Parlamentskorrespondenz Nr. 242 vom 09.03.2017

Finanzpolitische Vorhaben der Europäischen Union im Jahr 2017

Wachstum und Beschäftigung weiterhin zentrale Themen

Wien (PK) – Für 2017 und 2018 prognostiziert die Europäische Kommission ein moderates Wirtschaftswachstum. Dennoch liegt die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, nach wie vor auf einem inakzeptabel hohen Niveau, informiert die finanzpolitische Jahresvorschau der Europäischen Union, die dem Parlament vom Finanzministerium übermittelt wurde (III-356 d.B. und III-617-BR). Vor diesem Hintergrund hat die Kommission ein Paket zur Förderung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Investitionen vorgelegt. Ein vorrangiges Anliegen bleibt auch weiterhin die Verwirklichung der Bankenunion, und dabei insbesondere die Einigung über den Vorschlag für eine gemeinsame europäische Einlagensicherung.

Die Kommission tritt außerdem für eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage ein, wobei in einem ersten Schritt eine einheitliche Bemessungsgrundlage eingeführt und erst im Anschluss über die Aufteilung des Steueraufkommens verhandelt werden soll. Weitere Schwerpunkte sind die Weiterentwicklung des Binnenmarktes und die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Die Bewältigung der Flüchtlingskrise bleibt schließlich zentrales politisches Thema. Die Kommission möchte weiter daran arbeiten, eine nachhaltige Migrationssteuerung sicherzustellen. Laut Bericht wurden zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bisher rund 15 Mrd. € aus dem EU-Budget bereitgestellt.

2018: Moderates Wirtschaftswachstum erwartet

In ihrer Herbstprognose geht die Europäische Kommission von moderatem Wirtschaftswachstum aus. Das reale Wachstum werde 2017 voraussichtlich bei 1,5% in der Euro-Zone (2018: 1,7%) sowie bei 1,6% in der EU (2018: 1,8%) liegen. Als bedeutende Wachstumstreiber werden Privatkonsum und Investitionen genannt. Steigende Beschäftigungszahlen und Reallöhne sowie niedrige Finanzierungskosten begünstigen das Wachstum weiter. Negative Auswirkungen hat hingegen die schwache Entwicklung der Weltwirtschaft.

Die Beschäftigung dürfte begünstigt durch die Konjunktur sowohl 2017 als auch 2018 um fast 1% wachsen. Die Arbeitslosenrate wird, trotz einer steigenden Erwerbsbevölkerung, voraussichtlich auf 9,5% in der Euro-Zone und 8% in der EU sinken. Wachstumsrisiken sieht die Kommission in geopolitischen Unsicherheiten und wegen des Brexits, informiert das Finanzministerium. Der Bankensektor wird trotz Reformfortschritten weiterhin als risikoträchtig betrachtet, hauptsächlich wegen notleidender Kredite. Aus Sicht des Finanzministeriums haben sich die Einführung und Weiterentwicklung des Europäischen Semesters, insbesondere die makroökonomischen Überwachung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt grundsätzlich bewährt. Eine nachhaltige Wachstumsentwicklung in den Bereichen Investitionen, Strukturreformen und Budgetkonsolidierung sei jedoch weiterhin wichtig.

Krisenvorsorge wird verstärkt

Als Folge der Finanz- und Schuldenkrise wurden in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen getroffen, um die Euro-Zone zu stabilisieren, erinnert das Finanzministerium an Unterstützungsprogramme für mehrere Mitgliedstaaten, die mit strengen Konditionen bereitgestellt wurden. Nun soll die Krisenvorsorge auf eine solidere Basis gestellt werden. Die Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte wurde bereits grundlegend reformiert, was wesentlich dazu beigetragen hat, die makroökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der Union zu verringern und die Glaubwürdigkeit der europäischen Wirtschafts- und Budgetpolitik sowie das Vertrauen in die gemeinsame Währung wieder herzustellen, so das Finanzministerium.

Trotz großer Fortschritte bei der Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise bleiben Unsicherheiten und Abwärtsrisiken bestehen. Daher sei es wichtig, die Binnennachfrage zu stärken und die Anpassungsfähigkeit der EU weiter zu verbessern. Um zu einer ausgewogenen Entwicklung der Weltwirtschaft beizutragen, sollten europäische Interessen auf internationaler Ebene aktiv eingebracht werden, betont das Finanzministerium. Finanzielle Unterstützungen aus dem ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus) müssen weiterhin konsequent mit der Erfüllung der vereinbarten Auflagen verknüpft werden.

Wirtschafts- und Währungsunion soll verbessert werden

Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion sind geplant. Vorrangig soll das bestehende System verbessert werden. Es gibt aber auch Überlegungen für eine "vollendete" Wirtschafts- und Währungsunion ab 2025, die auch primärrechtliche Änderungen bedürfen, informiert der Finanzminister. Österreich steht der weiteren Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion grundsätzlich offen gegenüber. Kurzfristig sollte der Fokus aber auf der Umsetzung des bereits bestehenden Regelwerkes liegen, so die Position des Finanzministeriums. Ablehnend steht der Finanzminister der Errichtung einer Fiskalkapazität gegenüber, die eng mit Durchgriffs- und Durchsetzungsmechanismen auf europäischer Ebene verknüpft sein müsste.

Europäische Einlagensicherung – sinnvoll aber Zeitplan zu ambitioniert

Seit 2012 wird die Wirtschafts- und Währungsunion mit einer Bankenunion ergänzt. Gearbeitet wird derzeit an der Europäischen Einlagensicherung, um nationale Systeme vor Überforderung durch größere Sicherungsfälle zu schützen. Unterstützt durch den zu dotierender Einlagensicherungsfonds bilden die nationalen Einlagensicherungssysteme die Basis für die Einführung, so der Bericht zum aktuellen Stand der Umsetzung. Österreich befürworte die weitere Risikoreduzierung im Bankensektor, informiert der Finanzminister. Allerdings sollten neue Vorhaben keine unnötigen Belastungen für die Banken darstellen, die weiterhin in der Lage sein müssen, die Realwirtschaft zu unterstützen. Seitens des Finanzministeriums werden allerdings das vorgelegte Modell und der Zeitplan für die Europäische Einlagensicherung kritisch hinterfragt. Es sei sinnvoll, zunächst Erfahrungen mit dem bereits beschlossenen Regelwerk zu sammeln.

Kapitalmarktunion: Kapitalbeschaffung für KMU soll erleichtert werden

Zur Errichtung der Kapitalmarktunion will die Kommission der Fragmentierung der Finanzmärkte entgegenwirken. Zudem sollen die Möglichkeiten zur Finanzierung diversifiziert und die Kapitalbeschaffung für Klein- und Mittelbetriebe erleichtert werden. Weitere Inhalte des diesbezüglichen Aktionsplans sind die Wiederbelebung der Verbriefungsmärkte, eine Novelle der Prospekt-Richtlinie (künftig: Prospekt-Verordnung) und die Förderung von Private Equity und Venture Capital sowie innovativer Finanzierungsformen wie Crowdfunding oder Privatplatzierungen. Zudem zielt die Kommission auf die Beseitigung von Hindernissen bei grenzüberschreitenden Investitionen ab. Österreich unterstützt die Initiative grundsätzlich, die traditionelle Bankenfinanzierung darf aber nicht ersetzt, sondern allenfalls ergänzen werden, heißt es im Bericht.

Bekämpfung von Steuerbetrug wird vertieft

Die europäische Zusammenarbeit in Steuerfragen wird weiter vertieft. Zentrale Themen sind die Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken, und die Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer sowie die generelle Anwendung von Reverse Charge. Künftig soll die Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung für korrekte Steuerabführung sorgen. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass Konzerne Unterschiede zwischen nationalen Steuersystemen ausnutzen, um die Steuerbelastung zu verringern. Wichtiges Thema bleibt weiterhin die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Unter österreichischem Vorsitz haben sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten auf die wesentlichen Kernelemente geeinigt. Angestrebt wird eine breite Bemessungsgrundlage verbunden mit einem niedrigen Steuersatz. Offen sind laut Finanzministerium Detailfragen, insbesondere die Besteuerung von Pensionsfonds. Diese sollen im Laufe des ersten Halbjahres 2017 geklärt werden.

Kommission arbeitet an gemeinsamer Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Im Oktober 2016 hat die Kommission einen neuen, überarbeiteten Vorschlag für eine konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vorgelegt. Finanzminister Schelling befürwortet eine gemeinsame Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer, die den Verwaltungsaufwand für Unternehmen verringern soll. Aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit rechnet das Finanzministerium aber nicht mit raschem Einverständnis.

Weiters arbeitet Europäische Kommission an einem einfacheren, weniger betrugsanfälligen Mehrwertsteuersystem auf europäischer Ebene. Geplant wird ein endgültiges Mehrwertsteuersystem auf Basis des Bestimmungslandprinzips unter Wegfall der Steuerfreiheit beim grenzüberschreitenden Handel. Zudem soll die Mehrwertsteuer-Richtlinie novelliert werden. Ab einem Rechnungsbetrag von 10.000 € soll ein Reverse Charge Verfahren zur Umkehr der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger durchgeführt werden. Grundsätzlich unterstützt Österreich die Pläne der Kommission, insbesondere die Einführung eines Reverse Charge Verfahrens. Der vorliegende Vorschlag ist laut Finanzministerium abzulehnen, da er zu Rechtsunsicherheit für Unternehmen führen würde, heißt es in der Jahresvorschau für 2017. (Schluss) gro