Parlamentskorrespondenz Nr. 1180 vom 09.11.2016

Klima: Grüne fordern konkrete Strategie zur Treibhausgas-Minderung

Opposition hinterfragt im Nationalrat Klimapolitik der Bundesregierung

Wien (PK) - Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaabkommens von Paris: Mit dieser Frage setzte sich heute der Nationalrat auseinander, nachdem die Grünen einen Kurzdebatte dazu verlangt hatten. Der Entwurf zur "integrierten Klima- und Energiestrategie", den die Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft, Verkehr und Soziales vorgelegt haben, stellt Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner nicht zufrieden, wie sie in einer Anfrage (9982/J) an Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Leiter des Wirtschaftsressorts, festhält. Weder gebe es im aktuellen Grünbuch zur Strategie quantifizierbare Ziele zur Treibhausgasreduktion, noch könne sich die Öffentlichkeit an der Maßnahmenplanung beteiligen. "Was ist das konkrete Ziel der integrierten Klima- und Energiestrategie?", vermisst Brunner deutliche Absichtserklärungen. Mitterlehners schriftliche Antwort (9549/AB) stößt ebenso auf Missfallen bei den Grünen, zumal er darin ein ganz anderes Bild der heimischen Klimapolitik zeichnet.

"Österreich ist klimapolitisch ein europäisches Vorzeigeland", unterstreicht der Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung. Laufend würden Klimaschutzmaßnahmen gesetzt, wobei die Erreichung der bis 2020 angepeilten Ziele im Vordergrund stehe. Die Energie- und Klimastrategie solle im Rahmen einer breit angelegten Diskussion entstehen, bestimmte Projekte oder Einzelmaßnahmen würden dabei nicht voreilig ins Zentrum gerückt. Dennoch arbeite das Wirtschaftsressort daran, versichert Mitterlehner, bereits vor Fertigstellung der Energie- und Klimastrategie neue Vorschläge im Bereich Ökostrom zu präsentieren.

Mit dem völkerrechtlich verbindlichen Abkommen vom Klimagipfel von Paris (COP21) letztes Jahr hat sich Österreich wie alle anderen Vertragsstaaten verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, eher mit 1,5°C, zu beschränken. Erreicht werden könne dies nur, wenn die Industriestaaten bis 2050 völlig auf erneuerbare Energieträger umsteigen, so Brunner, also die Dekarbonisierung schaffen.

Weißbuch zur Strategie soll Umsetzung spezifizieren

Im Grünbuch zur integrierten Klima- und Energiestrategie wird laut Bundesregierung detailliert der aktuelle Stand in Österreich bei den Treibhausgas (THG)-Emissionen, beim Energieverbrauch und bei der Transformation des Energieversorgungssystems betrachtet. Untersucht werden in diesem Zusammenhang unterschiedliche Szenarien und Studien zur künftigen Energieversorgung und Klimapolitik. Im Austausch mit den beteiligten internationalen Akteuren will die Regierung ihre Strategie konkretisieren und in ein Weißbuch gießen, mit spezifischen klima-und energiepolitischen Entwicklungspfaden. Inwieweit das geplante Weißbuch tatsächlich messbare Ziele zur THG-Reduktion enthalten wird und ob externe Expertisen im Rahmen der Konsultation ausreichend Beachtung finden, zu diesen Fragen Brunners verwies Mitterlehner auf den Prozess zur Strategieerstellung, der noch laufe. "Ich weigere mich, ex cathedra zu sagen: So wird es sein", appellierte er, offene Frage noch weiter zu diskutieren.

Bis 2050 wolle man möglichst aus dem fossilen Bereich aussteigen, erklärte der Minister grundsätzlich, wobei er von den Partnerländern engagierte Mitarbeit zur Zielerreichung einmahnte. Die vereinbarte Lastenteilung in der EU-Energiepolitik ziele bereits darauf ab. Breit aufgestellt würden in Österreich die Energiesparmaßnahmen realisiert, schon indem mehrere Ressorts sich beteiligen. Für die Industrie gelte es, auch in ökonomischer Hinsicht die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein nachhaltiger Ausbau erneuerbarer Energien, etwa durch die anstehende Ökostromgesetz-Novelle, sei schon deswegen wichtig. Als weitere Faktoren der Energiewende skizzierte Mitterlehner Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Leistbarkeit, gerade für Haushalte.

Energiewende: Ideen von Ökosteuern bis Energieautarkie

Abgeordnete Christiane Brunner (G) und ihr Parteikollege Georg Willi fordern von der Regierung jedoch eine genauere Beschreibung der Maßnahmen, um Österreich unabhängig von Kohle, Öl und Erdgas zu machen. Erstmals habe sich die Staatengemeinschaft mit dem Klimavertrag von Paris rechtlich zum Klimaschutz verpflichtet, erinnerte Brunner, auch der neugewählte US-Präsident Donald Trump könne entgegen seinen Aussagen nicht in den nächsten vier Jahren aus dem Vertrag aussteigen. Vor diesem Hintergrund müsse aber alles für die Umsetzung getan werden, um letztendlich ohne fossile Energien auszukommen. Bedenklich stimmten sie vor diesem Hintergrund die ökonomischen Schwierigkeiten alternativer Energieproduzenten, etwa bei der Windkraft. Die EU-weite Senkung der Treibhausgase liege weit über den Werten, die Österreich aufweise, widersprach Willi der Darstellung Mitterlehners, Österreich sei Vorzeigeland bei der Klimapolitik. Analysen und Studien zur Umsetzung der Klimastrategie sowie Maßnahmenvorschläge gebe es schon zu Genüge, nun müssten Taten folgen. Eine ökosoziale Steuerreform und die Abschaffung des Dieselprivilegs nannte er als Beispiele notwendiger Initiativen, über die nicht länger beraten werden könne: "Die Zeit haben wir nicht mehr".

ÖVP-Mandatar Johann Höfinger hielt dem entgegen, schon vor Paris habe Österreich im erneuerbaren Energiebereich Erfolge verzeichnet, zudem setze sich Umweltminister Andrä Rupprechter unermüdlich für einen Energiewendevertrag in der Europäischen Union ein. Nicht ohne Grund werde die Abkehr von Ölheizungen diskutiert. Überdies, meinte Höfinger, könnten EU-weite Ökosteuern die Erreichung der Klimaziele von Paris unterstützen. Für die SozialdemokratInnen betonte Wolfgang Katzian, der Prozess zur Klimastrategie dürfe nicht verfrüht kritisiert werden. Die Inhalte der Konsultationen seien bereits veröffentlicht, daraus gelte es "ein solides Konzept" mit Einbindung aller relevanten Stakeholder zu erstellen und Maßnahmen festzuschreiben, beispielsweise beim Fernwärme-Ausbau. Auf keinen Fall dürften jedenfalls Parlament und Bundesländer bei der Klima- und Energiestrategie außen vor gelassen werden.

"Eher dezentrale Energieerzeugung und -verbrauch sowie ein klares Bekenntnis zur regionalen Vernetzung und zum Ausbau erneuerbarer Energien", umriss FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger  einer autarke Energiewirtschaft als zentral im Klimaschutzprogramm seiner Fraktion. Die Parameter Leistbarkeit, Nachhaltigkeit und Effizienz hätten eine wichtige Rolle zu spielen bei der Klima- und Energiestrategie, weswegen ein Umstieg auf erneuerbare Energien nur im Einklang mit den Netzkapazitäten tragbar sei. Gerade in Osteuropa stelle das aber noch ein Problem dar. "Ein fehlendes Konzept" ortete Josef Schellhorn von den NEOS im Grünbuch zur Klimastrategie. Engpässe und falsche Förderungsansätze am Strommarkt betrachtet er als Problem, das von der Regierung nicht angegangen werde. Österreich brauche Wirtschaftschancen durch die Energiewende, entsprechende Vorschläge der Opposition würden von SPÖ und ÖVP in den Ausschusssitzungen aber regelmäßig vertagt, monierte er. Genug Klimaschutzkonferenzen hätten schon getagt, kritisiert Leopold Steinbichler (T), ohne dass die Probleme wirklich angegangen würden, beispielsweise sinnlose Umweltbelastungen aufgrund von Energieimporten. Österreich sei eines der waldreichsten Länder, dennoch werde Heizmaterial weiterhin importiert. Abgesehen davon dürften Öl und Gas nicht skandalisiert werden, merkte der Team Stronach-Politiker an, denn diese Energieträger seien immer noch besser als Atomenergie. (Fortsetzung Nationalrat) rei