Parlamentskorrespondenz Nr. 1339 vom 30.11.2016

Rechnungshofausschuss nimmt heimisches Bildungswesen unter die Lupe

Neue Mittelschule: Hammerschmid will Teamteaching-Stunden nicht kürzen

Wien (PK) – Das heimische Bildungswesen beschäftigte den Rechnungshofausschuss heute außerdem auf Basis eines Berichts (III-254 d.B.) aus dem Frühjahr 2016, in dem u.a. das Österreichische Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (ÖZBF) geprüft wurde. Der Rechnungshof kritisiert im Prüfbericht nicht nur fehlende Zielvorgaben und Strategien seit der Gründung des ÖZBF, auch in zwei Follow-Up-Überprüfungen zu den Themen Neue Mittelschule sowie SchülerInnen mit Migrationshintergrund stieß er erneut auf zahlreiche Mängel.

Hammerschmid plant Restrukturierung der Begabtenförderung

Das ÖZBF wurde 1999 als Verein mit Sitz in Salzburg Stadt gegründet. Ohne zu prüfen, ob die Aufgaben selbst vom Bildungsministerium wahrgenommen werden können, wurde es von Beginn an in Kooperation mit dem Wissenschafts- bzw. Wirtschaftsministerium finanziert. So wurden gemeinsam jährlich zwischen rund 875.6000 € im Jahr 2010 und rund 912.600 € im Jahr 2014 aufgewendet, wie der Rechnungshof zur Vorgeschichte im Bericht skizziert. Mehr als die Hälfte dieser Mittel fiel davon auf Personalkosten, die der Verein als "lebende Subvention" zur Verfügung gestellt bekam, was einen Gesamtüberblick über die Finanzgebarung für die PrüferInnen verhinderte. Die geeignete Rechtsgrundlage fehlte laut Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker dafür ebenfalls. Das Bildungsministerium sollte aus ihrer Sicht demnach dahingehend prüfen, ob die Aufgaben vom Ressort selbst wahrgenommen werden können.

Im Bericht werden außerdem mangelnde Zielvorgaben und fehlende Evaluierungen bei den Förderungen seit Gründung des Vereins kritisiert. Das ÖZBF sei demnach Fördernehmer sowie Fördergeber zugleich gewesen. Zudem vermissen die RechnungsprüferInnen eine Strategie der beiden Ressorts, wenn es um die zukünftige Begabtenförderungslandschaft in Österreich geht. Kraker betonte dennoch das inhaltlich "hohe Engagement im Bereich der Begabtenförderung".

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid legte im Ausschuss ein klares Bekenntnis zur Begabtenförderung ab und verwies auf das 2011 erstellte Weißbuch "Begabungs- und Exzellenzförderung", auf Basis dessen das Bildungsressort agiere. Demnach gibt es laut Ministerin entgegen dem Rechnungshofurteil festgeschriebene Zielvorgaben bzw. Konzepte zur Strategieentwicklung im ÖZBF. Hammerschmid zufolge ist ihr Ressort gerade dabei, die Begabtenförderung neu zu strukturieren, wie sie den Abgeordneten Karin Greiner (S), Claudia Gamon (N) und Martina Schenk (T) erklärte. Setzen will sie verstärkt auf die Ausbildung von PädagogInnen, um "in die Breite zu gehen". Der Nukleus ist für sie dabei die Pädagogische Hochschule Salzburg, die, gesteuert durch das ÖZBF, mit allen anderen pädagogischen Hochschulen österreichweit agieren soll.

Als Antwort auf die Empfehlungen des Rechnungshofs stellte Hammerschmid in Aussicht, den ÖZBF in Zukunft vermehrt projetorientierter und auf Basis eines klaren Förderauftrags zu finanzieren. Außerdem werde es Personalzuteilungen in dieser Form, demnach "lebende Subventionen", nicht mehr geben. "Der ÖZBF wird für uns weiterhin ein wichtiger Partner sein", so die Ministerin.

Als Auskunftsperson im Rechnungshofausschuss war ÖZBF-Geschäftsführerin Claudia Resch geladen, die wie Hammerschmid auf bestehende Konzepte und Strategien im Weißbuch "Begabungs- und Exzellenzförderung" verwies. Der Ansatz des ÖZBF sei ganzheitlich und systematisch, er betreffe neben allen Bildungseinrichtungen auch Eltern oder Gemeinden. Das ist für Resch mit ein Grund, warum sie sich dagegen ausspricht, das ÖZBF in die PH Salzburg einzugliedern, wie das im Schuljahr 2013/2014 bereits versucht wurde. "Wir können alle pädagogischen Gruppen bedienen", sagte sie, die PH Salzburg wiederum würde sich nur mit der Ausbildung von LehrerInnen beschäftigen. Die Hälfte der PädagogInnen würde außerdem an Universitäten und nicht an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet, argumentierte sie.

Gerald Hauser von den Freiheitlichen bemängelte zu knappe finanzielle Mittel für die Begabtenförderung in Österreich. Die jährlich budgetierten 900.000 € sind aus seiner Sicht nicht ausreichend.

Seine Wertschätzung gegenüber der Arbeit des ÖZBF brachte Johann Singer (V) zum Ausdruck. Der Verein würde nicht nur national, sondern auch international anerkannt werden.

Harald Walser von den Grünen meinte wiederum, dass die Begabtenförderung eine der zentralen Herausforderungen des heimischen Schulsystems sei. "Es ist ein Verbrechen, den Kindern nicht zu helfen, ihre Talente zu entwickeln", sagte er.

Hammerschmid hält an Konzept der Neue Mittelschule fest

Angesichts der Follow-Up-Überprüfung des Rechnungshofs informierte Kraker, dass ein Großteil der Empfehlungen vom Bildungsministerium, vom Landesschulrat Steiermark sowie vom Landesschulrat Vorarlberg umgesetzt wurden. Die RechnungsprüferInnen hatten nach ihrer ersten Prüfung 2013 u.a. empfohlen, die Konzeption der Neuen Mittelschule (NMS) mit geringerem Ressourceneinsatz in Betracht zu ziehen. Etwa dadurch, das Teamteaching von 6 auf 4 Stunden zu kürzen, was laut Bericht eine Einsparung von rund 60 Mio. € pro Schuljahr bringen würde. Geht es um den Mitteleinsatz, rechnet man also Lehrerpersonalkosten pro SchülerIn, kommt der Rechnungshof bei den Hauptschulen auf rund 6.700 €, in den AHS auf rund 4.800 € und bei den NMS auf rund 7.500 € pro Schülerin bzw. Schüler. Die Lehrerpersonalkosten je SchülerIn sind damit in der AHS-Unterstufe im Durchschnitt um rund 53% geringer als in der Neuen Mittelschule und um 40% geringer als in Hauptschulen. Wie im Rechnungshofbericht außerdem angeführt wird, kam auch der Forschungsbericht "Evaluation der Neuen Mittelschule (NMS). Befunde aus den Anfangskohorten." vom März 2015 zum Schluss, dass die zusätzlichen Ressourcen im Durchschnitt nicht die erwarteten Leistungsverbesserungen der SchülerInnen gebracht hätten. Die RechnungsprüferInnen raten deswegen, die Neue Mittelschule mit geringeren Ressourcen umzusetzen.

Hammerschmid will grundsätzlich am Konzept der Neuen Mittelschule festhalten bzw. die Stunden des Teamteachings nicht kürzen. Ressourcen sollen ihr zufolge in Zukunft aber zielorientierter und effizienter genutzt werden. Die Umstellung würde Schulen sowie PädagogInnen enorm fordern, "dem System müssen wir Zeit geben", so die Ministerin. Eine indexbezogene Finanzierung wäre bei der Neuen Mittelschule für Hammerschmid erstrebenswert, wie sie auf einen Vorschlag von NEOS-Abgeordneter Gamon antwortete.

Von den Grünen sprach sich Harald Walser gegen die Kürzung von Teamteaching-Stunden aus, da das Unterrichtsbudget ohnehin bereits unterdotiert sei. Es gehe darum, die Mittel effizienter einzusetzen und eine umfangreiche Schulreform in Gang zu bringen.

Kritik am Modell der Neuen Mittelschule kam vom Freiheitlichen Wolfang Zanger. "Es kostet viel und bringt nichts", sagte er. Er verstehe nicht, warum versucht werde, die Neue Mittelschule "so krampfhaft am Leben zu erhalten".

Mängel bei Sprachförderung von SchülerInnen mit Migrationshintergrund

Bei einer weiteren Follow-Up-Überprüfung, bei der die RechnungsprüferInnen Fördermaßnahmen für SchülerInnen mit Migrationshintergrund unter die Lupe nahmen, kam der Rechnungshof zum Schluss, dass seine Empfehlungen aus dem Jahr 2013 vom Bildungsministerium sowie vom Stadtschulrat für Wien nur unterdurchschnittlich umgesetzt wurden. Nicht erledigt wurde demnach etwa, die konzeptionelle Ausgestaltung der Fördermaßnahmen für SchülerInnen mit Migrationshintergrund mit messbaren Zielvorgaben und aussagekräftigen Kenngrößen zu ergänzen. Der Rechnungshof vermisst zudem eine standardisierte Lernfortschrittsdokumentation aller SchülerInnen mit Migrationshintergrund, was den PrüferInnen zufolge im Hinblick auf die zu erwartende Fluktuation von AsylwerberInnen bzw. Flüchtlingen im schulpflichtigen Alter problematisch werden könnte. Zudem wird das Verfahren zur Sprachstandsfeststellung für Kinder in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht von allen Bundesländern angewendet. Die PrüferInnen halten zudem nach wie vor an ihrer Empfehlung fest, Sprachförderkurse auf einen längeren Zeitraum auszulegen, um Nachhaltigkeit und Planungssicherheit sicherzustellen.

Ministerin Hammerschmid betonte die Wichtigkeit der Sprachförderung in ihrem Ressort, nachhaltige Maßnahmen etwa zur Sprachförderung und Sprachstandsermittlung seien bereits – wie im beschlossenen Schulrechtspaket - implementiert. Durch die Mittel aus dem Integrationstopf seien die Stellen für PädagogInnen im Pflichtschulbereich von 442 auf rund 580 ausgebaut worden, unterstützt würden diese von interkulturellen Teams.

Der Sprachförderung werde außerdem der Chancenindex für Schulen bei der Mittelverwendung zugutekommen. Damit wird die Finanzierung von Schulen entlang von Kriterien wie der Alltagssprache der Kinder und dem Bildungsniveau der Eltern eruiert. Adressiert werden dadurch vor allem jene Schulstandorte, die mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, versicherte Hammerschmid im Ausschuss. Mängel bei der Sprachstandsfeststellung sollten laut Ministerin schon bald durch den Bildungskompass Geschichte sein. 2017 soll damit testweise in Oberösterreich begonnen werden.

Der Rechnungshofbericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) keg


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