Parlamentskorrespondenz Nr. 1381 vom 07.12.2016

Bures: Staat hat ein für alle Mal klargestellt, dass er keine Gewalt an Frauen innerhalb der Familie duldet

Veranstaltung im Parlament zu Gewaltschutz für Frauen und Kinder im Rahmen von 16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Wien (PK) - "Häusliche Gewalt ist niemals eine Privatsache, sondern eine Straftat, für die der Täter die volle Verantwortung trägt", sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures bei der Eröffnung der Veranstaltung "Am Prüfstand: Gewaltschutz für Frauen in Österreich", die gestern Abend im voll besetzten Empfangssalon des Parlaments stattgefunden hat.

Die Nationalratspräsidentin erinnerte in ihrer Rede an das 20-Jahre-Jubiläum der Beschlussfassung des ersten Gewaltschutzgesetzes im Hohen Haus: "Österreich war das erste Land in Europa, das ein Gewaltschutzgesetz erlassen hat. Das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie wurde am 27. November 1996 beschlossen und ist am 1. Mai 1997 in Kraft getreten", sagte Bures. Damit, so die Nationalratspräsidentin weiter, "wurde ein für alle Mal festgehalten und klargestellt: Der Staat duldet Gewalt an Frauen innerhalb der Familie nicht. Der Täter muss gehen".

16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Die Veranstaltung fand anlässlich der "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" statt, in denen jährlich zwischen dem 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, und dem Tag für Menschenrechte am 10. Dezember weltweit Gewaltschutz für Frauen und Kinder thematisiert wird. Eingeladen zu diesem Abend haben die Nationalratspräsidentin und die Frauen- und Gleichbehandlungssprecherinnen der Parlamentsfraktionen, Gisela Wurm (SPÖ), Dorothea Schittenhelm (ÖVP), Carmen Schimanek (FPÖ), Aygül Berivan Aslan (Grüne), Claudia Gamon (NEOS) und Martina Schenk (Team Stronach).

Österreich nimmt im Rahmen seiner Gewaltschutzgesetze eine internationale Vorreiterrolle ein und konnte diese in den letzten Jahren noch ausbauen. Hervorzuheben sind etwa Verbesserungen im Zusammenhang mit Anti-Stalking, der Prozessbegleitung, Verankerung von sexueller Belästigung im Strafrecht sowie der Ausweitung des Betretungsverbots im Sicherheitspolizeigesetz.

Nach Bures sprachen Justizminister Wolfgang Brandstetter, Ines Stilling, Leiterin der Sektion Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Frauenministerium (in Vertretung für Frauenministerin Sabine Oberhauser), Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, Romeo Bissuti vom Verein Männerberatung Wien und Obmann der White-Ribbon-Österreich-Kampagne, Johann Golob, Leiter der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien, und Werner Schweiger, ebenfalls von der Wiener Polizei.

Brandstetter: legistischer Erfolg, gesamtgesellschaftlicher Misserfolg

Bundesminister Wolfgang Brandstetter sagte, Gewalt sei für viele Frauen "trauriger Alltag". Er lobte einerseits die legistischen Erfolge Österreichs beim Gewaltschutz von Frauen und Kindern – etwa bei den Themen Stalking, Zwangsheirat oder gefährliche Drohung –, sagte aber andererseits, es sei ein gesamtgesellschaftlicher Misserfolg, dass diese Gesetze überhaupt notwendig seien.

Stilling: Ein Nein wird immer noch oft nicht akzeptiert

Sektionschefin Ines Stilling begann ihre Rede mit einem Zitat aus Goethes Ballade Erlkönig: "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt. Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." Im Sinne dieser Zeilen würde viele noch immer glauben, dass es okay sei, ein "Nein" einfach zu überhören, so Stilling. Frauen seien nicht nur physischer Gewalt ausgesetzt, sondern auch psychischer, sexueller und ökonomischer – "und zunehmend auch Gewaltaufrufen auf Social Media", sagte Stilling. Diese Herausforderungen gelte es in unserer Gesellschaft gemeinsam zu bewältigen.

Logar: Es braucht mehr Geld – vor allem für Kinder

Auch Rosa Logar, Chefin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, lobte die gesetzlichen Fortschritte, mahnte aber zugleich, dass es "nicht wirklich gelungen ist, dass Ausmaß der Gewalt zu verringern". Logar richtete einen Appell an die Regierung, den Frauenhäusern in Österreich eine nachhaltige finanzielle Basis zu sichern – die über Koalitionen und Regierungsmehrheiten hinaus Bestand habe. Vor allem für Kinder, die unter Gewalt in der Familie besonders leiden würden, brauche es mehr Geld und Unterstützung. 

Bissuti: Kinder leiden am meisten

Auch Romeo Bissuti vom Verein Männerberatung Wien sprach über die Folgen von Gewaltbeziehungen für Kinder. "Beziehungen, in denen es zu Gewalt kommt, zerstören Familien und kosten die Gesellschaft extrem viel Geld." Kinder würden darunter am stärksten leiden und Gewalt in der Familie wirke sich sehr negativ auf die Entwicklung von Kindern aus. Es müsse sich vor allem auch etwas am Rollenverständnis von Männern ändern, die in Beziehungen oft einen Anspruch auf Herrschaft stellen würden, so Bissuti.

Golob: Opfer schützen, Gefährder konfrontieren

Johann Golob, Leiter der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien, sagte, der Umgang mit Gewalt in Beziehungen und der Familie sei für die Polizei ein Lernprozess gewesen. Man sei bei der Polizei unter anderem zum Ergebnis gekommen, dass man für erfolgreiche Prävention zwei Wegen gleichzeitig folgen müsse: "Wir müssen einerseits die Opfer schützen, andererseits müssen wir uns auch mit dem Gefährder beschäftigen, um bei ihm eine Selbstreflexion auszulösen – nur das führt zu Nachhaltigkeit", sagte Golob.

Schweiger: Kinder aus Gewaltbeziehungen sind das Klientel der Zukunft

Zur Beschäftigung mit den Tätern ging Werner Schweiger von der Wiener Polizei ins Detail, der sich in Döbling seit Jahren mit "Gefährdern" beschäftigt: "Täter kommen aus allen Gesellschaftsschichten und es ist wichtig, dass sie sehen, die Polizei schaut nicht nur kurz in der Nacht vorbei, sondern die klopft auch am nächsten Tag wieder bei mir an." Schweigers Schlusspunkt: "Fast alle Täter haben in ihrer Kindheit selbst Gewalt in der Familie erlebt." Sofern die Gesellschaft keine entsprechenden präventiven Schritte setze, seien die Kinder aus Gewaltbeziehungen "unser Klientel der Zukunft", so Schweiger. 

Den Reden folgte noch eine kurze Diskussion. Die Moderation der Veranstaltung übernahm die Journalistin und Politikwissenschaftlerin Corinna Milborn. Für die musikalische Umrahmung sorgte das Saxophonquartett Sax4Femme. (Schluss) wz

HINWEIS: Fotos der Veranstaltung finden sich auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.