Parlamentskorrespondenz Nr. 1027 vom 05.10.2017

Kurz spricht von angespannter Situation in Brexit-Verhandlungen

Bundesrat: Aktuelle Stunde über die Zukunft Europas

Wien (PK) Nach seinem gestrigen Besuch in London, wo Außenminister Sebastian Kurz u.a. mit den beiden Brexit-Chefverhandlern seitens der EU und Großbritanniens zusammengetroffen ist, informierte er heute den Bundesrat in einer Aktuellen Stunde über den Stand der Gespräche und wiederholte einmal mehr seine Pläne für die Zukunft Europas. Hinsichtlich der Brexit-Gespräche sei die Situation jedenfalls angespannt.

Die erste Verhandlungsrunde sei in der finalen Phase, um aber wie vorgesehen am 20. Oktober in die zweite Verhandlungsphase zu treten, in der es um die gemeinsame Zukunft geht, brauche es zuvor Fortschritte in der Frage, wie Großbritannien aus der EU herausgelöst werden könne. "Diesen Fortschritt gibt es noch nicht", sagte Kurz.

Er hofft auf einen Durchbruch bei den nächsten Brexit-Gesprächen am 9. Oktober. Geht es nach ihm, soll es zu keinen Bestrafungsaktionen gegenüber Großbritannien kommen und ein gutes Miteinander gefunden werden. Es gehe aber nicht, wenn das Land weiterhin Vorteile genieße, ohne seine Zahlungen auch weiterhin zu leisten. Dementsprechend müsse Klarheit darin geschaffen werden, dass Großbritannien seine finanziellen Verpflichtungen auch nach dem Brexit erfüllt.

Parallel dazu sollten die verbleibenden Mitgliedsstaaten alles tun, um die EU so zu reformieren, dass die Union stärker und handlungsfähiger wird, sagte Kurz. Er wünsche sich eine Union, die sich stärker mit großen Fragen wie die Migrations- und Währungspolitik auseinandersetzt und sich in kleinen Fragen zurücknimmt.

ÖVP: EU muss sich auf Kernkompetenzen konzentrieren

Dieses Credo wurde in der Debatte auch von den ÖVP-BundesrätInnen unterstützt. Spätestens nach der Migrationskrise 2015 und dem Brexit-Votum der Briten 2016 sei es notwendig geworden, über Änderungen in der EU zu sprechen, sagte Ernst Gödl (V/St), in Zukunft müsse sich Europa auf die Kernkompetenzen wie den Außengrenzschutz, den Klimaschutz oder die Energie- und Handelspolitik konzentrieren. Daraus resultiere Subsidiarität. Themen, die nicht Europa lösen müsse, könnten an die Nationalstaaten oder Regionen delegiert werden. "Europa muss sich auch in manchen Bereichen zurückhalten, nur dann werden die Bürger diese EU auch verstehen", sagte er. Die Trendwende sei jedenfalls bereits eingeleitet.

Dass es ein Europa braucht, das die großen Probleme löst und die kleinen Mitgliedsländern überlässt, davon sprach ebenfalls Martin Preineder (V/N). Ihre Aufgabe, Frieden zu sichern, habe die EU gut gemeistert, die weltpolitische Lage habe sich allerdings verändert. Daher gelte es, die Ziele neu zu definieren.

SPÖ: Europa muss eine Sozialunion werden

Die SPÖ-BundesrätInnen setzten sich für die EU als Sozialunion ein. Europa werde ohne dieses Standbein nicht funktionieren, sagte Stefan Schennach (S/W). Subsidiarität klinge zwar immer gut, es brauche aber insbesondere dort ein mehr an Europa, wo etwa Entsenderichtlinien nicht funktionieren und es zu Lohn- und Sozialdumping kommt. Eingefordert wurde von ihm sowie von Susanne Kurz (S/S) zudem mehr Steuergerechtigkeit in der Union. Jährlich würden der EU rund 1000 Mrd. € durch Steuertricks entgehen, was für Österreich einen Einnahmeentfall von 1,6 Mrd. € bedeute. "Die großen internationalen Konzerne tricksen und handeln zulasten der Arbeitnehmer", kritisierte Schennach. Gleichzeitig werde über die Kosten der Mindestsicherung gesprochen, die nur 1,3% des Staatsbudgets betragen würde und 325.000 Menschen davor bewahrt, in die Armut abzurutschen, bemängelte Kurz.

FPÖ: Von Trendwende in Europa nichts zu merken

In Bezug auf das Thema der Aktuellen Stunde "Trendwende in Europa: Perspektiven zur Lösung aktueller Herausforderungen von Brexit bis zur Migrationskrise", meinten die LändervertreterInnen der FPÖ, dass sie bislang keinen wesentlichen Richtungswechsel erkennen können. "Der Juncker-Plan ist keine Trendwende, sondern eine Vertiefung eines Zustandes, der jetzt schon unbefriedigend ist", meinte Monika Mühlwerth (F/W). Dass alle den Euro haben oder alle den Schengen-Raum beitreten sollen, klinge eher nach einer gefährlichen Drohung. "Die Freiheitlichen wollen weder eine Sozial- noch eine Fiskalunion", bekräftigte sie. Die Migrationskrise sei außerdem keineswegs gelöst, stimmte Hans-Jörg Jenewein (F/W) mit ihr überein. Höre man auf "wirkliche Experten", wisse man, wie viele Millionen Menschen nach Europa drängen und vor den Türen stehen, sagte er. Die EU schaffe es seit 2015 nicht, in dieser Frage mit einer Stimme zu sprechen.

Grüne sehen Europa in Katalonien-Konflikt gefordert

Auf den Konflikt um Katalonien gingen die Grünen ein und vermissten dabei insbesondere eine klare Positionierung von Außenminister Kurz. Diese unakzeptable Gewalt sei durch nichts zu rechtfertigen, unabhängig davon, was man von der katalanischen Unabhängigkeit hält, sagte Ewa Dziedzic (G/W). Aus ihrer Sicht müssen die EU aber auch Österreich eine Vermittlerrolle einnehmen, um zu einer friedlichen und demokratischen Lösung des Konflikts beizutragen. "Was sich in Katalonien abspielt, ist nicht nur eine spanische Angelegenheit", mahnte sie.

Auf Grüne Lösungsvorschläge im Migrations- und Flüchtlingsbereich ging Nicole Schreyer (G/T) ein. Fluchtursachen müssten bekämpft und Friedensprozesse unterstützt werden. Jedenfalls brauche es keine "Alibi-Aktionen" von Seiten Österreichs oder der EU. Dringend notwendig sind für die Grünen außerdem ein Stopp der Waffenexporte in Kriegs- und Krisenregionen, die Verdoppelung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und ein neues, faires EU-Asylsystem anstatt einer Festung Europa.

Bundesrat Gerald Zelina (A/N) meinte, dass die EU als Friedens- und Wirtschaftsprojekt aber auch in Hinblick auf Personenfreizügigkeit wesentlich sei. Dennoch bestehe in der Union ein Gewaltenteilungs- und Demokratiedefizitproblem. (Fortsetzung Bundesrat) keg

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