Parlamentskorrespondenz Nr. 70 vom 31.01.2017

Nationalrat: Erste Debatte über das Sicherheitspaket der Regierung

Neues Arbeitsprogramm sieht elektronische Fußfessel und Verbot der Vollverschleierung vor

Wien (PK) – Die konkreten Inhalte des neuen Arbeitsprogramms der Regierung standen bereits zu Beginn der Nationalratssitzung im Mittelpunkt der Debatte. Im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit dem Titel "Verantwortung für die Sicherheit in Österreich und Europa vor dem Hintergrund von Migrationskrise und Terrorbedrohungen" wurden dabei vor allem die geplanten Maßnahmen in den Bereichen Sicherheit, Strafrecht, Grenzschutz und Integration kontrovers diskutiert. Während die VertreterInnen der Regierungsparteien von wichtigen gesetzlichen Ergänzungen sprachen und dabei u.a. den Ausbau der technischen Ermittlungsmöglichkeiten, die Ausdehnung des Strafausmaßes bei sexueller Belästigung in Gruppen, die Einführung eines Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum sowie diverse Vorhaben zur Eindämmung der Migration hervorhoben, orteten die Abgeordneten der Freiheitlichen und des Team Stronach ein Totalversagen der Regierung. Grüne und NEOS wiederum meldeten rechtsstaatliche Bedenken vor allem in Bezug auf Einführung von Fußfesseln für GefährderInnen und die Ausdehnung der Videoüberwachung an. Innenminister Wolfgang Sobotka sah vor allem die Zivilgesellschaft gefordert, da die polizeiliche Arbeit nur am Ende einer Problemkette stehe. Dennoch brauche es diverse rechtliche Maßnahmen, um den Menschen wieder ihr Sicherheitsgefühl zurückzugeben; dies werde durch das vorliegende Regierungsprogramm garantiert.

Sobotka verteidigt Maßnahmenpaket und verspricht Begrenzung der Zuwanderung

Seit dem Jahr 2014 habe sich die globale und nationale Sicherheitslage stark verändert, konstatierte Bundesminister Wolfgang Sobotka. Allein seit der letzten Nationalratssitzung Anfang Dezember gab es 14 Terroranschläge in der westlichen Welt. Gleichzeitig habe sich auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in den letzten Jahren deutlich verschlechtert, obwohl die Statistiken belegen, dass Österreich ein sehr sicheres Land sei. Neben einer Bewusstseinsbildung brauche es seiner Meinung nach weitere gesetzliche Maßnahmen, um die aktuellen Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Sobotka war aber überzeugt davon, dass in erster Linie die Ursaschen der Probleme bekämpft werden müssen, polizeiliche Arbeit alleine sei zu wenig. Die gesamte Zivilgesellschaft sei gefordert, wenn sich bereits 12-Jährige im Internet über das Bauen von Bomben informieren, islamistischen Predigern nachlaufen und sich radikalisieren. Sein Ressort habe deshalb das Programm "GEMEINSAM.SICHER" gestartet, durch das eine aktivere Bürgerbeteiligung gefördert werden soll. Handlungsbedarf sah der Minister auch noch im Hinblick auf die sozialen Medien. Auch wenn sich durch das Islamgesetz einiges verbessert habe, so sei es z.B. immer noch möglich, Hasspredigten von verurteilten Islamisten im Internet zu sehen.   

Ein weiterer Schwerpunkt sei die deutliche Begrenzung der Zuwanderung, führte Sobotka weiter aus. Wenn man sich diverse Entwicklungen ansieht - 42.000 außerordentliche SchülerInnen, steigende Arbeitslosenrate bei AusländerInnen, Kriminalitätsentwicklung – dann sei es völlig klar, dass Lösungen notwendig sind, um die Systeme nicht zu überfordern. Besonders Personen, die sich illegal in Österreich aufhalten, müssen so schnell wie möglich unser Land verlassen, forderte er. Ein entsprechendes Fremdenrechtspaket werden in Kürze dem Nationalrat zugeleitet werden. Er sehe es nämlich als eine seiner zentralen Aufgaben, den Menschen jenes Sicherheitsgefühl zurückzugeben, das sie verdienen.

ÖVP und SPÖ loben großes Sicherheitspaket, das auf aktuelle Herausforderungen Antworten gibt                                          

Fragen der Sicherheit stehen bei den Menschen ganz vorne, meinte ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka (V), deshalb habe die ÖVP dieses Thema für die Aktuelle Stunde ausgewählt. Obwohl Österreich noch immer eines der sichersten Länder der Welt sei, müsse man entsprechende Antworten auf die aktuellen Herausforderungen und Bedrohungsszenarien finden, betonte Werner Amon (V). Wie die letzten Wochen und Monaten bedauerlicherweise zeigten, machen Dschihadismus, politischer Salafismus oder Terrorismus auch vor den heimischen Grenzen nicht halt; eine wehrhafte Demokratie müsse sich dafür rüsten. Es sei daher erfreulich, dass die Regierung gerade in den Bereichen Sicherheit und Integration ein beeindruckendes Programm vorgelegt habe. Dies sei auch Ausdruck der Null-Toleranz gegenüber einer Aufweichung der heimischen Werte, unterstrich Lopatka. Durch das Verbot der Vollverschleierung soll klar gestellt werden, dass die österreichische Alltagskultur akzeptiert werden müsse. Dasselbe gelte für die Koran-Verteilungsaktionen durch Salafisten, die bei uns keinen Platz hätten.

Amon verwies weiters auf das umfassende Strafrechtspaket sowie die zusätzlichen technischen Ermittlungsmöglichkeiten, wie z.B. die strengere Überwachung von Gefährderinnen und Gefährdern, die Registrierung von Telefonwertkarten, der Ausbau und die Vernetzung der Videoüberwachung oder die elektronische Kennzeichenverfassung. Da es sich dabei um sensible Fragen handelt, werde bei der Umsetzung auf den Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit ein großes Augenmerk gelegt, versicherte er. Im Fokus stehe auch die deutliche Reduktion der (illegalen) Migration, die man z.B. durch die Stärkung des Binnengrenzschutzes, die Ausweitung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres, die Straffung der Asylverfahren oder den Ausbau der Kontrollen im internationalen Reiseverkehr realisieren wolle. Das Übereinkommen der Bundesregierung stelle die richtige Weichen, resümierte Michaela Steinacker (V).

SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl stimmte mit Werner Amon darin überein, dass den aktuellen Bedrohungsszenarien Rechnung getragen werden müsse. Natürlich dürfen die damit verbundenen schwierigen Aufgaben nicht nur der Exekutive allein, die übrigens hervorragende Arbeit leiste, überantwortet werden. Was das Thema Migration betrifft, so stehen die Sozialdemokraten für das Bekenntnis, das sjeder, der Hilfe braucht, diese auch bekommen soll. Gleichzeitig brauche es aber auch effiziente Maßnahmen, um gegen die organisierte Kriminalität, das Schlepperwesen oder den Menschenhandel vorgehen zu können. Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung sei ein Bekenntnis für Verbesserungen in diesen Punkten. Besonders positiv sei, dass es konkrete Zeitpläne gebe, die eine rasche Umsetzung gewährleisten, hob Angela Lueger hervor. Bei der ganzen Diskussion dürfe man auch die soziale Dimension nicht vergessen. Die Menschen sollen in die Lage versetzt werden, sich selbst zu erhalten; erst dann könne ein gutes Zusammenleben funktionieren.

FPÖ übt massive Kritik an der Asylpolitik und fordert Nullzuwanderung

Die Politik der Bundesregierung unter dem Motto "Grenzen auf, Augen zu" habe erst zu den ganzen Problemen geführt, die man nun lösen müsse, gab FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz zu bedenken. Hätte man den zahlreichen Anträgen der Freiheitlichen – vom Verbot der Vollverschleierung bis hin zu Einführung der Fußfesseln für GefährderInnen – rechtzeitig zugestimmt, dann wäre der Bevölkerung sehr viel erspart geblieben. Es sei zudem naiv zu glauben, dass die heimischen Systeme nicht ausgenutzt werden. Tagtäglich seien die MitarbeiterInnen der Asylbehörden mit Personen konfrontiert, die falsche Daten angeben oder überhaupt ihre Dokumente weggeworfen haben, um sich Vorteile zu erschleichen. Tatenlos werde auch zugesehen, wenn sich afghanische und tschetschenische Jugendliche "folkloristische Messerstechereien" an öffentlichen Plätzen liefern. Die Freiheitlichen stehen für eine Nullzuwanderung, betonte auch Reinhard Eugen Bösch (F), und das gehe nur mit dichten Grenzen. Da man nie zwischen Zuwanderung und Asyl unterschieden habe, stehe die Regierung nur vor den Trümmern einer gescheiterten Migrations- und Integrationspolitik.

Grüne: Falsch verstandene Sicherheitspolitik bedroht die Grund- und Freiheitswerte

Wenig Gefallen am Sicherheitspaket fand auch Peter Pilz von den Grünen. Im Gegensatz zur FPÖ führte er jedoch massive rechtsstaatliche Bedenken ins Treffen, u.a. was die Überwachung von Personen, die einer terroristischen Straftat verdächtigt werden, betrifft. So soll laut dem Arbeitsprogramm in Fällen, in denen "die Gefährdung nur abstrakt ist" die elektronische Fußfessel als gelinderes Mittel angestrebt werden. Er würde gerne wissen, was der Innenminister konkret darunter versteht. Wenn man damit gegen Meinungsdelikte vorgehen will, bedeutet dies dann Fußfesseln für Hassprediger, für Hassposter, für Identitäre, für Rechtsextreme etc.? "Wo fangen Sie damit an und wo hören Sie auf" fragte er den Ressortchef. Äußerst skeptisch zeigte sich Pilz auch bezüglich der geplanten Ausdehnung der Videoüberwachung. Die totale Kontrolle der Bevölkerung habe bereits in London zu einen Fiasko geführt, gab er zu bedenken. Seine Parteikollegin Alev Korun (G) plädierte vor allem dafür, ausreichend Mittel für die Extremismusprävention zur Verfügung zu stellen, wenn man die Probleme wirklich an der Wurzel packen wolle. Als Beispiele nannte sie den Ausbau der Sozialarbeit in den Gefängnissen, die Einführung eines Ethikunterrichts und des Schulfachs Politische Bildung für alle Jugendlichen.

NEOS für ausgewogene Sicherheitsmaßnahmen und gegen Einschränkung der Freiheitsrechte

Es gebe eine deutliche Diskrepanz zwischen der Stimmung in der Bevölkerung und der tatsächlichen Kriminalitätsrate, die relativ stabil ist, erklärte Nikolaus Alm (N). Ein Grund dafür liege sicher in der Berichterstattung in den klassischen und vor allem in den sozialen Medien, die einen raschen und ungefilterten Zugang zu den Informationen ermöglichen. Ob die richtige Antwort darauf aber in einem massiven Ausbau der Überwachungsinfrastruktur zu finden ist, sei stark zu bezweifeln. Bedrohung durch Terror sei kein neues Phänomen, urteilte Alm, und man müsse zur Kenntnis nehmen, dass man sich nicht zu 100% davor schützen könne. Sicherheitsmaßnahmen sollen ausgewogen sein, müssen einen Mehrwert haben und dürfen die Freiheiten der BürgerInnen nicht über Gebühr einschränken, schloss sich auch Nikolaus Scherak (N) den Argumenten seines Parteikollegen an.

Team Stronach wirft der Bundesregierung totales Versagen in der Migrationspolitik vor  

Nachdem die Regierung im Jahr 2015 alle Flüchtlinge durchgewunken und damit bewusst gegen das Gesetz verstoßen habe, müsse sie nun Probleme lösen, die man sonst gar nicht hätte, argumentierte Robert Lugar vom Team Stronach. Gerade der heutige Bundeskanzler, der damals ÖBB-Chef war, sei in hohem Maße für die momentane Sicherheitskrise verantwortlich. Laut Verfassungsschutz befinden sich bereits über 1.000 radikale Muslime in Österreich, die Dunkelziffer sei viel höher. Außerdem wird geschätzt, dass sich knapp 100.000 Personen illegal im Land befinden, von denen man gar nichts wisse. Sein Fraktionskollege Christoph Hagen wiederholte seine Forderung nach Einrichtung von Wartecamps in Nordafrika, wo abgelehnte oder straffällige AsylwerberInnen, die von ihren Heimatstaaten nicht zurückgenommen werden, untergebracht werden sollten. Damit hätte man sogar Terroranschläge verhindern können, wie das Beispiel des Berlin-Attentäters Anis Amri beweise.

Viele Probleme, die es heute am Arbeitsplatz oder im Bereich der Kriminalität gibt, wurden importiert, meinte Abgeordneter Rupert Doppler (A). Da die EU in dieser Frage total versagt habe, brauche es zusätzliche nationale Maßnahmen. Gerhard Schmid (A) sprach von fahrlässigen Verharmlosungen und gravierenden Fehleinschätzungen durch die politisch Verantwortlichen. Bei der Gewährung von Sozialleistungen müsse unbedingt zwischen der österreichischen Bevölkerung und den Asylberechtigten unterschieden werden, forderte er. Grundsätzliche Zustimmung zum Sicherheitspaket signalisierte Marcus Franz (A), es fehle aber die Festschreibung der kompletten Grenzschließung. Dabei sollte man sich an der Vorgangsweise von Orban oder Trump orientieren. (Fortsetzung Nationalrat) sue