Parlamentskorrespondenz Nr. 380 vom 31.03.2017

Nationalrat befasst sich mit Rechnungshofkritik an Finanzierung großer Infrastrukturprojekte

Rechnungshof fordert Transparenz bei Wiener U-Bahnbau, Brenner Basistunnel und im Verkehrsverbund Ost ein

Wien (PK) – Drei Rechnungshofberichte wurden am Ende der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats behandelt. Zwei davon betreffen die Prüfung von großen Verkehrs- und Infrastrukturprojekten: Der Rechnungshof hat die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Ausbauphasen und aktuellen Änderungen des Wiener U-Bahn-Netzes zwischen den Jahren 2007 und 2014 überprüft und sich ausführlich mit dem Milliardenprojekt Brenner Basistunnel befasst. Ein weiterer kritischer Rechnungshofbericht liegt zur Tarifgestaltung des öffentlichen Personennah– und Regionalverkehrs im Verkehrsverbund Ost–Region (VOR) GmbH vor. Die Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker kündigte an, dass der Rechnungshof sich auch weiterhin großen Infrastrukturprojekten widmen wird, um für Transparenz bei Planung und Finanzierung zu sorgen. Die Arbeit des Rechnungshofs in diesem Bereich finde internationale Anerkennung, sagte die Rechnungshofpräsidentin. Als positiv merkte sie an, dass im Rechnungshofausschuss die geprüften Unternehmen große Bereitschaft zur Umsetzung von Empfehlungen gezeigt haben. Grundsätzlich dürfe Verkehrspolitik nicht an den Landesgrenzen Halt machen, sie brauche eine Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften und den verschiedenen Akteuren, um ein effektives und kostengünstiges Angebot zu sichern. 

Wiener U-Bahnen: Bundeszuschüsse ohne ausreichende gesetzliche Grundlage

Für den Ausbau der Wiener U-Bahnen U3 und U6 hatten der Bund und das Land Wien 1979 eine 15a-Vereinbarung zur Kostenteilung von jeweils der Hälfte abgeschlossen. Ein Rechnungshofbericht zeigt auf, dass die Vereinbarung ab 1980 privatrechtlich fortgesetzt wurde, und kritisiert, dass daraus eine Umgehung der Vorschriften der Finanzverfassung resultiert. Der Bund nehme nämlich regelmäßige Finanzzuweisungen ohne gesetzliche Regelung vor und unterlaufe dabei die Zuständigkeit des Nationalrats. Die mangelnde gesetzliche Grundlage habe es nicht erlaubt, eine genaue Zuordnung von Kosten vorzunehmen, erläuterte Rechnungshofpräsidentin Kraker und forderte den Abschluss einer zeitgemäßen Finanzierungsvereinbarung.

Für Ruth Becher (S) ist der U-Bahnausbau in Wien eindeutig sowohl verkehrspolitisch als auch stadtplanerisch eine Erfolgsgeschichte. Der Beitrag des Bundes sei daher gut angelegtes Geld. Becher begrüßte ausdrücklich, dass in Reaktion auf die Kritik des Rechnungshofs im Verkehrsministerium eine Koordinierungsgruppe eingerichtet wurde, um eine neue rechtliche Basis in Form einer 15a- Vereinbarung zwischen Wien und dem Bund zu erarbeiten. Diese werde für Transparenz sorgen, zeigte sich Becher überzeugt.

Er gönne den WienerInnen die U-Bahn und sei auch für die Kofinanzierung des Bundes, sagte Georg Willi (G). Diese habe jedoch, und zwar ohne entsprechende gesetzliche Grundlage, bereits 50 % erreicht, und das sei zu hinterfragen. Zu klären sei auch, was der Bund nach Fertigstellung der Strecken tatsächlich weiter zuschieße. Die neu abzuschließende Vereinbarung sollte aus seiner Sicht auch eine Grundlage für die Unterstützung des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs in den Landeshauptstädten bilden.  

Die vorliegenden Rechnungshofberichte, insbesondere die Überprüfung des Wiener U-Bahn-Baus, zeigten Paradebeispiele der Steuerverschwendung, meinte Michael Bernhard (N). So habe der Bund Eröffnungsfeiern mitfinanziert, was in keiner Weise zu rechtfertigen sei. Auch in der Planungsgesellschaft des Brenner Basistunnels und im Verkehrsverbund Ost-Region habe der Rechnungshof Steuerverschwendung aufgedeckt, die aus seiner Sicht auf Inkompetenz im Management zurückzuführen war. Bernhard wies auch auf das Problem hin, dass seit 2014/15 keine Finanzierungszusage des Finanzministeriums für den ÖBB-Rahmenplan gegeben wurde.

Die fehlende gesetzliche Grundlage für die Zuschüsse des Bundes zum U-Bahnausbau in Wien kritisierte auch Martina Schenk (T). Wie der Rechnungshof feststellte, wurden mehr als 5 Mio. € an Bundesmitteln für Zwecke verwendet, die nichts mit dem Ausbau der U-Bahn zu tun hatten. Der Bericht des Rechnungshofs zur Wiener U-Bahn habe ihn entsetzt, führte Wolfgang Gerstl (V) die kritischen Anmerkungen fort. Die Finanzierung des Bundes sei ausschließlich für den Neubau gedacht, nicht für Eröffnungsfeiern, KünstlerInnenhonorare oder Bewirtungen. Ein privates Unternehmen wäre in solchen Fällen mit dem Verdacht des Förderbetrugs konfrontiert. So könne man nicht mit Steuergeldern umgehen, betonte Gerstl. Die Stadt Wien habe zudem seit Jahren bestehende Rückforderungen des Verkehrsministeriums noch immer nicht beglichen, das müsse sich rasch ändern.

Auch David Lasar (F) schloss sich der Kritik an der ungerechtfertigten Verwendung von Bundesmitteln in Wien an. So sei etwa das Verkehrsmuseum mitfinanziert worden. Der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler forderte ebenfalls Konsequenzen aus der Tatsache, dass der Rechnungshof das Fehlen einer gesetzlichem Grundlage für die Beiträge des Bundes zum Wiener U-Bahnbau aufgezeigt hat.

Brenner Basistunnel rechnet sich nur bei Verkehrsverlagerung auf die Schiene

In seiner umfassenden Gebarungsüberprüfung des Projekts Brenner Basistunnel wies der Rechnungshof auf einen starken Kostenanstieg des Projekts während der Planungsphase hin. Er sah außerdem offene Fragen, die für die Republik noch ein weiteres Finanzierungsrisiko sich ziehen könnten. Laut seinem Bericht stellt der schleppende Ausbau der Zulaufstrecken vor allem auf deutscher Seite ein weiteres finanzielles Risiko dar. Die sich daraus ergebenden Kapazitätsengpässe könnten nämlich die verkehrspolitischen Effekte des Tunnels in Frage stellen, hält der Rechnungshof fest. Wichtig sei es, die EU-Kofinanzierung zu sichern und verbindliche völkerrechtliche Verträge mit Deutschland über die Zulaufstrecken abzuschließen, bekräftigte Rechnungshofpräsidentin Kraker im Plenum.

Der Brenner Basistunnel habe große Bedeutung für Tirol, Österreich und Europa, sagte Hermann Gahr (V). Der Brenner Basistunnel stelle zwar eine kostspielige Investition dar, insgesamt lohne sich diese aber für künftige Generationen. Derzeit kämpfe man um die Sicherung der Mitfinanzierung durch die EU, wobei man im Wettbewerb mit anderen Infrastrukturprojekten stehe. Die Schweiz müsse bei der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene Vorbild sein. Enttäuscht ist Gahr über Signale aus Deutschland betreffend die dortigen Zulaufstrecken. Derzeit diskutiere man erst die Trassenführung, der Ausbau müsse aber mit viel mehr Nachdruck betrieben werden.

Angesichts der Transitsituation sei der Brenner Basistunnel ein wichtiges Anliegen der Tiroler Bevölkerung, der man Lösungen versprochen habe, betonte auch Gerald Hauser (F). Trotz sektoraler Fahrverbote hätten die Transitfahrten zuletzt weiter zugenommen, es bestehe daher dringender Handlungsbedarf. Die EU-Beteiligung für die kommenden Jahre sei derzeit unsicher, die politischen Anstrengungen um eine weitere EU-Mitfinanzierung müssten daher verstärkt werden. Auch die Planung der Zulaufstrecken in Deutschland erfolge leider viel zu langsam. Der Brenner Basistunnel werde seine Aufgabe aber nur dann erfüllen können, wenn alle Voraussetzungen für eine Verlagerung des Güterverkehrs vom LKW auf die Schiene gegeben sind.

Der Brenner Basistunnel sei mit dem Versprechen einer Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene begonnen worden, führte auch der Verkehrssprecher der Grünen Georg Willi das Thema Transit fort. Um dieses einzulösen, brauche man eine entsprechende Verkehrspolitik, die auch harte Maßnahmen nicht scheue, um die Verlagerung der Güter auf die Schiene zu bewirken. Die Schweiz habe das erfolgreich vorgezeigt. Seine Fraktion fordere in diesem Sinne eine mutige Verlagerungspolitik.

Die Empfehlungen des Rechnungshofs zum Brenner Basistunnel wurden umgesetzt, zeigte sich Elmar Mayer (S) erfreut. Im Ausschuss konnte seiner Ansicht nach zufriedenstellend erklärt werden, woraus die nur vorgeblich hohen Kostensteigerung resultierten. Der Verkehrsminister habe auch überzeugend klargelegt, dass die EU dieses Flagschiff-Projekt der europäischen Verkehrspolitik weiterhin finanzieren wird und dass auch die Planungen der Zulaufstrecken im Zeitplan liegen. Mit Fertigstellung des Tunnels werde dieser selbst ein wichtiges Argument sein, um Maßnahmen der Verkehrsverlagerung vorantreiben zu können, ist Mayer überzeugt.

Philip Kucher (S) schloss sich dieser Sichtweise an. Der Tunnel sei eines der am besten finanzierten Infrastrukturprojekte Europas, sagte er. Von einem der wichtigsten Infrastrukturprojekte nicht nur Österreichs, sondern für das gesamteuropäische Verkehrsnetz, sprach auch Andrea Gessl-Ranftl (S). Die Bedenken über die Entwicklung der Kosten seien im Rechnungshofausschuss ausgeräumt worden, die Kostenschätzung habe sich mit dem Abschluss der Gesamtplanung faktisch nicht geändert, stellte sie fest.      

Rechnungshof fordert neuen Tarifvertrag im Verkehrsverbund Ost-Region

Im Verkehrsverbund Ost–Region (VOR) GmbH betrachtete der Rechnungshof die Entwicklung der Jahre 2010 bis 2014, wobei er unter anderem Kritik an unterschiedlichen Tarifsystemen, mangelnder Tarif-Transparenz und überholten Finanzierungsvertragsgrundlagen der VOR GmbH übt. Er empfahl etwa eine Stärkung der Eigen–Ertragskraft und Senkung des Bedarfs an Gesellschafterzuschüssen der Länder Wien, Niederösterreich und Burgenland. Unter den derzeitigen Voraussetzungen stehe einem neuen Tarifvertrag mit dem Bund nichts mehr im Wege, sagte Rechnungshofpräsidentin Kraker im Nationalratsplenum.  

Andreas Hanger (V) unterstrich, dass der VOR sehr erfolgreich sei. Die vom Rechnungshof festgestellten Rückgänge bei den Einnahmen erklären sich für ihn aus dem sehr erfolgreichen TOP-Jugendticket. Der VOR habe die Rechnungshofempfehlungen aufgenommen und sehe einer erfolgreichen Zukunft entgegen.

Christian Lausch (F) zweifelte hingegen an den Fähigkeiten des Managements des VOR, ein gutes Verkehrsangebot zu sichern. Die Wahrnehmung vieler PendlerInnen sei vielmehr, dass sich die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs verschlechtere. Vor dem Hintergrund des Rechnungshofberichts sehe er hierin bedenkliche Entwicklungen.

Erwin Preiner (S) bezeichnete hingegen das Angebot des VOR als ein Best Practice Beispiel für ein Angebot des öffentlichen Nahverkehrs, das viel zur Entlastung der Region vom Straßenverkehr beitrage. Preiner wies auf die beträchtlichen Anstrengungen des Burgenlands zur Attraktivierung des Verkehrsverbundes hin. Das TOP-Jugendticket sei ein großartiges Angebot und werde gerne angenommen.

Aufgrund der Kritik des Rechnungshofs seien kleine Fortschritte in Richtung mehr Transparenz von Finanzierungskosten von Infrastrukturprojekten erreicht worden, sagte Gabriela Moser (G). Vieles bleibe jedoch noch zu tun, um etwa eine bessere Vernetzung von Verkehrsverbünden über Bundesländergrenzen hinweg zu erreichen. Moser forderte auch größere verkehrspolitische Anstrengungen, um eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zu erreichen.

Im Anschluss an die Sitzung des Nationalrats fand eine weitere (174.) Nationalratssitzung statt, die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Zuweisungen und Mitteilungen diente. (Schluss Nationalrat) sox