Parlamentskorrespondenz Nr. 341 vom 28.03.2017

Gesundheitspolitischer Austausch mit hessischer Delegation im Parlament

Diskussion mit deutschen Politikern über Ärztemangel, e-Card und Stärkung des ambulanten Sektors

Wien (PK) – Zu einer ähnlichen gesundheitspolitischen Problemanalyse kamen heute deutsche und österreichische PolitikerInnen bei einem Treffen im Parlament, bei dem Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) den hessischen Staatsminister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, und seine Delegation begrüßte. Fehlender Hausärztenachwuchs vor allem im ländlichen Raum, mangelnde Attraktivität des Berufs AllgemeinmedizinerIn oder Reformschwierigkeiten aufgrund föderaler und struktureller Gegebenheiten seien die bestimmenden Faktoren. Ein zentrales Thema in der Unterredung war die organisatorische Neugestaltung des ambulanten Sektors, wo man in Österreich mit der geplanten Einführung von Primärversorgungszentren erst am Anfang steht. Derartige Einrichtungen, die es in Deutschland bereits seit dem Jahr 2004 gibt und die als "Medizinische Versorgungszentren (MVZ)" bezeichnet werden, können einen wichtigen Beitrag zur besseren Versorgung im ländlichen Raum leisten, war CDU-Politiker Ralf-Norbert Bartelt überzeugt. Einer Beteiligung von Kapitalgesellschaften in diesem Bereich stand er jedoch sehr kritisch gegenüber. Nicht vergessen sollte man, dass Deutschland und Österreich noch immer führend sind, was den Zugang zu medizinischen Leistungen betrifft.

Staatsminister Stefan Grüttner wies darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren etwa die Hälfte der AllgemeinmedizinerInnen das Pensionsalter erreichen werden. Dennoch müssten viele weiterarbeiten, da es insbesondere in den ländlicheren Gebieten an Nachwuchs fehle. Generell gebe es den Wunsch nach attraktiveren Arbeitsbedingungen und einer besseren Work-Life-Balance, zumal auch zwei Drittel der MedizinstudentInnen mittlerweile Frauen sind. Die Lösung für all diese Probleme liege nicht in einer einzigen Organisationform, meinte SPD-Politiker Gerhard Merz, der eine ländliche Gesamtstrategie, die von der Frage der Kinderbetreuung, der Mobilität, der Arbeitsplätze etc. bis hin zur medizinischen Versorgung reiche, einmahnte. Wenn Österreich auf eine Vernetzung von Strukturen setze, dann sei es auf dem richtigen Weg, konstatierte Frank Dastych, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Hessen. Man müsse jedoch darauf achten, dass es zu keiner Versorgungskonzentration und einer Limitierung des Angebots kommt.  

Dieser Befund treffe auch auf Österreich zu, erklärte Ulrike Königsberger-Ludwig (S), die die Einrichtung von Primärversorgungszentren als einen wichtigen Lösungsansatz sah. Planungsschwierigkeiten ergeben sich auch dadurch, dass die Verwaltung der Krankenhäuser den Ländern obliege und dass die Gesundheitsministerin nur über 3 Mrd. € des insgesamt 27 Mrd. € umfassenden Gesundheitsbudgets verfügen könne. Ihr Fraktionskollege Johann Hechtl (S) informierte die deutschen Gäste über die Vorteile der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) und der e-Card für die PatientInnen. Sehr wichtig sei auch die Einführung der e-Medikation, weil damit gefährliche Wechselwirkungen von Arzneistoffen vermieden werden können, erklärte ÖVP-Mandatarin Martina Diesner-Wais. Um die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern, wurden bereits einige Maßnahmen ergriffen, wie etwa die Schaffung von Gruppenpraxen oder die Absicherung der Hausapotheken.

Einen kritischeren Blick auf das heimische Gesundheitswesen warf Andreas Karlsböck (F), der von einem schwer durchschaubaren bürokratischen Dickicht sprach. Er verstehe auch bis heute nicht, warum ÄrztInnen keine anderen ÄrztInnen anstellen dürfen. Was die Primärversorgungszentren betrifft, so bemängelte er den Ausschluss der MedizinerInnen aus diesem Prozess, denen nur mehr eine beratende Stimme eingeräumt werde. Außerdem befürchtete er eine Verstaatlichung der Strukturen. Auch NEOS-Mandatar Gerald Loacker sah durch die Vorhaben der Regierung den freien Arztberuf gefährdet. Eva Mückstein von den Grünen hielt es vor allem für wichtig, die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe zu stärken und ihnen eine entsprechenden Stellenwert einzuräumen. Durch eine Verlagerung von Leistungen in diesen Sektor würde man die MedizinerInnen entlasten und zugleich für mehr Qualität sorgen, war sie sicher. Die e-card wiederum bringe zu wenig Nutzen für die PatientInnen, da sie etwa die in Impf- oder Radiologiepässen enthaltenen Informationen speichern sollte. Aus Datenschutzgründen sprach sie sich aber gegen ein zentrales Register aus. (Schluss) sue