Parlamentskorrespondenz Nr. 812 vom 28.06.2017

Nationalrat: Keine TTIP-Verhandlungen mit derzeitigem Mandat

Aufruf zur Hilfe im Südsudan, Übergangsbestimmung im Status des IStGH wird gestrichen

Wien (PK) -  Ohne die Stimmen der NEOS hat sich der Nationalrat heute gegen weitere TTIP-Verhandlungen zwischen der EU und den USA auf Grundlage des derzeitigen Verhandlungsmandats ausgesprochen. Unter US-Präsident Donald Trump sind die Verhandlungen jüngst ins Stocken geraten, ein erneuter Anlauf scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Handelsminister Wilbur Ross zufolge aber möglich. Die Contra-Fraktionen im Nationalrat bekannten sich zwar grundsätzlich zum freien Handel, dieser müsse aber unter fairen Bedingungen stattfinden.

Die TTIP-Entschließung im Nationalrat basiert auf einem Antrag der Freiheitlichen, in dem sie ein vollständiges Aus für TTIP gefordert haben. "Es geht nicht um ein Abkommen mit irgendeinem Staat dieser Welt, sondern um den Staat, der in der Wirtschaftswelt die Fäden zieht", sagte Johannes Hübner (F). In den USA befänden sich 8 von 10 der weltgrößten Konzerne sowie Monopolisten, die einen gefährlichen Einfluss auf die Demokratie ausüben könnten, warnte er. Er befürchtet, dass Österreich mit TTIP seine rechtliche Souveränität aufgeben würde. Ein weiterer Kritikpunkt der Freiheitlichen betrifft die Intransparenz der Verhandlungen. Im Vertrag seien Dinge gestanden, die "hinterhältig" seien, so Barbara Rosenkranz (F). Ihre Fraktion sei für Freihandel, aber unter klaren und fairen Bedingungen.

NEOS und ÖVP werben für TTIP

Das seien nichts anderes als "antiamerikanische Ressentiments", entgegnete Claudia Angela Gamon von den NEOS. Aus ihrer Sicht habe die Haltung der Regierungsparteien zu den Freihandelsverträgen "schon fast schizophrene Züge". Das Ziel von TTIP sei, ein gutes Abkommen zu werden, beurteilen könne man es aber erst, wenn Ergebnisse da sind, meinte Gamon, die bei den Contra-Fraktionen "beliebige Faktenferne" ortete. Ihr Vorwurf richtete sich aber insbesondere gegen die ÖVP, diese habe die TTIP-Debatte nämlich den Demagogen überlassen.

Die ÖVP ging bei der Entschließung zwar mit, bedauerte aber, dass die Verhandlungen derzeit auf Eis gelegt sind. "Leider ist noch kein einziges Kapitel fertigverhandelt", sagte Angelika Winzig (V), dann würden die BürgerInnen sehen, dass sie keinen Nachteil hätten. Sie appellierte, "die Kirche im Dorf zu lassen". Die FPÖ solle ferner ihre "unglückliche Allianz mit den NGOs und den Linken" beenden.

Contra-Fraktionen: Ja zu freiem Handel, aber zu fairen Bedingungen

SPÖ, Grüne und Team Stronach bekannten sich zwar grundsätzlich zum freien Handel, dieser müsse aber vernünftig und fair sowie nach ökologischen und sozialen Standards passieren, wie etwa Werner Kogler (G) sagte. Bei TTIP und CETA handle es sich um keine Handelsverträge im herkömmlichen Sinn, sondern um "Deregulierungs- und Standardherabsetzungsabkommen".

Donald Trump würde Freihandel ausschließlich damit definieren, was gut für die USA ist, bemängelte Josef Cap seitens der SPÖ. Höchste Vorsicht ist für ihn aktuell aber beim geplanten Abkommen zwischen der EU und Japan geboten. Cap zufolge umfasst der Verhandlungstext vier Seiten, wovon nur wenig bekannt sei. "Das finde ich sehr befremdlich", sagte er, die EU habe nichts aus TTIP und CETA gelernt. Auch im Fall von Japan müsse verhindert werden, dass

über eine Hintertür auf Standards in Österreich und in Europa mit der Möglichkeit von Sonderklagsrechten Druck ausgeübt wird.

Dass der freie Handel nicht in Diskussion stehe, bekräftigte auch Team-Stronach Mandatarin Ulrike Weigerstorfer. TTIP, CETA, TiSA und das Japan-Abkommen seien aber eine neue Generation von Freihandelsabkommen. Neben der intransparenten Verhandlungsweise und dem Investorenschutz stößt sich Weigerstorfer insbesondere daran, dass es für TTIP laut ihren Informationen kein Ausstiegsszenario gibt. "Das Gefühl bei den Bürgern ist ein ungutes, wenn man vor vollendete Tatsachen gestellt wird", bemängelte ebenso ihr Fraktionskollege Leopold Steinbichler (T).

Gegen ein Weiterführen der TTIP-Verhandlungen mit dem derzeitigen Mandat sprachen sich auch die fraktionslosen Abgeordneten Gerhard Schmid und Rupert Doppler aus. "Europa soll für die Interessen Amerikas aufkommen", kommentierte Schmid einen möglichen neuen Verhandlungsanlauf. Die Produktion österreichischer Waren entspreche einem hohen Standard. Dieses Niveau sei beizubehalten, meinte er. Doppler wiederum sagte, dass die intransparente Vorgangsweise genau zur EU passe. Aus seiner Sicht dient das Abkommen lediglich dazu, "der Profitgier der Riesenkonzerne" Rechnung zu tragen, die Sorgen der Menschen seien offensichtlich völlig egal.  

Übergangsbestimmung im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wird gestrichen

Die Parlamentsfraktionen haben die Regierung außerdem zur Hilfe im Südsudan aufgefordert. Ferner wird eine Übergangsbestimmung im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ersatzlos gestrichen.

Gemäß der Bestimmung, die im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nunmehr ersatzlos gestrichen wird, kann ein Staat, wenn er Vertragsstaat wird, erklären, dass er für einen Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten des Statuts die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für Kriegsverbrechen nicht anerkennt. Über die Streichung dieser Übergangsbestimmung bzw. Schonfrist sind die Vertragsstaaten 2015 in Den Haag übereingekommen, sie sei für Nicht-Vertragsstaaten kein Anreiz, um das Statut des Strafgerichtshofs zu ratifizieren.

"Die jetzige Novelle ist ein Witz, wir stimmen ihr aber trotzdem zu, weil sie niemandem schadet", sagte Johannes Hübner (F) zu Linie seiner Fraktion. Für die FPÖ handelt es sich Hübner zufolge beim Internationalen Strafgerichtshof um "einen eklatanten Misserfolg", der nur Kosten verursacht habe. Die wichtigsten Staaten wie die USA seien nicht nur nicht Mitglied, sondern würden den Gerichtshof sogar bekämpfen und lächerlich machen. Außerdem würde der Gerichtshof nur Untersuchungen über entmachtete Politiker oder Präsidenten im "schwarzafrikanischen Teil unserer Erde" durchführen.

Klar verteidigt wurde der Gerichtshof von den Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. Er sei ein sehr wichtiges Instrument, wenn es darum gehe, die größten internationalen Verbrechen abzuurteilen, sagte Gisela Wurm (S). Dennoch sei es ein großer Wermutstropfen, dass wichtige Länder wie die USA, Russland oder China noch nicht beigetreten sind. Die Vision, in einer Welt zu leben, wo Verbrechen gegen die Menschlichkeit nirgendwo mehr unbestraft bleiben, sei eine, für die es sich zu kämpfen lohne, bekräftigte Petra Bayr (S). Es sei die Aufgabe Österreich, für den Beitritt weiterer Länder zu werben.

Auch das Anliegen der grünen Menschenrechtssprecherin Alev Korun (G) ist es, den Strafgerichtshof zu stärken, wie sie in der Debatte sagte. Für die Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen ist es aus ihrer Sicht wichtig,  aktive Außen- und Friedenspolitik zu betreiben und den internationalen Waffenhandel einzuschränken. "Mit den Waffen, die in Europa produziert werden, werden woanders Kriege geführt, Menschen vertrieben und Flüchtlinge gemacht", sagte Korun.

Einhelliger Appell zur Hilfe im Südsudan

Angesichts der humanitären Krise und dem anhaltenden militärischen Konflikt im Südsudan richten alle sechs Parlamentsfraktionen einen Hilfsappell an die Regierung. Geht es nach den Abgeordneten, soll sie gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft und den Konfliktparteien im afrikanischen Land auf friedensstiftende Maßnahmen drängen.

Neben Südsudan rückte in der Debatte auch sein Nachbarland Uganda in den Blickpunkt der Abgeordneten. Das Land muss aufgrund des Konflikts mit einer erschwerten Flüchtlingssituation umgehen, nach den Angaben von Abgeordnetem Franz-Joseph Huainigg (V) hat es rund 800.000 geflüchtete Menschen aufgenommen. Von Österreich bzw. Außenminister Sebastian Kurz wurden 2 Mio. € an Hilfe für das Schwerpunktland in der Entwicklungszusammenarbeit zugesagt. Die Grünen kritisieren, warum es nicht bei den von Kurz angekündigten 3 Mio. € für Uganda bleibt. "Diese Vorgangsweise ist letztklassig", sagte Tanja Windbüchler-Souschill (G), solange kein Friede herrsche, werde es Flüchtlinge geben. Ein Antrag, in dem sie zusätzlich 1 Mio. € für humanitäre Maßnahmen in Uganda gefordert hat, wurde im Plenum abgelehnt. Hinsichtlich dem Südsudan braucht es aus ihrer Sicht endlich ein klares Bekenntnis der Bundesregierung und des Außenministers, hier auch aktiv werden zu wollen.

Dass die internationale und politische Hilfe nur sehr schleppend vorangeht, bemängelte auch Christine Muttonen (S). Während hierzulande darüber nachgedacht werde, wie man die Mittelmeerroute schließen könne, würde sich in Afrika eine beispiellose Hungerskatastrophe abspielen, die Millionen Flüchtlinge erzeugt und ganze Regionen zu destabilisieren droht. Österreich müsse mehr tun und den Druck erhöhen, auch den Nachbarländern müsse geholfen werden. 2 Mio. € für Uganda seien gut, viele europäische Länder wie Norwegen oder Schweden seien aber bereit, mehr Geld zu geben. 2015 hätte man aus dem Flüchtlingsstrom aus Syrien gelernt, was passiert, wenn nicht vorab gehandelt wird.

NEOS-Mandatarin Karin Doppelbauer (N) appellierte an Kurz, die zuletzt gekürzte Hilfe für sogenannte Least Developed Countries, worunter auch Uganda fällt, wieder aufzustocken. "Die Gelder für die Flüchtlingszusammenarbeit sind nicht dafür da, um Flüchtlinge von Österreich abzuwehren, sondern den Ärmsten der Armen zu helfen", so die Kritik an Kurz.

Die Freiheitlichen seien zwar dafür, dass in dieser Region Sicherheit herrsche, man sollte sich jedoch davon verabschieden, dass Österreich als Weltpolizist auftritt, meinte Andreas F. Karlsböck (F). "Wir können bestenfalls als Brückenbauer auftreten", sagte er, allerdings könne man die Konflikte von Europa aus nicht abschätzen. Das Geld, das in Österreich im Asyl- und Flüchtlingsbereich ausgegeben wird, sollte ihm zufolge besser in den Krisenländern eingesetzt werden. Außerdem brauche es eine Grenzschließung nach Europa.

Leopold Steinbichler (T) führt die Hungersnot in Afrika auf die "raubgierige Gesellschaft" der wohlhabenden Länder zurück. In Produktionsländern werde den Menschen keine Lebenschance gelassen. "Und wir wundern uns über Flüchtlinge und spenden dann", bemängelte er. Spenden seien unwirksam, wenn nicht darüber nachgedacht werde, welcher Schaden bereits vorher angerichtet worden ist. "Wir brauchen einen fairen Welthandel. Daran führt kein Weg vorbei", sagte Steinbichler. (Fortsetzung Nationalrat) keg