Parlamentskorrespondenz Nr. 1034 vom 05.10.2016

Karmasin: Erfüllung des Barcelona-Ziels ist in Reichweite

Familienausschuss diskutiert über Ausbau der Kinderbetreuung, Bildungskompass und steuerliche Entlastungen

Wien (PK) – Sehr zufrieden über die weiteren Fortschritte beim Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich zeigte sich Bundesministerin Sophie Karmasin in der heutigen Sitzung des Familienausschusses. Allein im letzten Jahr konnten zusätzliche 11.320 Plätze geschaffen werden, das Erreichen des Barcelona-Ziels – 33% Betreuungsquote bei den Unter-Drei-Jährigen – sei daher in greifbare Nähe gerückt. Die Ressortchefin informierte zudem im Rahmen einer Aktuellen Aussprache über den Stand beim Projekt Bildungskompass, die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen, die Umsetzung der Elterngespräche, die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge sowie die geplanten Änderungen für eingetragene Partnerschaften. Auf der Tagesordnung standen zudem sieben Entschließungsanträge der Oppositionsparteien, wobei die Anliegen von einer besseren steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungs- und –bildungskosten bis hin zur Reform des Familienlastenausgleichsfonds reichten; alle Initiativen wurden vertagt.

Fragenrunde: Von Bildungskompass bis "Sternenkinder"

Den Themenkomplex Kinderbetreuung sprachen nicht nur NEOS-Vertreter Michael Bernhard - vormals Pock (Öffnungszeiten), sondern auch die SPÖ-Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber (S) (bundeseinheitlicher Qualitätsrahmen) und Ulrike Königsberger-Ludwig (Ferienzeiten) an.

Anneliese Kitzmüller (F) erkundigte sich nach dem Stand der Vorarbeiten für den Bildungskompasses und wollte wissen, ob die Umsetzung der Elterngespräche, die im Zuge der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres vorgeschrieben wurden, funktioniere. Außerdem forderte sie eine "Entrümpelung" des Familienlastenausgleichsfonds.

Die ÖVP-Abgeordneten Angela Fichtinger und Friedrich Ofenauer stellten Fragen zum Familienfreundlichkeits-Monitoring bzw. zum Männeranteil in den Kindergärten, während Katharina Kucharowits und Nurten Yilmaz (beide S) die schwierigen Lebensbedingungen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen ansprachen.

Harald Walser (G) gab zu bedenken, dass die KindergartenpädagogInnen aufgrund ihrer Ausbildung mit den zahlreichen Aufgaben (z.B. Sprachförderung) überfordert seien; eine Ausbildungsreform sei notwendig. Seine Fraktionskollegin Judith Schwentner begrüßte die geplanten Änderungen für eingetragene Partnerschaften. Sie frage sich bloß, warum es dann nicht gleich Ehe heißen dürfe, wenn es quasi zu einer Gleichstellung mit der Institution Ehe kommt.

Karmasin: Bildungskompass soll nächstes Jahr in einem Bundesland erprobt werden

Bundesministerin Sophie Karmasin erinnerte daran, dass der Bund auf der Basis einer 15a-Vereinbarung mit den Ländern 305 Mio. € für die Schaffung von zusätzlichen Kinderbetreuungsangeboten zur Verfügung gestellt hat. Dies sei die größte Ausbauoffensive, die es je in Österreich gegeben hat. Vor allem bei den unter-dreijährigen Kindern sei man auf einem erfolgreichen Weg, erklärte Karmasin, wenn es so weitergeht, könne man das Barcelona-Ziel wahrscheinlich Ende 2017 erreichen. Es sei richtig, dass hinsichtlich der Öffnungszeiten, der Qualität und des Anteils an männlichen Pädagogen beim Betreuungspersonal noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen; in diesen Bereichen werde man daher die Anstrengungen intensivieren. Im Vergleich zum schulischen Sektor sei die Situation bezüglich der Öffnungszeiten der Kindergärten (durchschnittlich 25 bis 30 Schließtage in den Bundesländern außer Wien) aber noch sehr gut, gab die Ministerin zu bedenken. Sie hoffe, dass im Wege des Finanzausgleichs noch weitere Qualitätskriterien festgelegt werden können. Generell brauche es auch mehr Ausbildungsangebote, da durch den Ausbau zahlreiche neue, attraktive Arbeitsplätze entstehen.

Ein weiteres wichtiges Projekt ihres Hauses sei der Bildungskompass, der die Entwicklung jedes Kindes ab dem Alter von dreieinhalb Jahren dokumentieren soll. Unter Federführung des Charlotte-Bühler-Instituts wurde ein Konzept ausgearbeitet, das in einem ersten Schritt die Kindergartenphase umfasst und vor allem auf die Neigungen und Interessen der Kinder abstellt. Bereits bestehende Konzepte in den Bundesländern – etwa diverse Beobachtungsverfahren oder Sprachstandsfeststellungen – können und sollen in den bundeseinheitlichen Bildungskompass einfließen. Wesentlich dabei sei die Dokumentation von sozialer Kompetenz und sogenannten "Lerndispositionen" (z.B. "interessiert sein", "Standhalten bei Herausforderungen und Schwierigkeiten" etc.). Bereits im nächsten Jahr soll das Konzept im Wege eines Pilotprojekts in einem Bundesland, das derzeit noch nicht feststeht, umgesetzt werden. Danach müsse der Bildungskompass natürlich auch in den Lehrplan der Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik aufgenommen und in Form von Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen vermittelt werden.

Sehr gut funktionieren bereits die verpflichtenden Elterngespräche, die im Rahmen des verpflichtenden Kindergartenjahres vorgesehen sind, informierte Karmasin. Den Ländern sei es freigestellt, Sanktionen zu verhängen, wenn diese nicht in Anspruch genommen werden; derzeit sei dies nur in Niederösterreich und Vorarlberg der Fall.

Online-Rechner für Kindergeldkonto im Jänner 2017

Auf Fragen bezüglich des neuen Kindergeldkontos, das für Geburten ab dem 1. März 2017 gilt, teilte Karmasin mit, dass der Online-Rechner spätestens im Jänner in Betrieb gehen soll. Man arbeite mit Hochdruck daran, detaillierte Erstinformationen seien aber schon jetzt auf der Homepage abrufbar. Sie erwarte sich durch das neue Modell zahlreiche Verbesserungen für die Familien, insbesondere mehr Flexibilität, Fairness und Partnerschaftlichkeit. Im Gegensatz zu FPÖ-Mandatarin Anneliese Kitzmüller war sie überzeugt davon, dass die Eltern aufgrund der hohen finanziellen Unterstützung (15.000 € im Jahr), die im internationalen Vergleich sehr großzügig bemessen ist, die größtmögliche Wahlfreiheit in der Frage der Kinderbetreuung haben. Auch aktuelle Monitoring-Ergebnisse belegen, dass über zwei Drittel der Bevölkerung Österreich als (sehr) familienfreundlich einstufen.

Große Anstrengungen habe man unternommen, um die zahlreichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gut zu betreuen, erläuterte die Ministerin, allein im letzten Jahr sind 8.000 Kinder und Jugendliche nach Österreich gekommen. Eine Maßnahme sei etwa die Intensivierung der außerschulischen Jugendarbeit (100 zusätzliche Projekte), wo heuer mit dem Motto "Friedliches Zusammenleben und Integration" ein wichtiger Schwerpunkt gesetzt wird. Auch auf EU-Ebene sei ihr Ministerium durch einen Beamten in einer Expertengruppe zu dieser Thematik vertreten; dabei gehe es u.a. auch um Fragen der internationalen Kriminalität.

Bezüglich der von einigen MandatarInnen geforderten Reform des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) wies Sophie Karmasin darauf hin, dass im Sommer eine Experten-Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, die bereits verschiedenste Varianten aufzeigt hat. Da ihr Ressort nicht allein in dieser Frage zuständig sei, müssen nun die Gespräche mit allen Beteiligten aufgenommen werden.

Der G-Abgeordneten Judith Schwentner pflichtete Karmasin bei, dass es durch die geplanten gesetzlichen Änderungen bei den eingetragenen Partnerschaften, die in Hinkunft auch am Standesamt abgeschlossen werden können, zu einem weiteren Abbau von Diskriminierungen kommt. Die Gesetzesnovelle, die derzeit in Begutachtung ist, soll zudem sicherstellen, dass homosexuelle Paare auch den Begriff "Familiennamen" verwenden dürfen.

Ein weiteres Gesetz, das in Begutachtung ist, betreffe die sogenannten "Sternenkinder", stellte die Ministerin gegenüber dem ÖVP-Abgeordneten Georg Strasser fest. Hier soll entsprechend den Wünschen der betroffenen Eltern u.a. die Möglichkeit eingeräumt werden, dass Kinder, die kurz nach der Geburt sterben und unter 500 Gramm wiegen, auf freiwilliger Basis in das Personenstandsregister eingetragen werden können.

Anträge der NEOS und Grünen zur Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten vertagt

Der Ausbau der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungs- und –bildungskosten stand im Mittelpunkt von Anträgen der NEOS und Grünen. Michael Bernhard (N) ist der Ansicht, dass der derzeit bestehende Wildwuchs und teils auch Widersprüche in der Förderstruktur an steuerlichen Familienförderungen beseitigt und diese zu einer einzigen Leistung zusammengeführt werden sollten (1820/A(E)). Judith Schwentner (G) wiederum weist auf die Problematik hin, dass jene Elternteile, die vom Kind getrennt leben, ihre Ausgaben von der Steuer nur dann absetzen können, wenn sie auch Unterhalt leisten. Bei einer gleichwertigen Aufteilung von Betreuungs- und Naturalleistungen könnte jedoch ein Verzicht auf zusätzliche Geldleistungen vereinbart werden, gibt die Antragstellerin ein Beispiel für Fälle, bei denen sie eine Entkoppelung der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten vom Unterhaltsabsetzbetrag im Einkommenssteuergesetz angeraten sieht (1496/A(E)). Friedrich Ofenauer (V) verwies für beide Themen einerseits auf ein bereits gut ausgebautes Fördersystem, das auf die Vielfältigkeit der Lebensumstände auch abgestimmt sei. Trotzdem sei die Absetzbarkeit auch immer ein "work in progress". Man versuche derzeit auch, im Zuge der Steuerreform die speziellen Situationen zu berücksichtigen. Er brachte damit den Antrag auf Vertagung ein, der mehrheitlich angenommen wurde.

Grüne fordern kostenloses Kindergartenjahr über Bundesländergrenzen hinweg und qualitative Evaluierung der Kinderbetreuung

Auch die Forderung der Grünen nach einer bundesweit gültigen Lösung, das kostenlose Kindergartenjahr über Bundesländergrenzen hinweg zu ermöglichen (1689/A(E)), wurde mehrheitlich vertagt. Konkret geht es Harald Walser (G) um die Überarbeitung der Bund-Länder-Vereinbarung zum verpflichtenden, aber kostenlosen letzten Kindergartenjahr. Die Länder müssten verpflichtet werden, nach Maßgabe der Plätze die kostenlose halbtägige Betreuung der 5-Jährigen auch für BewohnerInnen des Nachbarbundeslandes anzubieten, so der Antragsteller. Zur Förderung des Kindergartenbesuchs müssten Wohnort und Kindergarten derzeit im selben Bundesland sein, was organisatorisch mit dem Arbeitsplatz nicht immer möglich sei und sich nicht überall durch Vereinbarungen zwischen den Gebietskörperschaften regeln lasse. Vor allem für PendlerInnen zwischen Wien und Niederösterreich fehle eine solche Vereinbarung, dies stelle ein nicht unerhebliches Problem dar, so Walser.

Anneliese Kitzmüller (F) und Michael Bernhard (N) stehen einer übergreifenden Regelung zustimmend gegenüber. Angela Lueger (S) wies dazu allerdings auf die unterschiedliche Ausgestaltung der geförderten Kindergartenplätze zwischen Wien und Niederösterreich hin, Wien habe dabei höhere Standards. Man müsse zuerst gleiche Bedingungen schaffen, abgesehen davon können Eltern auch derzeit schon um einen Kostenbeitrag ansuchen. Strittig war in der Diskussion, ob die Regelung dafür in Länder- oder Bundeskompetenz fallen würde. Ministerin Karmasin und Angela Fichtinger (V) gingen von einer diesbezüglichen Länderkompetenz aus. Sophie Karmasin kündigte dazu an, mit Wien und Niederösterreich Gespräche aufzunehmen – hier und jetzt sei das Problem auf Bundesebene jedenfalls nicht zu lösen, so die Ministerin. Die Opposition war dazu deutlich anderer Meinung. Es gehe bei dem Antrag um eine Verpflichtung des Bundes und nicht um eine Länderangelegenheit. 

 

Mehrheitlich vertagt wurde der Antrag für eine Weiterentwicklung der qualitativen Evaluierung der Bund-Länder-Vereinbarungen zum Ausbau der Kinderbetreuung und des verpflichtenden Gratiskindergartenjahres von Harald Walser (G) (1690/A(E)). Es gehe darum, den zielgerichteten Ausbau der Kinderbetreuung zu überprüfen, dies mahne auch der Rechnungshof ein. Die derzeitigen Mittel für Evaluierung würden bei weitem nicht ausgeschöpft, deren Ziele müssten außerdem klar definiert werden. Ministerin Karmasin betonte dazu, dass laufend umfangreiche Studien zu sozioökonomischen Effekten durchgeführt werden. Diese sind Walser allerdings nicht weitreichend genug, es gehe um Aussagen über die Langzeitwirkung und insgesamt positive Auswirkungen.  

FPÖ: Maßnahmen zur finanziellen Entlastung von Familien mit Schulkindern, Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland

Ein spezielles Maßnahmenpaket zur finanziellen Entlastung von Familien mit Schulkindern wünschen sich die Freiheitlichen von der Bundesregierung (1844/A(E)). Gerade der Beginn eines Schuljahres stelle viele Familien vor große finanzielle Herausforderungen, gibt Anneliese Kitzmüller (F) zu bedenken. Dies habe erst kürzlich eine Studie der Arbeiterkammer wieder deutlich vor Augen geführt, wonach Eltern durchschnittlich 855 € pro Jahr und Kind u.a. für Schulveranstaltungen (Skikurse, Sprachwochen etc.), Schreibwaren und Materialien, Beiträge für Elternvereine, Klassenkassa, Kopien, Nachhilfe und EDV-Anschaffungen aufwenden müssen. Nicht abgefragt wurden die Kosten für den Besuch einer Privatschule bzw. einer Nachmittagsbetreuung, für Freizeitaktivitäten oder für die Ferienbetreuung, die für viele Familien noch zusätzlich anfallen.

Die Freiheitlichen haben daher einen Forderungskatalog aufgestellt, der folgende konkrete Punkte umfasst: automatische Valorisierung der Familienbeihilfe, Verlängerung des Zeitraums der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, Valorisierung des sogenannten Schulstartgeldes und der Schülerbeihilfe, Verbesserung der Information über Beihilfen und Förderungen sowie Einführung eines Schulkostenmonitorings. Der Antrag wurde ebenfalls vertagt.

Elisabeth Grossmann (S) zufolge brauche es eine umfassendere Sichtweise, auch wenn die Intention des Antrags jedenfalls begrüßenswert sei, und dafür müsse man sich Zeit nehmen. Michael Bernhard (N) waren die geforderten  Valorisierungen dabei zu wenig weitsichtig, er plädierte für regelmäßige Erhöhungen. Auch Harald Walser (G) sieht den Antrag grundsätzlich positiv, auch wenn es für ihn andere Schwerpunktsetzungen gäbe. Antragstellerin Kitzmüller entgegnete, dass der Antrag eine Mindestforderung darstellen soll und ohnehin auch die Erarbeitung eines ganzen Maßnahmenpakets der Regierung gefordert sei.

Neuerlich vertagt wurde auch die Forderung der FPÖ, die Familienbeihilfe für alle Kinder, die im EU- bzw. EWR-Raum leben und deren Eltern in Österreich arbeiten, an die Lebenshaltungskosten vor Ort anzupassen (1224/A(E)). Gegen diese Forderung stellten sich grundsätzlich Judith Schwentner (G) und Katharina Kucharowits (S), auch Michael Bernhard (N) würde den Antrag nicht unterstützen. 

NEOS: Entschuldung des FLAF über Strukturreform bei gleichzeitiger Senkung des Dienstgeberbeitrages gefordert

Familiensprecher Michael Bernhard (vormals Pock) von den NEOS sieht Reformbedarf (1407/A(E)) auch beim Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Die geplante Entschuldung des FLAF sei mit der gleichzeitigen Senkung der Dienstgeberbeiträge an den FLAF nicht möglich. Denn damit würde der FLAF auf neuerliche Schulden gebaut. Im Sinne dieser Beitragssenkungen und zur gleichzeitigen Schaffung einer tragfähigen finanziellen Basis für den FLAF fordern die NEOS von der Familienministerin eine Umgestaltung jener Leistungen, die aus dem Fonds finanziert werden. Fraglich sei auch, wie eine Wertschöpfungsabgabe sich diesbezüglich ausgestalten würde. Claudia Durchschlag (V) verwies auf einen abzuwartenden Bericht einer breit aufgestellten Arbeitsgruppe, daher wurde auch dieser Antrag vertagt. (Schluss) sue/mbu