Parlamentskorrespondenz Nr. 1383 vom 07.12.2016

EU-Konsens über gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage lässt auf sich warten

Schelling zweifelt im EU-Unterausschuss an baldiger Umsetzung

Wien (PK) – Im zweiten Teil des EU-Unterausschusses ging es um das Steuerrecht – konkret um eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und um Doppelbesteuerungen. Die EU setzt auch alles daran, Steuervermeidung zu verhindern, ein Vorschlag zielt daher auf Maßnahmen gegen so genannte hybride Gestaltungen ab.

Die Initiativen wurden grundsätzlich von den Abgeordneten gut geheißen, Kai Jan Krainer (S) und Bruno Rossmann (G) monierten jedoch eindringlich, im Zusammenhang mit der Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage müsse auch ein Mindeststeuersatz eingeführt werden, um eine weitere Anheizung des Steuerwettbewerbs zu verhindern. Finanzminister Hans Jörg
Schelling machte gegenüber den Ausschussmitgliedern deutlich, dass sein Vorstoß, im ECOFIN über Mindeststeuersätze zu reden, von allen anderen Mitgliedstaaten abgeschmettert wurde. Er zeigte sich auch skeptisch, dass es mittelfristig überhaupt zur Einigung über den jetzigen Vorschlag kommt.

Finanztransaktionssteuer wackelt

Außerhalb der Tagesordnung wurde von Bruno Rossmann (G) auch die Finanztransaktionssteuer thematisiert. Der Finanzminister hatte dazu keine guten Nachrichten. Nachdem Estland ausgestiegen ist, wackeln auch Belgien und Slowenien, weil für diese beiden Länder zwei Punkte kritisch sind: Einerseits bleibt die Frage der Auswirkungen auf die Realwirtschaft und Pensionsfonds offen, andererseits sind noch die Kosten für die Implementierung im Verhältnis zum Ertrag zu berechnen. Steigen Belgien und Slowenien aus, dann ist das Projekt tot, denn acht Länder sind für das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit zu wenig.

Brexit: Schelling glaubt nicht an Abschluss der Verhandlungen bis 2018

Angesprochen von Waltraud Dietrich (T), ging der Finanzminister auch auf die die Brexit-Verhandlungen ein und betonte, dass die EU die von Großbritannien versuchten bilateralen Verhandlungen ablehne. Ein Großteil der Staaten ziehe es auch vor, zuerst den Austrittsvertrag zu verhandeln und nach dessen Abschluss erst den neuen Vertrag. Schelling berichtete ferner, dass Großbritannien weiterhin für Forschung, die Sicherheitsarchitektur und den Binnenmarkt zahlen will, jedoch nicht in das EU-Budget, was schwierig sei. Am Binnenmarkt könne Großbritannien auch nur dann teilnehmen, wenn es die vier Grundfreiheiten akzeptiert. Ansonsten könne es nur ein Handelsabkommen geben. Ungeklärt sei ferner, wie der Zahlungsausfall – Großbritannien ist Nettozahler – kompensiert werden soll. Schelling glaubt keinesfalls, dass die Austrittsverhandlungen 2018 abgeschlossen werden können.  

Stufenplan für gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Seit 2011 drängt die EU-Kommission darauf, eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) zu schaffen. Das würde es den Unternehmen ermöglichen, die EU für Körperschaftsteuerzwecke als Binnenmarkt zu nutzen, und auf diese Weise ihre grenzübergreifenden Tätigkeiten zu vereinfachen, außerdem würden Handel und Investitionen gefördert, plädiert die Kommission für ihre Initiative. Bislang müssen grenzübergreifend tätige Unternehmen 28 unterschiedlichen Körperschaftsteuersystemen entsprechen, was sehr aufwändig ist. Die derzeitigen Regeln für die Unternehmensbesteuerung seien auch nicht mehr zeitgemäß, im Zeitalter der Digitalisierung sei das wirtschaftliche Umfeld globaler, mobiler und digitaler geworden, Unternehmenseinkünfte würden in der Regel aber nach wie vor auf nationaler Ebene besteuert. Dazu komme, dass Geschäftsmodelle und Unternehmensstrukturen komplexer seien, was die Verlagerung von Gewinnen erleichtere. Unterschiede bei den nationalen Steuersystemen trügen dazu bei, dass die aggressive Steuerplanung im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen hat.

Über den diesbezüglichen Vorschlag von März 2011 ist aber noch immer nicht entschieden worden. Die EU-Kommission hat sich daher im Juni 2015 im Zuge eines Aktionsplans für ein stufenweises Vorgehen entschieden, wonach die Arbeiten an der Konsolidierung (GKKB) vertagt werden sollen, bis eine Einigung über die gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) erzielt worden ist.

Das neu aufgegriffene GKKB-Projekt würde Unternehmen ein einheitliches, gemeinsames Körperschaftsteuersystem bieten und somit nicht nur zur Bekämpfung der Steuervermeidung beitragen, sondern auch grenzüberschreitenden Handel und Investitionen im Binnenmarkt erleichtert, heißt es dazu in der Information des Finanzministeriums. Ziel sei es, ein System der Unternehmensbesteuerung zu schaffen, das Unternehmensgewinne dort besteuert, wo sie entstehen.

Debatte über Einführung eines Mindeststeuersatzes bei Körperschaftsteuer

Wie der Finanzminister halten alle eine vereinheitlichte Bemessungsgrundlage für sinnvoll. Bruno Rossmann (G) meinte, ein gemeinsamer Binnenmarkt brauche eine gemeinsame Besteuerung. Wie Gabriele Tamandl (V) zeigte er sich aber im Hinblick auf die Realisierung skeptisch. Auch Schelling ließ im Ausschuss keinen Zweifel daran aufkommen, dass eine tatsächliche Realisierung derzeit noch in den Sternen steht, da offensichtlich viele Länder dazu mittelfristig nicht bereit sind.

Trotz des im Ausschuss vorherrschenden Grundkonsenses entbrannte eine Diskussion über die Notwendigkeit, mit diesem Paket auch Mindeststeuersätze einzuführen. Kai Jan Krainer (S) und Bruno Rossmann (G) waren sich darin einig, dass die Harmonisierung lediglich der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu einer Anheizung des Steuerwettbewerbs führen würde und man daher gleichzeitig europaweit einen einheitlichen Mindeststeuersatz festlegen müsse. Steuerwettbewerb nütze nur einem kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich jenem, der es sich richten kann, forderte Krainer eine gerechte Verteilung der Steuerlast ein. Sowohl Krainer als auch Rossmann vertraten zudem die Ansicht, dass der Etappenplan nur wenig bringe, das Ganze sei nur im Gesamtpaket sinnvoll. Finanzminister Schelling machte klar, dass sein Versuch, im ECOFIN über Mindeststeuersätze zu diskutieren, von den anderen Mitgliedstaaten mit dem Argument abgeschmettert worden sei, Steuersätze seien alleinige Sache der Mitgliedsländer. Auch Österreich wolle sich dabei nicht dreinreden lassen, bemerkte dazu Gabriele Tamandl (V). Der Freiheitliche Johannes Hübner warf dazu ein, dass Steuersätze allein keinen Maßstab für die Attraktivität des Standorts darstellen. Thema müsste seiner Meinung nach vor allem die Gewinnverschiebung sein.

Wie viel eine etwaige Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage kostet, werde derzeit geprüft, informierte Schelling Abgeordneten Krainer (S). Was die im Kommissionsvorschlag verpackten Anreize für Forschung und Entwicklung betrifft, so zeigte sich Schelling im Hinblick auf die Forschungsprämie in Österreich von deren positiver Wirkung überzeugt. Es gebe aber Probleme mit der Definition, was unter Forschungsförderung fällt.     

Erweiterte Mechanismen zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten

Ergänzend dazu gibt es einen Richtlinienvorschlag zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der EU. Die Doppelbesteuerung zählt, wie die Kommission in ihren Erläuterungen schreibt, zu den größten Problemen, sie sei ein wesentliches Hindernis für Unternehmen, das Rechtsunsicherheit, unnötig Kosten und Liquiditätsprobleme schaffe. Zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten gebe es bereits Verfahren – siehe Doppelbesteuerungsabkommen sowie das Übereinkommen der EU über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Hinblick auf Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen – es gebe aber Fälle, in denen kein Streitbeilegungsverfahren eingeleitet werden kann, die unter keines der Abkommen fallen oder in denen das Verfahren festgefahren ist. Es sei daher notwendig, die Regelungen zu verbessern.

Der Vorschlag stützt sich auf das geltende Übereinkommen der EU über die Beseitigung der Doppelbesteuerung, das bereits ein verpflichtendes und verbindliches Verständigungsverfahren vorsieht, dessen Anwendungsbereich jedoch auf bisher nicht abgedeckte Gebiete ausgedehnt wird. Die Mitgliedstaaten können demnach auf detaillierte Verfahrensvorschriften zurückgreifen, für sie bleibt aber die Flexibilität gewahrt, um sich auf ein Verfahren ihrer Wahl einigen zu können. Die vorgeschlagene Richtlinie ermöglicht den Steuerpflichtigen mehr Rechte sowie die Forderung von Streitbeilegungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen. Zudem können sich Steuerpflichtige über das Verfahren informieren und darauf verlassen, dass die Mitgliedstaaten zur Erzielung verbindlicher Ergebnisse gezwungen sind, unterstreicht das Finanzministerium in seinen Erläuterungen dazu.

EU sagt der Steuervermeidung den Kampf an

Auch die Möglichkeiten für Unternehmen zur Steuervermeidung hat die Kommission im Visier. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen nützen die unterschiedlichen steuerlichen Vorschriften aus, um doppelte Nichtbesteuerung zu erreichen und ihre Gesamtsteuerschuld zu verringern. So genannte hybride Gestaltungen ergeben sich aus unterschiedlichen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstatten, z.B. hinsichtlich der Einordnung einer Gesellschaft als steuerlich transparent oder intransparent oder bezüglich der Qualifikation eines Finanzinstruments als Eigenkapital oder Fremdkapital – d.h. die Rechtsform einer Gesellschaft wird von Land zu Land steuerrechtlich unterschiedlich behandelt. Zudem gibt es weitere Arten von Inkongruenzen, wie hybride Gestaltungen bei Betriebstätten, hybride Übertragungen, sogenannte eingeführte Inkongruenzen sowie Inkongruenzen bei doppelter Ansässigkeit. 

Mit Hilfe der Anti-Tax Avoidance Directive (ATAD I) - über die im Juli Einigung erzielt wurde - können hybride Fälle innerhalb der EU erfasst werden. Der vorliegende Richtlinienvorschlag umfasst nun Vorschriften gegen hybride Gestaltung, an denen Drittländer beteiligt sind (ATAD II). Sie sollen mit jenen im OECD-Bericht zum Thema BEPS im Einklang stehen. (BEPS ist die Abkürzung für "Base Erosion and Profit Shifting"; darunter versteht man die geplante Verminderung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen durch multinationale Konzerne).

Dieser Punkt werde derzeit intensiv diskutiert, berichtete Schelling, offen seien noch zwei Fragen, die eine Entscheidung im letzten ECOFIN verhindert haben. Zum Einen möchte Großbritannien den Finanzsektor ausnehmen, wogegen sich Österreich wie auch andere Staaten sträuben. Die Niederlande wiederum sprechen sich für Übergangsregelungen bis etwa 2024 aus, was Schelling für nicht sinnvoll hält. Österreich setzt sich dafür ein, die Richtlinie möglichst rasch in Kraft treten zu lassen, Schelling plädiert für 1. Jänner 2018. Zudem wies der Finanzminister darauf hin, dass Österreich im Kampf gegen Steuervermeidung schon viele Schritte gesetzt hat. (Schluss EU-Unterausschuss) jan