Parlamentskorrespondenz Nr. 181 vom 24.02.2017

Parlament: TOP im Nationalrat am 2. März 2017

Nationalrat mit sozialpolitischem Schwerpunkt

Wien (PK) – Der zweite Sitzungstag am Donnerstag ist von sozialpolitischen Themen geprägt, vor allem bietet der Sozialbericht eine Grundlage für eine tiefgreifende Debatte über aktuelle sozialpolitische Herausforderungen und Entwicklungen. Thema wird auch wieder die Öffnung von Forststraßen für MountainbikerInnen sein.

Fragestunde

Der Sitzungstag beginnt allerdings mit einer Fragestunde, in der Innenminister Wolfgang Sobotka den Abgeordneten Rede und Antwort steht. Es ist davon auszugehen, dass dabei Asyl und Migration sowie die jüngsten Vorstöße des Ministers zur Änderung des Demonstrationsrechts Thema sein werden.

Sozialbericht - heftige politische Auseinandersetzung sind zu erwarten

Eine intensive und kontroverse Debatte ist über den Sozialbericht zu erwarten. Das hat sich bereits im Ausschuss abgezeichnet. War schon dort die Mindestsicherung neben Pensionen ein großes Thema, so dürfte dieses nach dem öffentlich gewordenen Rechnungshofbericht über Wien auch bei der kommenden Nationalratssitzung zu heftigen inhaltlichen politischen Auseinandersetzungen führen. Auch die Frage der Vermögens- und Umverteilung, der Mindestlohn, die Arbeitszeitflexibilisierung und die Lohnnebenkosten sind schon bei der Vorlage des Berichts von den Fraktionen sehr unterschiedlich bewertet worden. Sozialminister Alois Stöger wurde im Ausschuss zudem mit dem Vorwurf konfrontiert, der Bericht setze falsche Schwerpunkte und schlage klassenkämpferische Töne an.

Anträge der Opposition, wenig Chance auf Erfolg; FP-Antrag zu Tabak kommt in den Finanzausschuss

Zudem liegen Anträge der Opposition vor, die unter einem verhandelt werden und wenig Chance auf ausreichende Zustimmung haben. Das betrifft etwa den Antrag der FPÖ zu IT-Problemen beim Arbeitsmarktservice (AMS). Die IT beim AMS sei eine Dauerbaustelle, so die FPÖ, die auch die Vergabe an den IT-Partner IBM kritisiert. Konkret geht es um die geplante Einrichtung eines neuen Jobportals, dessen Fertigstellung sich laut Medienberichten wegen technischer Schwierigkeiten massiv verzögert. Sozialminister Alois Stöger unterstrich in diesem Zusammenhang, dass der Beschaffungsvorgang geprüft werde.

Erfolglos dürfte die FPÖ auch mit ihrem Vorstoß bleiben, die Mindestsicherung nach den Lebenshaltungskosten im Herkunftsland der BezieherInnen zu staffeln. Zudem schlagen sie eine zeitliche Befristung der Mindestsicherung und andere Übergangsbestimmungen für einzelne Herkunftsländer vor.

Ebenso wenig durchsetzen konnten sich im Sozialausschuss die Grünen mit ihren Initiativen. Das betraf den Vorstoß der Grünen zur Milderung des Mangels an Köchinnen und Köchen. Unter anderem schlagen die Grünen Förderungen für Betriebe vor, die auf Ganzjahresarbeitsplätze umsteigen. Außerdem sollen ihrer Ansicht nach touristische Fachkräfte nach einigen Jahren einschlägiger Tätigkeit einen Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung durch das AMS für eine berufliche Umorientierung erhalten. Entwicklungsprogramme für Tourismusregionen sollen es KöchInnen ermöglichen, soziale Strukturen vor Ort aufzubauen.

Auch das Anliegen nach einer verbesserten finanziellen Absicherung junger Erwachsener in Ausbildung stieß auf wenig Gegenliebe. Den Grünen ist außerdem die "Teilzeitlehre" ein Anliegen, was vor allem Personen mit Kindern zugutekäme. Zudem schlagen sie vor, älteren Lehrlingen zumindest ein Hilfsarbeiter-Entgelt zu zahlen, um jungen Erwachsenen das Nachholen einer Lehre tatsächlich zu ermöglichen.

Nicht abgelehnt wird aller Voraussicht nach die Initiative der FPÖ für eine neue Tabakhandelsspannenregelung für die österreichischen TrafikantInnen. Der Antrag soll dem Finanzausschuss zugewiesen werden. Die Freiheitlichen schlagen eine gesplittete Spanne von mindestens 14% für Tabakfachgeschäfte und mindestens 7,6% für Tabakverkaufsstellen vor.

Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2017 mit Senkung der Lohnnebenkosten für Leiharbeitsfirmen und vielen Detailänderungen

Das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz bringt neben einer Senkung der Lohnnebenkosten für Leiharbeitsfirmen ein ganzes Bündel unterschiedlicher Maßnahmen. Leiharbeitsfirmen werden vier Jahre lang statt 0,8% nur 0,35% bzw. 0,5% in den Sozial- und Weiterbildungsfonds für LeiharbeiterInnen (SWF) einzahlen müssen. Als Grund für die vorübergehende Senkung der Arbeitgeberbeiträge zum Sozial- und Weiterbildungsfonds für LeiharbeiterInnen werden die finanziellen Reserven des Fonds genannt.

Mit der Novelle wird auch eine klare gesetzliche Grundlage für "Medizinisch-berufsorientierte Rehabilitation" (MBOR) geschaffen. Dabei geht es um die Ausrichtung von Reha-Maßnahmen auf spezifische Job-Anforderungen bzw. die Arbeitswelt im Allgemeinen. Das kann etwa auch Trainings zur Stressbewältigung oder Konfliktlösung umfassen, wie in den Erläuterungen vermerkt wird. Zudem werden in Bezug auf den erst vor kurzem eingeführten Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation bei bestehender bzw. drohender Invalidität einzelne Adaptierungen vorgenommen.

Im Bereich der Arbeitslosenversicherung werden klare Verjährungsregelungen verankert. BezieherInnen von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe können demnach nur noch innerhalb von drei Jahren eine Neuberechnung ihrer Ansprüche verlangen. Auch für etwaige Rückforderungen zu hoher Leistungen durch das AMS gilt diese Frist. Außerdem haben Arbeitslose künftig nur noch dann die Möglichkeit, eine zuerkannte Leistung auf dem Rechtsweg zu beeinspruchen, wenn sie innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der entsprechenden Mitteilung einen Bescheid verlangen. Die vorgesehenen Änderungen im Bauern-Sozialversicherungsgesetz stehen vorrangig in Zusammenhang mit der Neufeststellung der Einheitswerte von landwirtschaftlichen Betrieben. Es sollen Härtefälle, etwa beim Bezug einer vorzeitigen Alterspension, vermieden werden.

Weitere Anträge der Opposition zum Thema Pensionen

Mitverhandelt mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz in einem Debattenblock wird eine Reihe von weiteren Anträgen der Opposition, die – geht es nach den Empfehlungen des Sozialausschusses - ebenso wenig ausreichende Unterstützung finden werden. So fordern sowohl die NEOS als auch die Grünen weitere Schritte zur Begrenzung hoher Sonderpensionen. Das Team Stronach drängt darauf, das derzeitige Pensionssystem für EU-BeamtInnen abzuschaffen und diesen künftig nur noch eine Pension bis maximal zur ASVG-Höchstgrenze zu zahlen. Der FPÖ geht die jüngste Pensionserhöhung zu wenig weit, zudem verlangt sie eine Mindestpension von 1.200 € sowie neuerlich eine jährliche Valorisierung des Pflegegelds.

Schließlich drängen die Freiheitlichen darauf, den Sozial- und Weiterbildungsfonds auf Grundlage der bisherigen Ausgaben und Einnahmen zu evaluieren. Nach Auffassung der Regierung ist es dafür noch zu früh.

Auf Ablehnung wird auch der Antrag der Grünen stoßen, Dauer-BezieherInnen der Mindestsicherung, wie kranke Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen, die bereits das Pensionsantrittsalter überschritten haben, in die Ausgleichszulage des Bundes miteinzubeziehen.

Fünfjährige Funktionsperiode nun für alle Betriebsräte

In einem weiteren Debattenblock geht es um die Funktionsperiode von BetriebsrätInnen, einen gelockerten Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen und Anpassungen bei betrieblichen Pensionskassen durch das neue Kindergeldkonto.

Für den Vorstoß der SPÖ-ÖVP-Koalition, nun für alle BetriebsrätInnen die fünfjährige Funktionsperiode einzuführen, ist ausreichend positives Echo zu erwarten. Laut Beschluss des Nationalrats vom Dezember vergangenen Jahres gilt die Verlängerung von vier auf fünf Jahre derzeit nur für die BetriebsrätInnen, die nach dem Arbeitsverfassungsgesetz eingerichtet sind. Nun sollen die neuen Bestimmungen auch für BetriebsrätInnen in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie für die Personalvertretung der Post und Telekom Austria nachvollzogen werden.

Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen wird ab Juli gelockert

Erfolgreich waren die NEOS mit ihrem Antrag zur Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere ArbeitnehmerInnen. Ihre Initiative wurde unter Berücksichtigung eines S-V-N-Abänderungsantrags schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach angenommen. Die für ältere Beschäftigte geltenden Sonderbestimmungen sollen demnach künftig nicht mehr zum Tragen kommen, wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einstellung bereits älter als 50 Jahre waren. Damit will man die Jobchancen älterer Arbeitsloser verbessern. In den Erläuterungen zum Abänderungsantrag wird dazu auch auf das erneuerte Arbeitsprogramm der Regierung verwiesen.

In diesem Zusammenhang fassten die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen auch eine Ausschussfeststellung, mit der sich der Sozialausschuss ausdrücklich zu der von der Bundesregierung beschlossenen "Beschäftigungsaktion 20.000" bekennt. Das Programm zielt darauf ab, jährlich 20.000 Arbeitsplätze für über 50-jährige langzeitarbeitslose Menschen in Gemeinden, über gemeinnützige Trägervereine und in Unternehmen zu schaffen bzw. zu fördern, um die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe zu halbieren. Gemäß der Ausschussfeststellung soll das Programm im Juli in Form von Pilotprojekten in allen Bundesländern starten und vorläufig auf zwei Jahre befristet sein. Zur Finanzierung werden zusätzlich zu den vorhandenen Arbeitsmarktgeldern 200 Mio. € zur Verfügung gestellt. Bei einer erfolgreichen Evaluierung der Pilotprojekte im Herbst 2018 könnte sich die Summe verdoppeln.

Neues Kindergeldkonto erfordert Anpassung bei betrieblichen Pensionskassen

Mit Unterstützung aller kann die Initiative der Koalition auf Änderung des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes und des Landarbeitsgesetzes rechnen. Anlass dafür ist die Einführung des Kinderbetreuungsgeld-Kontos mit 1. März 2017. Für Geburten nach diesem Zeitraum kann Kinderbetreuungsgeld in flexibler Höhe bezogen werden, abhängig von der Bezugsdauer. Das soll laut Antrag auch bei jenen Beiträgen Berücksichtigung finden, die der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) während des Kindergeldbezugs anstelle des Arbeitgebers an die jeweilige betriebliche Pensionskasse leistet. Die Beitragsleistung von 1,53% knüpft demnach künftig am konkret bezogenen Tagesbetrag des Kinderbetreuungsgelds an. In beiden Gesetzen sind zudem legistische Anpassungen vorgesehen.

Die Forderung des Team Stronach nach einer Imagekampagne für die Lehre wurde im Ausschuss mit dem Hinweis abgelehnt, dass dafür das Wirtschaftsministerium zuständig ist.

Mountainbiken auf Forststraßen weiter umstritten

In der schon seit Jahren im Raum stehenden Forderung, Forststraßen für MountainbikerInnen zu öffnen, ist weiterhin kein Konsens in Sicht. Anläufe dazu gab es schon viele, auch ein neuerlicher Vorstoß der Grünen blieb bisher erfolglos. Der Sportausschuss des Nationalrats sprach sich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und NEOS dafür aus, die Debatte über die Forderung der Grünen in den Landwirtschaftsausschuss zu verlagern. Bedenken gegen eine Öffnung der Forststraßen für MountainbikerInnen kommen insbesondere von der ÖVP. Minister Doskozil steht der Idee grundsätzlich positiv gegenüber.

Dass die Initiative überhaupt ins Plenum des Nationalrats kommt, haben die Grünen einer selten genutzten Bestimmung der Geschäftsordnung zu verdanken: Sie hatten ihren Entschließungsantrag bei der Einbringung vor einem Jahr mit einer Fristsetzung versehen, um eine Entscheidung im Sportausschuss zu erzwingen. Die nunmehrige Empfehlung des Ausschusses, den Landwirtschaftsausschuss mit der Frage zu befassen, werten die Grünen in diesem Sinn als ein Umgehen der Geschäftsordnung. (Schluss) jan/keg