Parlamentskorrespondenz Nr. 56 vom 25.01.2017

Familienausschuss: Expertenhearing zum Bericht der Lage der Jugend

Abgeordnete kritisieren mangelnde Aussagekraft und fordern konkrete Maßnahmen

Wien (PK) – Mit einer ausführlichen Debatte über den aktuellen Bericht zur Lage der Jugend in Österreich mit ExpertInnen begann die heutige Sitzung des Familienausschusses. Da darin eine Vielzahl von Fragestellungen – von der Bildung, dem Arbeitsmarkt, dem Freizeitverhalten, der Gesundheit bis hin zur politischen Partizipation – behandelt werden, bekomme man einen sehr guten Einblick, was die jungen Menschen heutzutage bewegt und was sie sich von ihrer Zukunft erwarten, betonte Bundesministerin Sophie Karmasin. Der dreiteilige Bericht ("Wissen um junge Menschen in Österreich", Better-Life-Index Jugend und Österreichische Jugendstrategie) wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen (III-330 d.B.).

Karmasin: Insgesamt positives Bild; Maßnahmen für Risikogruppen sind geplant

Die für Jugendagenden zuständige Bundesministerin Sophie Karmasin hob besonders die Tatsache hervor, dass der über 400 Seiten umfassende Bericht zur Lage der jungen Menschen in Österreich erstmals in der Mitte der Legislaturperiode dem Nationalrat zugeleitet wurde. Dadurch biete er eine gute Basis für weiterführende Diskussionen sowohl auf Experten- als auch auf politischer Ebene. Mit dem Better-Life-Index habe man zudem ein neues Instrumentarium entwickelt, das durch eine intensive Einbindung der Jugendlichen in den gesamten Prozess gekennzeichnet sei. Dabei wurden u.a. diverse Risikogruppen identifiziert, wie z.B. junge Frauen oder Jugendliche mit Migrationshintergrund. Der Teil C des Berichts befasst sich mit der "Österreichischen Jugendstrategie" und liefert eine umfassende Zusammenschau aller jugendpolitischen Aktivitäten, erläuterte Karmasin.

Auf Grundlage all dieser Fakten und Analysen habe ihre Ressort einige Arbeitsschwerpunkte festgelegt, wie z.B. den Ausbau der Elternbildung und der außerschulischen Jugendarbeit, eine geschlechtersensible Elementarpädagogik sowie die Forcierung des Generationendialogs. Ansetzen müsse man auch bei der Berufsorientierungsphase, wo es spezielle Programme (mit Schwerpunkt Mehrsprachigkeit) geben wird. Um die Medienkompetenz der Jugendlichen zu erhöhen, wird es eine Reihe von Angeboten geben, kündigte die Ministerin an. Ein wichtiges Anliegen war ihr weiterhin die Einführung eines Rauchverbots für Jugendliche unter 18 Jahre.

Jugendliche wollen sichere Arbeitsplätze und neue Partizipationsangebote

In einleitenden Stellungnahmen resümierten zunächst die MitautorInnen des Berichts (Teil A und Teil B), Manfred Zentner (Donau-Universität Krems) und Kathrin Gärtner (Statistik Austria), die zentralen Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Der erste Abschnitt, der unter dem Titel "Wissen um junge Menschen in Österreich" firmiert, ist eine Aufbereitung aktueller Jugenddaten, wobei neben umfangreichem statistischen Material auch zahlreiche rezente Jugendstudien berücksichtigt wurden, erklärte Zentner. Mit Stichtag 1.1.2016 gab es 1,607.298 Menschen im Alter von 14 bis 30 Jahren in Österreich, was einem Anteil von 18,5% entspricht. Durchschnittlich bestand ein Jahrgang in dieser Altersgruppe aus mehr als 100.000 Personen; seit vier Jahren gehe diese Zahl aber sehr stark zurück.

Die demographische Alterung der Gesellschaft sei seit einiger Zeit feststellbar, wobei es regionale Unterschiede gibt. So gelte Vorarlberg mit einem Durchschnittsalter von 40,8 Jahren als das "jüngste" Bundesland, während die EinwohnerInnen des Burgenlandes (44,5 Jahre) und Kärntens (44,1 Jahre) zu den durchschnittlich ältesten zählen. Generell könne man von einer Ausdehnung der Jugendphase ausgehen, die durch eine Verlängerung der schulischen Ausbildung, einem späteren Eintritt in den Arbeitsmarkt und einem höheren Alter beim Verlassen des elterlichen Haushalts gekennzeichnet sei. Weiters wies Zentner noch darauf hin, dass etwa ein Viertel der Jugendlichen bis 14 Jahre Migrationshintergrund hat. Da gerade diese Gruppe im besonderen Maß von Ausbildungs- und Schulabbrüchen betroffen ist, sei die Politik gefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu setzen. Seit dem Jahr 2000 steige auch die Jugendarbeitslosigkeit überproportional an; im Jahr 2015 lag sie bei den 15- bis 24-Jährigen bei 10,6%. Schließlich informierte Zentner die Abgeordneten noch über die Ergebnisse in den Bereichen Partizipation und Gesundheit.

Kathrin Gärtner erläuterte die Entstehung Better-Life-Index, der auf einer umfassenden Haushaltserhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen in Europa und auf den zehn Dimensionen der Lebensqualität, wie sie im Projekt "Wie geht's Österreich?" verwendet werden, basiert. In den gesamten Prozess wurden sowohl ExpertInnen als auch Jugendliche explizit eingebunden. Neben einer österreichweiten Online-Befragung von 15- bis 30-jährigen Jugendlichen fanden etwa unterschiedliche Workshops aus den Bereichen Gesundheit, Prävention, Jugendarbeit, Jugendwohlfahrt und Jugendpolitik statt, mit dem Ziel, spezifisches Fachwissen für die Erstellung des Index zu berücksichtigen.

Im Durchschnitt beträgt der Wert des Better-Life-Index Jugend (BLI-J) für junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren 78,2 (von 100 möglichen) Punkten. Erwachsene im mittleren Alter (30 bis 59 Jahre) erreichen nur 75,6 Punkte. Mit Ausnahme der materiellen Lebensbedingungen und der Bildung (die sich als Kategorie aber nicht als altersfair erwiesen hat) weisen Jugendliche und junge Erwachsenen in fast allen Lebensbereichen höhere Werte auf, zeigte Gärtner auf. Der Index zeige keinen signifikanten Unterschied zwischen jungen Frauen und jungen Männern. Größere Unterschiede gebe es jedoch in den Bereichen Gesundheit, Bildung, soziale Beziehungen, Freizeit, Sicherheit und Qualität der gesellschaftlichen Organisation. Auffällig sei auch, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund in den meisten Bereichen schlechtere Werte aufweisen als ihre österreichischen AltersgenossInnen. Auch junge Menschen ab 20 ohne weiteren Bildungsabschluss seien in allen Sektoren stark benachteiligt. Das gleiche gelte für arbeitslose Personen, die in fast allen Dimensionen niedrigere Werte haben. Interessant sei auch, dass Jugendliche in der Stadt fast durchgehend schlechtere Werte haben als am Land. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Lebensqualität auch immer von der sozialen Vergleichbarkeit abhänge und die potentiellen Möglichkeiten im urbanen Raum größer sind.

Teilweise Kritik von ExpertInnen an Indikatorenauswahl und mangelnder Vergleichbarkeit

Es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass es nun den Better-Life-Index Jugend gibt, meinte Philipp Ikrath (Institut für Jugendkulturforschung). Er hegte jedoch Zweifel daran, dass durch rein quantitative Befragungen subjektive Befindlichkeiten erhoben werden können. Was die Auswahl der Indikatoren angeht, so seien sie seiner Ansicht nach zu allgemein, zu ähnlich oder zu "absurd konkret". Ikrath hätte sich zudem eine kritischere Reflexion der Begriffe gewünscht, da die Definition von Armut immer stark davon abhänge, aus welchem Milieu die Befragten stammen. Außerdem müsste man sich auch genauer die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Indikatoren anschauen.

Der Vertreter der Jungen ÖVP, Christian Zoll, sprach von einem sehr guten Bericht, beklagte jedoch die mangelnde Vergleichbarkeit mit früheren Untersuchungen, da immer wieder unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt wurden. Einen größeren Fokus hätte man zudem auf die Nutzung digitaler Medien legen sollen. Er sei überzeugt davon, dass mehr Bildung in diesem Bereich erforderlich sei, sowohl was die jungen Menschen selbst als auch die PädagogInnen angeht. Es reiche nicht aus, in allen Schulen Tablets zu verteilen, argumentierte er, man müsse auch über die Risiken (Stichwort Cybermobbing) Bescheid wissen und wie man sich davor schützen kann. Die Politik sollte sich auch überlegen, wie man die jungen Menschen besser in die politischen Prozesse einbinden kann, da sie sehr wohl interessiert sind, meinte Zoll.

Auch Bundesrat Michael Raml (F) beklagte die mangelnde Vergleichbarkeit der Berichte und hätte sich zudem gewünscht, dass sie eine Leistungsbilanz und eine Aufstellung über alle umgesetzten Maßnahmen enthalten. Handlungsbedarf sah er beim Thema Wohnen, da gerade jungen Menschen unter den hohen Kosten leiden, sowie in der Frage der Migration. Hier müsse man darauf drängen, dass die gemeinsame Sprache Deutsch auf allen Ebenen verwendet wird. Wichtig wäre zudem eine "Politik zum Angreifen" wie dies etwa in der Demokratiewerkstatt im Parlament gelebt werde; solche Projekte sollten auch in den Bundesländern verwirklicht werden.

Dem zuständigen Ministerium seien zum Teil die Hände gebunden, da die Jugendpolitik eine Querschnittsmaterie ist, konstatierte Magdalena Schwarz. Die Geschäftsführerin der Bundesjugendvertretung wies darauf hin, dass die so genannten Risikogruppen oft mit mehreren Herausforderungen – Bildungsstand, Wohnsituation, Migrationshintergrund etc. konfrontiert sind und dadurch weniger positiv in die Zukunft schauen können. Sie drückte zudem ihr Bedauern darüber aus, dass der Bericht keine Informationen über die Lage der Kinder in Österreich enthält.

Jakob Hutter, ein 16-jähriger Schüler aus Linz, war der Meinung, dass sich viele Jugendliche nicht trauen, zu ihrer Meinung zu stehen. Seiner Meinung nach liegen die Gründe dafür am mangelnden Selbstbewusstsein und an der Bildung. Aus diesem Grund forderte eine Neuausrichtung des Schulsystems, das sich an den individuellen Talenten und Stärken der jungen Menschen orientieren sollte und nicht bloß am sturen Auswendiglernen von Fakten.

Marlene Winter, die eine Lehre in der Gastronomie absolviert, wünschte sich mehr Eigeninitiative von den Jugendlichen. Wie sie aus persönlichen Erfahrungen wisse, liege ein großes Problem auch darin, dass die Jugendlichen nicht ausreichend über die zahlreichen Hilfs- und Unterstützungsangebote informiert sind.

Von Seiten der SPÖ kritisierten Ulrike Königsberger-Ludwig und Katharina Kucharowits, dass der Bericht zu wenig aussagekräftig ist, zumal einige Gruppen im Bericht keinen Niederschlag finden: Kinder, Jugendliche in Haft oder Heimen, Flüchtlinge und Kinder mit Behinderung. Daniela Holzinger-Vogtenhuber (S) drängte auf eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes und mahnte einen stärkeren Schutz der Kinder vor Passivrauch ein.

ÖVP-Mandatar Asdin El Habbassi begrüßte die Vorlage des Berichts zum jetzigen Zeitpunkt, weil man daraus wichtige Schlüsse für die politische Arbeit in den nächsten Monaten gewinnen könne. Er sprach insbesondere die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre an, wodurch er sich positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erwartete.

Anneliese Kitzmüller (F) wies auf den hohen Alkoholkonsum von Jugendlichen hin, während ihre Fraktionskollegin Barbara Rosenkranz (F) davor warnte, dass die von der SPÖ vorgeschlagene Halbierung der Dienstgeberbeiträge zu einer weiteren finanziellen Ausdünnung des FLAF führen würde.

Julian Schmid von den Grünen bezeichnete den Bericht als Fortschritt, da er trotz einiger Mängel eine sehr gute Datensammlung enthalte. Positiv zu werten sei auch die Tatsache, dass der Fokus nicht mehr nur auf den wirtschaftlichen Eckdaten liege, sondern auch auf der im Rahmen des Better-Life-Index abgefragten Lebensqualität.

Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen und im Ausschuss nicht enderledigt; er steht somit auf der Tagesordnung einer der nächsten Nationalratssitzungen. (Fortsetzung Familienausschuss) sue