Parlamentskorrespondenz Nr. 376 vom 30.03.2017

Teure Medikamente: Nationalrat zieht Kostenbremse

Opposition über späte Vorlage des Abänderungsantrags empört

Wien (PK) – Künftig wird es in Österreich auch für Medikamente, die nicht im Erstattungskodex der Krankenkassen gelistet sind, eine Preisobergrenze geben. Das sieht eine Gesetzesnovelle vor, die heute vom Nationalrat beschlossen wurde. SPÖ und ÖVP nutzten eine rein technische Änderung im ASVG dazu, um das Vorhaben mittels Abänderungsantrag im Schnellverfahren durch das Hohe Haus zu bringen. Demnach dürfen neue teure Medikamente künftig in Österreich grundsätzlich nicht mehr als im EU-Schnitt kosten. Zudem werden die Preisregelungen für Generika adaptiert und ähnliche Regelungen für so genannte Biosimilars in das Gesetz aufgenommen. Empört über die kurzfristige Vorlage des Abänderungsantrags zeigte sich die Opposition, die Grünen stimmten dem Entwurf letztendlich aber dennoch zu.

Für den roten und gelben Bereich des Erstattungskodex sieht das ASVG künftig eine zeitlich gestaffelte Preisfestsetzung vor. Demnach ist 18 Monate nach der erstmaligen Festsetzung der EU-Durchschnittspreis erneut zu ermitteln, eine weitere Prüfung ist 24 Monate später vorgesehen. Nach weiteren 18 Monaten kann allenfalls eine vierte Preisfestsetzung erfolgen. Jeweils zu berücksichtigen sind in den Mitgliedstaaten gewährte gesetzliche Rabatte.

Durch die neue Generika-Regelung ergibt sich für das erste Generikum in Hinkunft ein Preisunterschied von 50% zum ursprünglichen Preis des Originalmedikaments (bisher 48%). Für das dritte Generikum sind es bereits 65%. Ähnliche Regelungen werden für Biosimilars, Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika, in das Gesetz aufgenommen, wobei hier der regulatorische Preisunterschied zum Originalprodukt insgesamt 52,5% beträgt. Bestehende Preisunterschiede für wirkstoffgleiche Medikamente sollen durch ein Preisband verringert werden.

Dass der Abänderungsantrag erst unmittelbar vor Beginn der Debatte vorgelegt wurde, begründete Erwin Spindelberger (S) damit, dass gut Ding eben Weile brauche. Man habe bis zuletzt um einen vertretbaren Kompromiss gerungen. Zuvor hätte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger 14 Monate mit der Pharmaindustrie verhandelt, ohne eine Einigung erzielen zu können. Österreich habe bei innovativen Medikamenten sehr hohe Kosten, gab Spindelberger zu bedenken, durch die nunmehrige Regelung stelle man sicher, dass PatientInnen in Österreich weiter mit hochwertigen Medikamenten versorgt würden, ohne dass die finanzielle Situation der Krankenkassen aus dem Ruder laufe. Die Regelung ist fair, meinte er mit Hinweis auf die jährlichen Milliardengewinne der Pharmaindustrie, zudem gewährleiste sie auch für die Pharmafirmen Rechtssicherheit.

Für Gabriele Heinisch-Hosek (S) ist die harsche Kritik der Opposition unverständlich. Wie könne man "jammern", wenn etwas besser werde, fragte sie. Schließlich sei die Preisregelung im Sinne der PatientInnen.

Zerknirscht in Bezug auf die späte Vorlage des Abänderungsantrags gab sich hingegen ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger. Man habe die Verhandlungen nach 14 Monaten jedoch nicht scheitern lassen wollen, hielt er fest. Ziel des Gesetzes ist es ihm zufolge unter anderem, Ausgabenobergrenzen bei den Medikamenten einzuhalten und gleichzeitig den Standort zu sichern. Angriffe auf die Pharmawirtschaft hält Rasinger nicht für angebracht, grosso modo sei diese ein sehr guter Partner. Österreich sei gut mit Medikamenten versorgt.

NEOS sehen PatientInnen als großen Verlierer der Preisregelung

Empört über die Koalitionsparteien zeigte sich die Opposition. Sie habe schon viel im Parlament erlebt, die jetzige Vorgangsweise sei aber ein absoluter Tiefpunkt, klagte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Möglicherweise sei die Regelung gut, hielt ihr Fraktionskollege Andreas Karlsböck fest, angesichts der späten Vorlage könne er den Inhalt aber nicht beurteilen. Er hält den Trend zu immer mehr Planwirtschaft im Medikamentenbereich allerdings insgesamt für fragwürdig. Auch die Pharmaindustrie habe sich eine gewisse Rechtssicherheit verdient, betonte Belakowitsch-Jenewein. Massive Kritik übte die Gesundheitssprecherin der FPÖ am Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker hält nicht nur die Vorgangsweise der Regierungsparteien für inakzeptabel, er kann dem Antrag auch inhaltlich nichts abgewinnen. Der große Verlierer der Preisregelung sei der Patient, ist er überzeugt. Loacker fürchtet, dass die Preisregelung dazu führen wird, dass innovative Medikamente später auf den österreichischen Markt kommen werden. Wenn man nur den Durchschnitt zahle, werde man nur durchschnittliche Medikamente bekommen. Letztendlich werde am Patienten gespart, während Einsparungspotentiale in der Sozialversicherung selbst nicht genutzt würden. Dabei seien die Verwaltungskosten zuletzt stärker gestiegen als die Medikamentenkosten, machte Loacker geltend.

Die Grünen werden zustimmen, aber nicht mit leichtem Herzen, zeigte auch Karl Öllinger kein Verständnis für die späte Vorlage des Abänderungsantrags. Er hätte Gesundheitsministerin Rendi-Wagner einen besseren Einstand gewünscht, meinte er. Generell wünscht sich Öllinger eine tiefergehende öffentliche Diskussion über das Thema Gesundheitskosten, die ÄrztInnen müssten oft schwierige Entscheidungen bei der Verschreibung von Medikamenten treffen. Aktionen wie die heutige trügen aber nicht zu Transparenz bei.

Erfreut über den Beschluss äußerte sich Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Die PatientInnen müssten sich auch bei steigenden Medikamentenpreisen auf das österreichische Gesundheitssystem verlassen können, betonte sie. Es müssten auch in Zukunft moderne innovative Arzneimittel ohne ausufernde Kosten zur Verfügung stehen. Rendi-Wagner betonte zudem, dass die neue Regelung auch Planbarkeit für die Pharmafirmen bringe.

FPÖ kritisiert lange Wartezeiten auf CT- und MRT-Untersuchungen

Die FPÖ nahm die Debatte auch zum Anlass, um Maßnahmen gegen die langen Wartezeiten auf bildgebende Untersuchungen wie Computertomografien (CT) und Magnetresonanztomografien (MRT) zu fordern. Geht es nach den Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Andreas Karlsböck sollen PatientInnen ab Juli maximal 10 Arbeitstage auf einen CT-Termin und 20 Arbeitstage auf eine MR-Untersuchung warten müssen, Akutfälle sollen vorgereiht werden. Seit Jahren würden die Probleme in diesem Bereich zunehmen, heißt es in einem von Karlsböck eingebrachten Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit fand. Das Argument, dass bereits eine Lösung zur Beseitigung der Missstände vorliege, ließ Karlsböck nicht gelten, diese würde frühestens 2018 greifen.

Einhellige Zustimmung zur Novellierung des Apothekerkammergesetzes

Einstimmig verabschiedete der Nationalrat eine Novelle zum Apothekerkammergesetz, mit der die Apothekerkammer in Anlehnung an eine Empfehlung des Rechnungshofs unter anderem dazu angehalten wird, sich eine Haushaltsordnung zu geben. Zudem wird der Disziplinaranwalt künftig auf fünf Jahre befristet bestellt. Die Novelle wurde von Ruth Becher (S) ausdrücklich begrüßt, sie wies auch auf die hohe Verantwortung von ApothekerInnen bei der Abgabe von Medikamenten hin.

Opposition fordert weitere Strukturreformen im Gesundheitsbereich

Drei zur Diskussion stehende Anträge der Opposition fanden keine Mehrheit. So konnten sich die Grünen mit der Forderung nach einer Finanzierung des Gesundheitswesens aus einem Topf nicht durchsetzen (2008/A(E)). Gesundheitssprecherin Eva Mückstein hätte sich davon eine bessere Abstimmung der Patientenversorgung zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen ÄrztInnen erwartet. Auch die von den NEOS geforderte Übertragung der Kompetenz für die Spitalsplanung von den Ländern an den Bund (1981/A) sehen die Regierungsparteien als nicht zielführend.

Unterstützt wurde der Antrag der Grünen von den fraktionslosen Abgeordneten Marcus Franz und Rupert Doppler. Es brauche eine Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand, betonten beide. Nichts sei in Österreich so intransparent wie die Finanzierungströme im Gesundheitssystem, so Franz. Generell wandte sich Franz dagegen, dass im Gesundheitssystem ständig gespart werde.

Einen Mangel an Hausärzten in Wien ortet David Lasar (F). Seiner Meinung nach könnte man dem Problem damit begegnen, dass man die Hausärzte aufwertet und Ärzten die Möglichkeit gibt, Ärzte anzustellen. Primärversorgungszentren sind für ihn keine Lösung, sollten sie kommen, würden die Hausärzte sukzessive aussterben.

Schließlich lehnte der Nationalrat einen Antrag der FPÖ ab, der darauf abzielte, Häftlinge in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen. Nach Meinung von Dagmar Belakowitsch-Jenewein würde sich der Bund dadurch Kosten ersparen, derzeit wird dem Justizministerium für die ärztliche Versorgung der Häftlinge der Tarif für PrivatpatientInnen verrechnet. Der fraktionslose Abgeordnete Gerhard Schmid wies in diesem Zusammenhang auch auf Kritik des Rechnungshofs hin. (Fortsetzung Nationalrat) gs