Parlamentskorrespondenz Nr. 1299 vom 24.11.2016

Nationalrat: Keine Waffenexporte für Militär und Polizei in die Türkei

Gemeinsame Entschließung aller sechs Parteien heute im Parlament präsentiert

Wien (PK) – Zu einer neuerlichen überparteilichen Initiative in Sachen Türkei kam es heute im Parlament. Bereits am 10. November haben VertreterInnen aller sechs Fraktionen die Freilassung von inhaftierten Abgeordneten und ein Aussetzen der Beitrittsverhandlungen verlangt (siehe PK-Nr.: 1187 ). Die Klubleute bzw. Mandatare von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach – Andreas Schieder, Reinhold Lopatka, Walter Rosenkranz, Peter Pilz, Matthias Strolz und Robert Lugar - präsentierten im Rahmen einer Pressekonferenz nun einen gemeinsamen Entschließungsantrag betreffend "Keine Waffenexporte in die Türkei", der noch heute im Zuge der Budgetdebatte im Nationalrat eingebracht wird. Damit setzt das österreichische Parlament als erstes in Europa ein derart klares Signal, so der Tenor der Abgeordneten.

Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, bei der Behandlung von Ausfuhranträgen nach dem Kriegsmaterialgesetz sowie dem Außenwirtschaftsgesetz die Gefahr bewaffneter Konflikte sowie die Möglichkeit, dass die gelieferten Produkte zur Unterdrückung der Menschenrechte verwendet werden, entsprechend zu berücksichtigen. An die EU wiederum ergeht der Appell, ein geeignetes Sanktionenregime zur Verteidigung von Rechtsstaat und Demokratie in der Türkei vorzubereiten.

Der Entschließungsantrag im Wortlaut:

Als am 15. Juli 2016 Teile des Militärs gegen das gewählte Parlament und die Regierung zu putschen versuchten, standen die Demokratien der EU auf Seite der türkischen Demokratie. Wir werden nicht vergessen: Zehntausende Bürgerinnen und Bürger gingen in Istanbul, Ankara und viele Städten auf die Straße, um für ihre Demokratie einzustehen.

Aber jetzt ist vieles anders: Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und des Vorgehens gegen die Verantwortlichen des Putschversuchs wurden in den vergangenen Monaten Demokratie und Rechtsstaat angegriffen und geschwächt. Zehntausende Staatsbedienstete, Journalistinnen und Journalistenverhaftet, viele weitere suspendiert. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in vielen kurdischen Gemeinden wurden abgesetzt. Zahllose kritische Medien und private Vereine wurden geschlossen oder verboten.

Zehn Abgeordnete befinden sich gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten und Richterinnen und Richtern in Haft. Öffentliche Aussagen von Vertretern der AKP Regierung lassen eine baldige Einführung der Todesstrafe befürchten.

Zugleich engagiert sich die Türkei militärisch in Syrien und dem Nordirak. Vertreter der türkischen Regierung sprechen bereits von einem großtürkischen Reich, das Städte wie Mossul umfassen soll. Auch innerhalb des türkischen Staatsgebietes wird im Namen der Bekämpfung des Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung in kurdisch bewohnten Gebieten vorgegangen.

Die Antragsteller sind daher überzeugt, dass unter diesen Umständen keinerlei Lieferungen von Kriegsmaterial, Verteidigungsgütern oder Dual Use-Gütern für militärische oder polizeiliche Zwecke in die Türkei aus Österreich erfolgen dürfen. Dazu zählen neben Kriegsmaterial im engeren Sinn insbesondere auch alle sonstigen Schusswaffen wie etwa Scharfschützengewehre, sowie Technologie, Chemikalien und sonstige Güter im Sinne der Anhänge I und IV der EU Dual Use-Verordnung (VO 2016/1969).

Sowohl Österreichs Status als neutraler Staat als auch das Kriegsmaterialgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz schließen die Genehmigung derartiger Exporte aus, wenn im Zielgebiet ein bewaffneter Konflikt herrscht oder auszubrechen droht sowie wenn die Gefahr besteht, dass die gelieferten Waffen zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden und im Falle des AußWG 2011 der begründete Verdacht besteht, dass diese Güter den Konflikt auslösen, verlängern oder verschärfen würden.

Solange nicht ein wirksames Sanktionenregime gegen die Türkei auf internationaler, insbesondere europäischer, Ebene begründet wurde, werden diese Umstände daher durch die zuständigen Bundesminister bei der Behandlung allfälliger Genehmigungsanträge zu berücksichtigen sein. Die Europäische Union soll geeignete Maßnahmen zur Verteidigung von Rechtsstaat und Demokratie in der Türkei vorbereiten.

Bei Nichterfüllung der Genehmigungskriterien des AußWG 2011 werden keine Ausfuhrgenehmigungen erteilt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag.

Der Nationalrat wolle beschließen: "Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der Behandlung von Ausfuhranträgen nach dem Kriegsmaterialgesetz sowie dem Außenwirtschaftsgesetz betreffend das Zielland Türkei die in der Begründung geschilderte Gefahr bewaffneter Konflikte und die Gefahr, dass die gelieferten Produkte zur Unterdrückung der Menschenrechte verwendet werden, entsprechend zu berücksichtigen." (Schluss) sue

HINWEIS: Fotos von dieser Pressekonferenz finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.