, so erfolge die Kontrolle des ORF durch eine weisungsfreie Behörde, nämlich die KommAustria, sowie durch den Stiftungsrat und den Rechnungshof. Der ORF werde in Österreich in "einer Dichte und einem Umfang kontrolliert, der in Europa einzigartig ist", betonte Drozda. Der ORF, der 3.370 MitarbeiterInnen beschäftigt, sei eines der erfolgreichsten europäischen Medienunternehmen, die Marktanteile in den Bereichen TV und Radio liegen im EU-Vergleich im Spitzenfeld. Im besonderen hob Drozda, in dessen Ressort auch die Kunst- und Kulturagenden fallen, die sehr guten Angebote auf Ö1, ORF III, 3 Sat und FM4 hervor. Allein die Investitionen in die Filmwirtschaft betragen rund 100 Mio. €. Für ihn sei es evident, dass Public-Value-Produktionen nur im Rahmen einer zielgruppenadäquaten Programmierung ein breites Publikum erreichen können. Neben Kunst und Kultur gehören aber auch Sport und Unterhaltungsangebote zu einem stimmigen Mix, war Drozda überzeugt.

Im Hinblick auf den internationalen Markt gab der Minister zu bedenken, dass es nicht um ORF gegen Private oder um Fernsehen gegen Zeitungen gehe. "Wenn die Haie einen Fischschwarm umkreisen, mache es evolutionärer Sicht keinen Sinn, wenn sich die Beutefische zunächst einmal selbst kannibalisieren". Damit meine er, dass vielmehr die Frage im Mittelpunkt stehen soll, wie sich die österreichische bzw. europäische Medienlandschaft im globalen Wettbewerb positionieren kann. Die größten Bedrohungen sehe er nämlich in jenen Plattformen, wo – aus inhaltlicher und kaufmännischer Sicht – keine Unterscheidung zwischen eigenem und fremden Content gemacht werde.

SPÖ setzt auf einen starken ORF und auf eine vielfältige Medienlandschaft

SPÖ-Vertreter Josef Cap plädierte für einen starken öffentlichen Rundfunk, eingebettet in eine Medienpolitik, die Vielfalt fördert und garantiert. Gerade in einer Zeit, in der multinationale Konzerne über immer mehr Macht verfügen, sollte man darauf achten, dass keine Monopole entstehen und die österreichische Kulturidentität gewahrt wird. Die Strukturreform im Jahr 2001 habe die Basis dafür gelegt, dass der ORF auch heute noch handlungs- und vor allem konkurrenzfähig ist, war Cap überzeugt, die NEOS sollten daher an der Fortführung dieses erfolgreichen Weges mitwirken. Der ORF arbeite kontinuierlich an Verbesserungsmöglichkeiten und stelle sich den Herausforderungen, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, konstatierte Angela Lueger (S); dies beweise auch das gute Abschneiden in diversen Rankings. Außerdem gebe es einen ständigen Austausch mit den Stakeholdern und VertreterInnen der Wissenschaft, um die Qualität weiter zu heben.

ÖVP sieht Reformbedarf beim ORF und steht für Absicherung der Basisfinanzierung

Medienpluralität könne man nur dann gewährleisten, wenn Waffengleichheit herrscht, erklärte Werner Amon von der ÖVP. Er war der Meinung, dass eine "Medienförderung Neu" daher alle Bereiche umfassen müsse, natürlich auch den öffentlich rechtlichen Rundfunk. Was die in den nächsten Jahren zu erwartende Finanzierungslücke beim ORF betrifft, so darf diese nicht durch eine Gebührenerhöhung abgedeckt werden, stellte Amon klar, der auch eine Diskussion über Strukturreformen einforderte. Seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker betonte, dass sie für ein "ORF-Bashing" nicht zur Verfügung stehe. Dennoch sei es legitim, sich Gedanken darüber zu machen, wie der ORF seine Aufgaben im 21. Jahrhundert wahrnehmen und sich im globalen Wettbewerb behaupten könne. Ihre Partei stehe für einen starken ORF mit unabhängigen JournalistInnen, eine objektive Berichterstattung sowie eine breit aufgestellte Medienlandschaft, in der die privaten Player auch einen wichtigen Beitrag leisten. Um den ORF zukunftstauglich zu machen, forderte Steinacker u.a. eine Senkung der internen Kosten, ein professionelles Prozessmanagement, eine Anpassung der Berufsbilder, eine Erschließung von neuen Geschäftsfeldern sowie eine Prüfung der Compliance-Regelungen. Durch effiziente und effektive Reformen könne zudem eine Erhöhung der GIS-Gebühren vermieden werden, war die Rednerin überzeugt.

FPÖ kritisiert Herrschaftsanspruch von SPÖ und ÖVP beim öffentlichen Rundfunk

Während sich die NEOS im Parlament als "neu und frisch" präsentierten, bediene ihr Stiftungsrat Haselsteiner im ORF die alten Strukturen, hielt FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl Niko Alm entgegen. Sie haben damit zum unwürdigen Schauspiel der Koalitionsparteien bei der Bestellung der Direktoren beigetragen. Offensichtlich herrsche bei SPÖ und ÖVP noch immer die Einstellung, dass ihnen der ORF gehört, kritisierte Schrangl. Überdies werde der öffentlich-rechtliche Auftrag nur am Papier erfüllt und auf die Spartenkanäle, wo es kaum Reichweite gibt, verbannt, bemängelte Wendelin Mölzer. ORF 1 hingegen agiere mittlerweile fast wie ein Privatsender; die ständige Wiederholung von amerikanischen Serien werde gerade einmal durch fünf Minuten ZIB-Flash unterbrochen. In den Informationssendungen selbst werde dann in einem überproportionalen Ausmaß über die Regierungsparteien berichtet, die Berichterstattung über die Opposition komme immer zu kurz und sei teilweise sogar tendenziös. Die FPÖ sage Ja zum öffentlich-rechtlichen Auftrag, aber nicht in dieser Form, bekräftigte Mölzer.

Grüne: Vorschlag der NEOS würde zur Abschaffung des ORF führen

Dieter Brosz von den Grünen zeigte sich verwundert über die Aussagen der freiheitlichen Mandatare, da gerade die FPÖ auf diversen Kanälen (z.B. FPÖ-TV) versuche, eindimensionale Informationen zu verbreiten. Die NEOS wiederum müssten sich die Frage gefallen lassen, ob es eine vergleichbare westliche Demokratie gibt, wo keine Gebühren für die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks eingehoben werden. Die Schweiz beispielsweise hat ein ähnliches System, informierte Brosz, dort belaufen sich die Einnahmen sogar auf 1,2 Mrd. €. Zudem wies er darauf hin, dass die Werbeeinnahmen des ORF in den letzten Jahren um 18% gesunken sind, während die Umsätze durch "deutsche Werbefenster in Österreich" massiv gestiegen sind. Positiv standen die Grünen jedoch einer Gremienreform gegenüber, hier dürfe es keine parteipolitischen Besetzungen mehr geben, verlangte Wolfgang Zinggl (G). Weiteren Handlungsbedarf sah der Redner bei der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Den sonstigen neoliberalen Wünschen der NEOS, die de facto auf eine Privatisierung hinauslaufen, erteilte er eine definitive Absage.

Team Stronach für Entpolitisierung des ORF

Auch Christoph Hagen vom Team Stronach hegte angesichts "der Komödie" rund die Direktorenbestellungen starke Zweifel an der Unabhängigkeit des ORF, zumal sie ja sogar zu einer Koalitionskrise geführt haben. Er schlug vor, dass in Zukunft die "ZwangsgebührenzahlerInnen" mittels Briefwahl selbst darüber bestimmen soll, wer den ORF leitet und wie der Bildungsauftrag umgesetzt wird; dies wäre ein echter Beitrag zu Entpolitisierung. Ablehnend stand seine Fraktionskollegin Martina Schenk auch der geplanten Gebührenerhöhung gegenüber. (Fortsetzung Nationalrat) sue