Parlamentskorrespondenz Nr. 821 vom 28.06.2017

Aufsichtsräte von großen und börsennotierten Unternehmen erhalten Frauenquote von 30%

Nationalrat beschließt außerdem raschere Rückführungsverfahren bei internationalen Kindesentführungen

Wien (PK) - Mit der Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen stimmte der Nationalrat heute für eine Frauenquote von 30% in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Das Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat stellt ein wichtiges Signal hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit dar, sagte Michaela Steinacker (V). Ein Entschließungsantrag der NEOS, der ein Maßnahmenpaket für eine Gleichstellung am gesamten Arbeitsmarkt fordert, blieb im Plenum allerdings in der Minderheit.

Quotenregelung: SPÖ, ÖVP und Grüne unterstreichen Wichtigkeit

Eine Gleichstellung von Frauen sei noch lange nicht erreicht, sagte Michaela Steinacker (V). Dass es in Aufsichtsräten derzeit nur 18% Frauenanteil gibt, mache eine Quotenregelung notwendig. Das Gesetz sieht sie als eine Folge konsequenter Frauenpolitik, es stelle ein wichtiges Signal für die Frauenpolitik dar und biete praxistaugliche Regelungen. "Ich bin eine Quotenfrau", sagte Maria Theresia Fekter (V) in Erinnerung an ihre Anfangszeit in der Politik und brach eine Lanze für Quotenregelungen. Frauen seien nicht weniger motiviert durch eine solche Regelung und Frauen, die es in Aufsichtsräte schaffen, leisten ebenso gute Arbeit. Fekter zeigte sich erfreut, dass von der Regelung nicht nur KapitalvertreterInnen, sondern auch ArbeitnehmervertreterInnen umfasst sind. Dies würde Betriebsräten viel Positives bringen.

Auch die Vertreterinnen der SPÖ zeigten sich von der Notwendigkeit einer Quotenregelung überzeugt. Gisela Wurm (S) unterstrich etwa, dass bei einem derzeitigen Frauenanteil von 18% nicht mehr auf eine Selbstregulierung gewartet werden dürfe. Als positive Vorbilder nannte sie unter anderem Deutschland, Norwegen, Italien oder Frankreich, in denen die Einführung einer Frauenquote sichtbare Erfolge brachte. Wurms Fraktionskollegin Gabriele Heinisch-Hosek (S) strich die gute Frauenpolitik der vergangenen Jahre hervor. So gibt es im öffentlichen Dienst einen Frauenanteil von 50%, acht Universitäten werden bereits von Rektorinnen geleitet. Eine Quote würde es Frauen ermöglichen, ihre Talente und Fähigkeiten zu beweisen. Zudem würde ein höherer Frauenanteil auch die Motivation bei den MitarbeiterInnen steigern.

Aygül Berivan Aslan von den Grünen stellte ebenfalls andere Länder – hier vor allem die skandinavischen - als Vorbilder in der Frauenpolitik dar. Quoten würden Macht- und Hierarchieverhältnisse ausgleichen und alle, die gegen Frauenquoten eintreten, würden auch gegen gerechte Strukturen und den Ausgleich gesellschaftlicher Schieflagen sein.

Kritik an einem verpflichtenden Frauenanteil: "Frauen werden an die Hand genommen"

Kritik kam hingegen von der FPÖ. Harald Stefan (F) sah in dem Gesetz ein "Placebo", das an den Erfordernissen der Unternehmen vorbeigehe. Unternehmen müssten am Markt bestehen und eine rechtliche Vorschreibung des Frauenanteils greife in die Unternehmer- und Vertragsfreiheiten ein. Zudem kann sich Stefan nicht vorstellen, wie diese umgesetzt werden soll, da Aktiengruppen die AufsichträtInnen einsetzen. Diesen vorzuschreiben, Frauen vorzuschlagen, gestalte sich problematisch.

Claudia Gamon (N) ortete den geringen Frauenanteil in einer strukturellen Ungleichheit, die durch das Gesetz nicht obsolet würde. Ihre Fraktionskollegin Karin Doppelbauer (N) sah dies ähnlich und sagte, dass vielmehr Männer erkennen sollten, was Frauen zum Erfolg beitragen können. Als Frau wird man nicht geboren, als Frau wird man gemacht, sagte Gamon in Anlehnung an Simone de Beauvoir. Der Staat würde Frauen an die Hand nehmen und sich ihre Position nicht selbst erarbeiten lassen. Vielmehr pochte sie darauf, eine Chancengleichheit zu schaffen, damit Frauen ihre eigenen Möglichkeiten nutzen können. Gerechtere Steuerpolitik, bessere Karenzmodelle und andere Familienkonzepte würden geeignetere Instrumente darstellen, unterstrichen Gamon und Doppelbauer. Gamon brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem sie von der Regierung ein Maßnahmenpaket zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt fordert. Sie schlägt darin unter anderem eine Attraktivierung langer Teilzeitphasen, Arbeitszeitflexibilisierung oder bessere Kinderbetreuungsangebote vor.

Marcus Franz (o.F.) konnte in der Argumentation rund um eine Frauenquote keine Logik erkennen. Vielmehr komme es zu einer Schlechterstellung von Frauen. Es handle sich bei solchen Regelungen um Sexismus, da Frauen Vorschreibungen erhalten würden und es zu einer Aburteilung komme. Einziges Argument, eine Frau einzustellen, sollte ihre Qualifikation sein, betonte Franz.

Brandstetter: Hoher Frauenanteil in Justiz wäre ohne Quote nicht möglich gewesen

Justizminister Wolfgang Brandstetter erkannte, dass das Gesetz über eine rein marktwirtschaftliche Bedeutung hinausgeht und mit ihm eine gesamtgesellschaftliche Wichtigkeit einhergeht. Im Justizressort hat er diesbezüglich viele positive Erfahrungen gemacht und der hohe Frauenanteil in seinem Ressort wäre ohne Quotenregelungen nicht erreicht worden. Bei Erarbeitung des Gesetzes seien die Regierungsparteien aufeinander zugegangen und hätten Abstand von alten Positionen genommen, strich der Minister positiv hervor.

Beschleunigte Rückführungsverfahren bei internationalen Kindesentführungen

Die Abgeordneten setzten sich in der heutigen Nationalratssitzung auch mit der Problematik internationaler Kindesentführungen auseinander. Das von SPÖ und ÖVP vorgeschlagene Kinder-Rückführungsgesetz sieht eine Beschleunigung von Rückführungsverfahren entführter Kinder vor. Mit dem Gesetz sollen im Hinblick auf das Wohl des Kindes raschere Entscheidungen getroffen und eine Entfremdung des entführten Kindes zu den zurückgelassenen Eltern verhindert werden. Im Nationalrat fand das Gesetz mehrheitliche Zustimmung.

Als einzige Fraktion stimmten die Grünen dem Gesetz nicht zu. Aygül Berivan Aslan (G) begründete dies damit, dass 70% der Rückführungsanträge von Männern nach gescheiterten Beziehungen gestellt werden, vor denen Frauen mit ihren Kindern fliehen. Im Hinblick darauf und Zivilrechtsexperten zufolge sei das Gesetz zu wenig grundrechtssensibel. Bestimmte Punkte, wie die Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung, seien im Gesetz deshalb noch zu überarbeiten, betonte Aslan, die in dem Gesetz allerdings auch positives Bemühen erkannte.

Es handle sich um eine sehr sensible Thematik, die für alle Beteiligten belastend ist, unterstich Friedrich Ofenauer (V) die Bedeutung des Gesetzes. Ihm zufolge wird das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt. So würden die Möglichkeiten der Standortbestimmungen verbessert, wobei der Standort bei entführten Kindern dem anderen Elternteil nicht bekannt gegeben wird. Auch können Rückführungen noch unterbunden werden, wenn dadurch das Wohl der Kinder gefährdet ist. Kindesentführungen sind nicht selten, sagte Elisabeth Grossmann (S), so würden jährlich 30 Rückführungsanträge an Österreich gestellt. Mit dem Gesetz handle es sich um einen Schritt in die richtige Richtung, da dadurch Mängel bei der Rückführung beseitigt werden, die von der EU aufgezeigt wurden. (Fortsetzung Nationalrat) see