Parlamentskorrespondenz Nr. 58 vom 26.01.2017

Alexander Van der Bellen als 9. Bundespräsident in der Bundesversammlung angelobt

Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Nach dem Kampf der Worte nun die Kraft des Gemeinsamen

Wien (PK) – Alexander Van der Bellen, der am 4. Dezember 2016 zum Staatsoberhaupt gewählt worden war, wurde heute im Historischen Sitzungssaal des Parlaments von der 18. Bundesversammlung als 9. Bundespräsident der Zweiten Republik angelobt. Den Vorsitz der Bundesversammlung führte turnusgemäß die Präsidentin des Bundesrats, Sonja Ledl-Rossmann aus Tirol. Sie eröffnete die Bundesversammlung und nahm die Angelobung des neuen Staatsoberhaupts vor. Alexander Van der Bellen leistete das Gelöbnis mit den Worten: "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde."

Die Plätze am Präsidium nahmen die Präsidentin des Nationalrats, Doris Bures, BR-Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann, der Zweite Präsident des Nationalrats Karlheinz Kopf und der Dritte Präsident Norbert Hofer, die Vizepräsidenten des Bundesrats, Ingrid Winkler und Ernst Gödl, als Schriftführer Bundesrat Josef Saller und Nationalratsabgeordnete Angela Lueger sowie Parlamentsdirektor Harald Dossi ein.

In der Mitteloge wohnte Altbundespräsident Heinz Fischer dem feierlichen Staatsakt bei. Auf der Regierungsbank hatten Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sowie die BundesministerInnen und die StaatssekretärInnen ihre Plätze eingenommen. Nationalratsabgeordnete und BundesrätInnen sowie geladene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Ehrengäste verfolgten die Angelobung des neuen Bundespräsidenten auf ihren Sitzen im Halbrund des Sitzungssaals und in den Logen mit.

Nach der Angelobung wandte sich die Vorsitzende der Bundesversammlung, Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann, mit einer Ansprache an den neuen Bundespräsidenten und an die Bundesversammlung. Sonja Ledl-Rossmann sieht "nach dem Kampf der Worte" für die Politik die Zeit gekommen, den Menschen Orientierung und Sicherheit zu geben und sich verantwortungsvoll mit ihren Bedürfnissen auseinanderzusetzen. In ihrem Aufruf zur "Kraft des Gemeinsamen" bekennt sich die Bundesratspräsidentin aus Tirol zum Schutz der Demokratie, zu einer mutigen Politik für die Vielfalt des Lebens und zur europäischen Integration. Österreich habe es immer geschafft, durch Zusammenhalt und Konsens auch durch schwierige Zeiten zu steuern, zeigte sich die Bundesratspräsidentin zuversichtlich und wünschte ihrem Tiroler Landsmann Alexander Van der Bellen für seine Amtszeit als Bundespräsident alles Gute.

Die Rede von Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann im Wortlaut   

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Hohe Bundesversammlung! Es ist mir ein Bedürfnis, meine Rede mit einem Dank zu beginnen. Ein Dank an drei Personen, die in einer echten Ausnahmesituation durch ihre Professionalität und in gemeinsamer Verantwortung für Stabilität gesorgt haben. Sehr geehrte Frau Präsidentin Doris Bures, sehr geehrte Herrn Präsidenten Karlheinz Kopf und Norbert Hofer: Für die verlässliche und unaufgeregte Ausübung der Geschäfte in den vergangenen Monaten gilt Ihnen mein besonderer Dank!

Diese Ausnahmesituation ist für mich einer der prägendsten Momente des vergangenen Jahres, wenn nicht sogar weit darüber hinaus. Denn wenn ein Ereignis die Herausforderungen unserer Zeit widerspiegelt, dann die vergangene Wahlauseinandersetzung. Sie hat vieles sichtbar gemacht, was zuvor bereits spürbar war. Sie hat manches aufbrechen lassen, was zuvor vielleicht verdeckt war. Denn es gibt sie, diese Unsicherheit, wie es weitergeht. Die Sorge vor Bedrohungen, die immer näher erscheinen. Die Überforderungen mit den Entwicklungen einer Zeit, die schneller voran zu schreiten scheint als jemals zuvor.

Gerade jetzt braucht es Orientierung, Sicherheit und die verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit jenen Bedürfnissen der Menschen, die wesentlich für ein erfülltes Leben und damit auch für die Zukunft unseres Landes sind. Und umso vielfältiger unser Leben wird, umso komplexer werden auch die Fragen. Arbeit und Beschäftigung, Familie, Pflege, Zuwanderung, Sicherheit und Digitalisierung. Die Einwirkungen auf unser tägliches Leben nehmen zu, die für alle Menschen gültigen Antworten nehmen ab.

Genau hier soll die Politik eine verlässliche Begleiterin sein. Sie soll nicht in die Vielfalt des Lebens eingreifen, sondern sie fördern. Sie soll die Spielregeln definieren, sie muss dafür aber nicht selbst am Platz stehen. Sie soll Chancen eröffnen, Perspektiven aufzeigen und Lebensmodelle lebbar machen. Und sie soll dabei – und dies mag wirklich ein dringliches Zeichen unserer Zeit sein – mit aller Konsequenz die Grundpfeiler unserer Demokratie und damit die Basis unseres Zusammenlebens schützen. Das alles ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.

Eines ist für mich unverrückbar: Angst kann nicht der Antrieb für die Gestaltung Österreichs sein. Schon immer waren es Wagemut, Erfindergeist, Exzellenz und Leistungsbereitschaft, die in Österreich Großes entstehen ließen. Das soll auch in Zukunft so sein. In einer Zukunft, die wir nicht alleine schreiben, sondern als Teil der Region Europa, als Teil eines größeren Ganzen.

Gerade daher müssen wir uns auf jene Stärken verlassen, die unser Land stets ausgezeichnet haben - ein Land, das die Kraft aus seiner Vielfalt schöpft und dabei dennoch immer eins geblieben ist. Ein Land, das imstande ist, aus dem Herzen Europas heraus vieles zu bewegen und Brücken zu schlagen.

Ein Land, das gelernt hat, das Gute zu bewahren und dabei auch Neues zu wagen. Ein Land, das lebenswert ist, weil Solidarität und Verantwortung gelebte Werte sind.

Auf dieser Energie gilt es aufzubauen. Es gilt, den Menschen Sicherheit zu geben. Denn nur wer auf sicheren Füßen steht, kann sich auch entfalten. Und ich bin davon überzeugt, dass aus dem individuellen Gefühl der Sicherheit auch in Zukunft ein gemeinsamer Ort der Zuversicht, der Gestaltungsfreude und des gelingenden Zusammenlebens wird. Ein Ort namens Österreich.

Denn der Zusammenhalt steht uns einfach besser zu Gesicht als das Gegeneinander! Das muss auch das Leitmotiv nach der erfolgten Wahl des Bundespräsidenten sein:

Nach dem Kampf der Worte braucht es nun die Kraft des Gemeinsamen. Dabei muss gemeinsam nicht immer gleich bedeuten. Und nicht jede Meinungsverschiedenheit ist gleich eine gesellschaftliche Spaltung. Aber es braucht ein gemeinsames Verständnis dafür, dass Österreich die Dinge mit Zuversicht anpackt, dabei zugleich mit Feingefühl das Schützenswerte bewahrt und seinen Teil dazu beiträgt, dass auch unser gemeinsames Europa weiterhin ein Modell mit Zukunft ist.

Der Bundespräsident soll das personifizierte Abbild dieses Österreich sein. Positiv, verbindend, besonnen und gerne auch mit der angemessenen Portion Patriotismus. Er soll wachsam nach innen wirken. In aller Behutsamkeit. Er soll vernetzend und werbend nach außen wirken. Mit voller Energie. Er soll die Stärken unseres Landes sichtbar machen. In all ihrer Vielfalt. Er soll ein verlässlicher Partner der Menschen in unserem Land sein. In jeder Situation. Und er soll ein Präsident voller Zuversicht sein. Für alle. Denn was gibt es Schöneres, als gerade für dieses Land in einer solch verantwortungsvollen Rolle tätig zu sein?

Ein Land, das Millionen von Gästen aus der ganzen Welt Jahr für Jahr begeistert. Bunt und vielseitig. Innovativ, kreativ und selbstbewusst. Natürlich, qualitätsvoll und traditionsbewusst. Ein Land, das wandelbar ist, immer wieder überrascht und dabei dennoch immer mit beiden Beinen am Boden steht. Ein kleines Land voller großer Errungenschaften.

Österreich hat es immer geschafft, durch Zusammenhalt und Konsens auch durch schwierige Zeiten zu steuern. In diesem Sinne ist es für uns auch nichts Neues, sich immer dann auf das Gemeinsame zu besinnen, wenn es die Zeiten erfordern. Dieses kollektive Bewusstsein, sich selbst zum Wohle aller zurückzunehmen, ist eine Eigenschaft, die heute mehr denn je an Bedeutung gewinnt. Mögen wir uns diese österreichische Tradition erhalten und damit auch bestens für die Aufgaben der Zukunft vorbereitet sein.

Und wenn wir von Traditionen sprechen: Vielleicht sind auch die eigenen Wurzeln, die Kaunertaler Tugenden, wichtige Begleiter durch diese Amtszeit. Denn Bodenständigkeit, ein starkes Wertefundament, Pflege der eigenen Kultur und Stabilität können auch für diese Aufgabe wertvolle Orientierung geben. Zudem schafft auch die Sicht von den Bergen den nötigen Weitblick und jene Offenheit, die das Amt in besonderem Maße erfordert und ihm somit ein typisch österreichisches Profil verleihen kann.

In diesem Sinne wünsche ich als Vorsitzende der Bundesversammlung und – es sei mir gestattet – auch von Tirolerin zu Tiroler, Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, und unserem Land für die Zukunft alles erdenklich Gute! (Fortsetzung Bundesversammlung) fru

HINWEIS: Fotos von der 18. Bundesversammlung zur Angelobung von Alexander Van der Bellen finden Sie im Fotoalbum unter www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos.