Parlamentskorrespondenz Nr. 1459 vom 21.12.2016

Finanzausgleich passiert Bundesrat nach lebhafter Debatte

Weniger Bankenabgabe, einfacheres Steuerrecht, Opposition weiter kritisch

Wien (PK) - Das neue Finanzausgleichsgesetz – mit ersten Schritten in Richtung Aufgabenorientierung und Abgabenautonomie der Bundesländer – passierte heute auch den Bundesrat mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit. Wie schon im Nationalrat blieben die Oppositionsparteien aus unterschiedlichen Gründen bei ihrer Kritik an vergebenen Reformchancen, wie deren Vorwurf an Finanzminister Hans Jörg Schelling lautete. Demgegenüber erklärte der Ressortleiter den Einstieg in die Aufgabenorientierung bei den Ertragsanteilen der Gemeinden für Kindergärten ab 2018 und für Pflichtschulen ab 2019 und kündigte die Herausgabe detaillierter Kriterien dafür in der ersten Jahreshälfte 2017 an. Der Einstieg zur Abgabenautonomie erfolgt durch Umbau des Wohnbauförderungsbeitrags zu einer Abgabe mit voller Tarifautonomie der Länder samt einheitlichen technischen Bauordnungen. Der Finanzausgleich gewährleistet Investitionen in die Verkehrssicherheit auf Eisenbahnkreuzungen und bietet den Ländern einen Zuschuss von 125 Mio. € für die Integration von Zuwanderern. Finanzschwache Gemeinden und Abwanderungsgebiete können einen neuen Strukturfonds nach klar festgelegten Kriterien in Anspruch nehmen. Eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, der auch FPÖ und Team Stronach zustimmten, sieht eine einheitliche Methode zur Berechnen von Haftungen und eine Haftungsgrenze bei 175% der jeweiligen Jahreseinnahmen vor. Für Gemeinden gilt eine Haftungen/Einnahmen-Quote von 75%.

Ebenfalls mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit passierte ein Abgabenänderungsgesetz 2016 den Bundesrat. Es bringt eine Senkung der Bankenabgabe (Stabilitätsabgabe), weil die Institute unter niedrigen Zinsen leiden, zugleich aber ihre Eigenkapitalquoten erhöhen müssen. Dazu kommen Vereinfachungen in der Abgabenverwaltung, indirekte Förderungen für betriebliche Elektrofahrzeuge und Erleichterungen für Wissenschaftler durch Verkürzung der Frist beim Zuzugsfreibetrag von zehn auf fünf Jahre. Der Kinderfreibetrag von 300 € wird künftig automatisch in der Arbeitnehmerveranlagung berücksichtigt. Im Umsatzsteuergesetz wird der Grundstücksbegriff an das Unionsrecht angepasst. Das Überbrückungsgeld der Bauarbeiter wird steuerlich begünstigt, der Verkauf von Kautabak verboten und die Kerosin-Steuerbefreiung für Luftfahrtunternehmen vereinfacht. Elektronisch übermittelte Spenden an österreichische Museen können künftig ohne Bescheinigung steuerlich abgesetzt werden. Vor dem Bundesfinanzgericht wird eine Verfahrenshilfe eingeführt, für die der Bund einen pauschalen Kostenbeitrag leistet.

FPÖ: Beim Finanzausgleich ist Minister Schelling gescheitert

Kritik an der Bankenabgabe, die niemals eine Stabilitätsabgabe gewesen sei, übte vorweg Reinhard Pisec (F/W). Diese Abgabe habe den Finanzplatz Wien destabilisiert, weil sie die Banken zwinge, ihre Umsätze durch eine geringere Kreditvergabe zu verkleinern – das habe der Wirtschaft Österreichs geschadet. Den neuen Haftungsobergrenzen stimmt Pisec zu, obwohl sie zu hoch angesetzt seien. Auch das Spekulationsverbot begrüßte Pisec, es müsse aber durchgesetzt werden, forderte er, insbesondere in Wien.

Beim Finanzausgleich habe Minister Schelling seine Reformankündigungen nicht umgesetzt, kritisierte Pisec. Der neue Finanzausgleich werde weder zu Einsparungen noch zu Steuersenkungen führen und er werde keine Spielräume für Investitionszuschüsse eröffnen. Auch FP-Bundesrat Gerd Krusche sah den Finanzminister beim Finanzausgleich für gescheitert an. Die Aufgabenorientierung sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein und die Steuerautonomie der Länder sei nur in einer sehr beschränkten Form bei der Wohnbauförderung und dort ohne Zweckbindung erreicht worden. Der Transferdschungel und der enorme bürokratische Aufwand bei der Gemeindefinanzierung bleibe aufrecht. Der Finanzminister sei vor den Landeshauptleuten in die Knie gegangen. Wie der Einstieg in den Umstieg gelingen soll, bleibt für Krusche eine offene Frage.

ÖVP zum Finanzausgleich: Viele Sieger, kein Verlierer

Edgar Mayer (V/V) hielt den neuen Finanzausgleich gegenüber der FPÖ für ein zukunftsweisendes Projekt und lobte den Finanzminister, der den Einstieg in den Umstieg zu Aufgabenorientierung und Abgabenautonomie geschafft habe. Länder und Gemeinden erhalten bis 2021 um 300 Mio. € mehr, davon 125 Mio. € für die Integration der Flüchtlinge. Die Verwaltung in den Spitälern wird vereinfacht, Haftungsobergrenzen und Spekulationsverbot umgesetzt, die Wohnbauförderung zukunftsorientiert gestaltet sowie die Umwelt- und Energieförderungen vollständig in der Transparenzdatenbank erfasst, listete der Bundesrat aus Vorarlberg auf. Nachdenken will Mayer darüber, wie die Pflegekosten finanziert werden sollen – dies sei eine wichtige Zukunftsfrage. Als gut gelungen bezeichnete auch Bundesrat Eduard Köck (V/N) den neuen Finanzausgleich. "Dieser Finanzausgleich hat viele Sieger und keine Verlierer", sagte Köck, der insbesondere den neuen Fonds für strukturschwache Gemeinden begrüßte. Es sei gelungen, Ungerechtigkeiten bei der Zuteilung von Ertragsanteilen zu vermindern, sagte der Bundesrat, gab aber zu, dass er sich an dieser Stelle mehr erwartet hätte.

Grüne wollen umfassende öffentliche Diskussion zum Finanzausgleich 

Einer umfassenden Kritik unterzog Heidelinde Reiter (G/S) den neuen Finanzausgleich. Die Widersprüche zwischen Einnahmenzentralismus und Ausgabenföderalismus und die extrem komplizierten Finanzströme zwischen Ländern und Gemeinden würden nicht überwunden. Daher bleibe ein intransparentes, nicht steuerbares, wenig motivierendes System, das seit 40 Jahren in der Kritik steht, aufrecht. Beim Einstieg in die Aufgabenorientierung sah die Rednerin alle Details offen. "Die Suppe ist sehr dünn", sagte Reiter zur neuen Finanzierung der Elementarbildung.

Zu klein sei auch der Schritt bei der Abgabenautonomie ausgefallen, die überdies von den Landeshauptleuten unterlaufen werde. Der Klimaschutz finde keine Abbildung im Finanzausgleich, die Aufgabenkritik sei nichts Neues und die Transparenzdatenbank werde von den Ländern weiterhin in vielen Bereichen blockiert, kritisierte die Bundesrätin weiter. Reiter begrüßte Haftungsobergrenzen samt einheitlicher Berechnung, vermisste aber einen Abbaupfad bei den Haftungen und hielt es für aussichtslos, dass die angekündigte Bundesstaatsreform bis 2018 gelingen könnte. Österreich sollte sich ein Vorbild an der Schweiz nehmen und die Reform des Finanzausgleichs zum Thema einer umfassenden öffentlichen Debatte machen, riet Reiter. Ziel müsse es sein, den Finanzausgleich zu einem Instrument eines konstruktiven Föderalismus und einer nachhaltigen Wirtschaft zu machen.

SPÖ analysiert Finanzausgleich aus Sicht der Gemeinden differenziert 

Licht und Schatten sah Ewald Lindinger (S/O) beim neuen Finanzausgleich. Dem Finanzminister konzedierte der Bundesrat, er habe gut für den Bund verhandelt und kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an. Als langjähriger Bürgermeister unterstrich Lindinger die Bedeutung der Ertragsanteile für die Gemeinden und klagte darüber, dass etwa seine 6.000-Einwohnergemeinde Anteile verloren habe, die Aufgabenorientierung aber noch nicht gelungen sei, weil die Bundesländer noch zu viele Extrawürste beansprucht hätten. Bei der Elementarbildung sei es aber erstmals gelungen, Ertragsanteile qualitätsorientiert zu verteilen. Lindinger begrüßte, dass die Landesumlage, die die Gemeinden belaste, nicht erhöht wurde, dass mehr Geld für die Siedlungswasserwirtschaft zur Verfügung stehe und die Gemeinden künftig Sicherheitsmaßnahmen an Eisenbahnkreuzungen nicht aus Bedarfszuweisungen finanzieren müssen. Bei der Abgabenautonomie warnte Lindinger davor, Mittel falsch zu verwenden und drängte konkret auf eine sozial gerecht ausgerichtete Wohnbauförderung.

SPÖ-Bundesrat Peter Heger (S/B) meinte, dass Kritik und Lob am Finanzausgleich aus der Sicht der Gemeinden gleichermaßen berechtigt sei und erinnerte daran, dass Gemeinden durch Erhaltung öffentlicher Gebäude und durch sozialen Leistungen zu den größten Investoren der Republik zählen. Als Beispiele nannte Heger den Ausbau der neuen Mittelschulen, von dem die regionale Wirtschaft profitiere sowie die Einrichtung sozialer Dienste, bei der freiwillige und hauptamtliche Helfer für die BürgerInnen zusammenwirken und Arbeitsplätze geschaffen werden. Heger sieht die Weichen bei der Aufgabenorientierung richtig gestellt, begrüßt die Berücksichtigung der Einwohnerentwicklung im Strukturfonds und auch die Förderung interkommunaler Zusammenarbeit.

Team Stronach für Steuerwettbewerb bei Ländern und Gemeinden  

Gerald Zelina (T/N) hielt es für notwendig, den Finanzausgleich nach dem Vorbild der Schweiz vollkommen neu aufzusetzen, Steuerautonomie einzuführen und für Steuerwettbewerb zwischen Ländern und Gemeinden zu sorgen. Dies würde Länder und Gemeinden zwingen, ihre Verwaltungskosten zu senken, den Service für die BürgerInnen zu verbessern und die Steuern zu senken. Steuer- statt Ausgabenwettbewerb würde den Wirtschaftsstandort attraktiver machen, Investitionen der Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze schaffen, meint Zelena. Praktisch schlug der Bundesrat vor, Ländern und Gemeinden die Möglichkeit zu geben, einen Teil der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer selbst einzuheben. Mit möglichst geringen Steuersätzen sollten sie Betriebe anlocken und die Bürger jeweils selbst entscheiden lassen, was mit den eigenommenen Steuern finanziert werden soll, forderte Zelina.    

Finanzminister Hans Jörg Schelling klärte Bundesrat Pisec darüber auf, dass die Bankenabgabe eingeführt worden sei, nachdem der Bund während der Finanzkrise finanzielle Leistungen bei der Stabilisierung der Banken übernommen habe. Da die Institute nunmehr europäische Fonds speisen müssen, sei es richtig, die Stabilitätsabgabe zu senken und als Berechnungsgrundlage künftig den Gewinn statt des Umsatzes heranzuziehen. Zudem erklärte der Minister das neue einheitliche Berechnungssystem bei öffentlichen Haftungen und informierte die BundesrätInnen darüber, dass alle Bundesländer die Haftungsgrenzen ab 2019 unterschreiben werden, weil die Länder die Haftungen für ihre Banken ab 2017 zurückfahren.

Schelling: Ein guter Finanzausgleich für den Bund mit mehr Geld für Länder und Gemeinden   

Beim Finanzausgleich räumten sogar Kritiker ein, es sei mehr gelungen als man erwartet habe, sagte der Finanzminister, der von einem guten Verhandlungsergebnis für den Bund sprach und darauf hinwies, dass Länder und Gemeinden mehr Geld bekommen. Gegenüber Hinweisen auf das Vorbild Schweiz zeigte sich Schelling überzeugt, dass die angestrebte Reform besser als Prozess gestaltet werden soll. Den Einstieg in diese Reform sieht Schelling gut gelungen. Die Aufgabenorientierung sei keineswegs auf die Elementarbildung beschränkt. Vielmehr seien insgesamt 12 Projekte vereinbart, teilte Schelling mit. Die Aufgabenorientierung bei der Finanzierung der Elementarbildung sei mit Kriterien unterlegt. Gespräche mit den Ländern liefen gut, sagte der Minister und kündigte einen Abschluss im ersten Halbjahr 2017 und einen termingerechten Einstieg in die Aufgabenorientierung für 2018/19 an. Beim Einstieg in die Abgabenautonomie strich Schelling die Vereinfachung der Standards beim Wohnbau und die erreichte Planungssicherheit für die Bauwirtschaft sowie die Vereinheitlichung der technischen Bauordnung hervor. Eine Föderalisierung der Körperschaftsteuer lehnte der Finanzminister ab, weil sie zur bürokratischen Belastung von Firmen würde, die Filialen in mehreren Bundesländern haben.

Die Befüllung der Transparentdatenbank durch alle Bundesländer bei den Themen Umwelt und Energie werde erlauben, zu beurteilen, wie unterschiedlich hohe Förderungen tatsächlich wirken, etwa bei der Subventionierung von Solaranlagen, führte Schelling aus.

Die neue Aufgabenkritik (Spending Review) sei notwendig, um historisch gewachsene Strukturen daraufhin überprüfen zu können, welche Leistungen tatsächlich erbracht werden.

Im Gesundheitswesen werde die Planung des stationären Bereichs auf die Ebene des Bundes gehoben und die Kostenentwicklung eingedämmt. Als wesentlichen Fortschritt sah Schelling auch die Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit und das Spekulationsverbot in allen Bundesländern an. Die geplante Bundesstaatsreform könne man nicht durch eine Reform des Finanzausgleichs ersetzen, weil beide Reformen jeweils eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und im Bundesrat erfordern.

Den Strukturfonds für finanzschwache Gemeinden begrüßte der Finanzminister – dieser Fonds werde diese Gemeinden stärker machen, was wichtig sei, weil die Gemeinden tatsächlich zu den wichtigsten Investoren der Republik zählen.

Der Einstieg in die Aufgabenorientierung sei auch deshalb wichtig, weil die Aufgabenorientierung erlaube, das komplizierte Transfersystem zu überwinden. Davon werden alle profitieren, auch kleine Gemeinden, zeigte sich der Finanzministr überzeugt. (Fortsetzung Bundesrat) fru


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