Parlamentskorrespondenz Nr. 1054 vom 12.10.2017

SPÖ stellt Dringliche Anfrage zur Kinderarmut an SPÖ-Ministerin Rendi-Wagner

Nationalrat debattiert über Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende

Wien (PK) – Der Armutsbekämpfung von Kindern und Alleinerzieherinnen galt heute im Nationalrat eine Dringliche Anfrage der SPÖ an Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner. Dieses parlamentarische Instrument als Regierungspartei an eine Ministerin der eigenen Partei zu richten, ist ein ungewöhnlicher Schritt. Thema der Anfrage war die sogenannte Unterhaltsgarantie. Für diese wurde von der SPÖ ein eigenes Modell entwickelt, das einen Ergänzungsbetrag zur Familienbeihilfe vorsieht, um den Unterhalt bis zur Höhe des Regelbedarfs eines Kindes zu garantieren. Laut AntragstellerInnen würden fehlende und geringe Unterhaltsleistungen zu finanziellen Belastungen von Alleinerziehenden führen.

Grundsätzliche Zustimmung für den Vorstoß der SPÖ kam von Seiten der Grünen und der NEOS, wobei beide eine detaillierte Ausarbeitung des Vorschlags forderten. Die NEOS brachten deshalb selbst einen Entschließungsantrag ein, um die dazu notwendigen Daten zu erheben. Die ÖVP und die Freiheitlichen brachten jeweils eigene Vorschläge ein, beim Unterhalt Änderungen vorzunehmen. Bei der Abstimmung erzielte keiner der eingebrachten Entschließungsanträge eine Mehrheit.

SPÖ sieht Zeitfenster um Alleinerziehenden zu helfen

"Es geht um die Grundbedürfnisse von Kindern und Eltern, die oft zu kurz kommen", begründete Gabriele Heinisch-Hosek (S) die Dringliche Anfrage an Bundesministerin Pamela Rendi-Wagner. Viele Entscheidungen für mehr Chancengleichheit, wie etwa das gratis Kindergartenjahr oder das Mittagessen in Ganztagsschulen, seien bereits getroffen worden. Mit einer "Unterhaltsgarantie" würde dem nun ein weiterer Puzzlestein hinzugefügt. Gerade zu Schulbeginn oder bei Schulausflügen käme es zu nötigen Ausgaben, die sich viele alleinerziehende Eltern nicht leisten könnten. Oft seien bei Ein-Eltern-Haushalten Unterhaltszahlungen und –vorschüsse nicht gewährleistet. Auch haben Unterhaltszahlungen von Elternteilen zwar einen Deckel, aber keinen Sockel, kritisierte Heinisch-Hosek. Dies zeige auf, dass das bestehende Unterhaltsrecht Lücken aufweise und daher angepasst werden müsse. Unterhalt und Unterhaltsvorschuss müssen in Hinblick darauf weiterentwickelt werden, dass es bei Zahlungsunfähigkeit oder –willigkeit zu keiner Verzögerung bei der Fortzahlung komme. Heinisch-Hosek unterstrich auch, dass das Geld nicht ins Ausland gehe, da das Modell ihrer Fraktion vorsieht, dass nur Eltern einen Unterhaltvorschuss bekommen sollen, die einen Wohnsitz in Österreich haben und deren Kinder auch im selben Haushalt leben.

Den zugehörigen Entschließungsantrag brachte Katharina Kucharowits (S) ein. Dieser sieht eine Unterhaltsgarantie vor, wonach der Staat den Unterhalt eines Kindes bis zur Höhe des Regelbedarfs sicherstellen soll. Sie begründete den Antrag damit, dass Kinder alleinerziehender Eltern doppelt so oft von Armut betroffen seien und daher Gefahr laufen ausgegrenzt zu werden. Außerdem müsse einem plötzlichen Ausbleiben des Unterhaltsflusses vorgebeugt werden, der entstehe, wenn ein Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts gestellt wird. Kucharowits fordert zudem eine Neuerhebung der Regelbedarfsgrenze für Kinder, da die entsprechende Kostenanalyse aus 1964 stamme und sich der Bedarf eines Kindes seitdem sehr stark geändert habe.

Bei der Unterhaltsgarantie gehe es darum, Alleinerziehenden und deren Kindern zu helfen, die überdurchschnittlich stark von Armut betroffen sind, erklärte Angela Lueger (S) unter Hinweis auf entsprechende Erhebungen der Statistik Austria. Die SPÖ-Mandatarin versteht dabei die Initiative ihrer Fraktion als ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Unterhaltsreform und stellte bedauernd fest, von der ÖVP und Vizekanzler Brandstetter sei gar nichts gekommen. Heute hätten wir ein Zeitfenster, das uns die Chance bietet, fast 500.000 Menschen zu helfen, bekräftigte SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm.

ÖVP will Export von Unterhaltsleistungen ins Ausland verhindern

Georg Strasser (V) bekannte sich dazu, die Armutsgefährdung bei Alleinerziehenden, aber auch bei Zwei-Eltern-Haushalten bekämpfen zu wollen. Unterschiedliche Vorschläge von FPÖ, SPÖ und ÖVP seien in diesem Bereich unternommen worden, die voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode diskutiert werden. Konkret zum im Plenum diskutierten Vorschlag der SPÖ sagte Strasser, dass dieser noch genauer geprüft werden müsse. Ob die Leistungen nicht auch ins Ausland gezahlt werden müssen, sei ebenso ungeklärt wie die Frage, ob Missbrauch möglich ist. Er kritisierte auch die fehlende Finanzierung des SPÖ-Konzepts. Es gebe Schätzungen, dass die Kosten auf 350 bis 650 Mio. € pro Jahr steigen könnten.

Michaela Steinacker bekannte sich zu einer treffsicheren Leistung für in Österreich lebende Kinder in Form eines Zuschlags zur Mindestsicherung und schlug in einem Entschließungsantrag ein Modell subsidiär zum Unterhaltsrecht und zum Unterhaltsvorschussrecht vor, das sich an der Höhe des Regelbedarfs orientiert und sicherstellt, dass für im Ausland lebende Kinder keine Leistungsansprüche bestehen. Der SPÖ-Vorschlag würde einen Export der Unterhaltsleistungen ins EU-Ausland ermöglichen und zudem in verfassungswidriger Weise armutsgefährdete Kinder in Zwei-Eltern-Familien ausschließen.

FPÖ hat kein Verständnis für Antrag drei Tage vor der Wahl

Rund 18% der österreichischen Bevölkerung seien armutsgefährdet und 3% können sich nicht alle Mittel des täglichen Bedarfs leisten, rechnete Carmen Schimanek (F) vor, die in diesem Zusammenhang von einem eklatanten Missstand sprach. Betroffen seien aber nicht nur AlleinerzieherInnen, sondern auch Familien mit mehr als zwei Kindern. Sie kritisierte, dass es für den Unterhaltsvorschuss einen vollstreckbaren Exekutionsbescheid brauche, der nur schwer oder gar nicht zu bekommen sei. Im Namen ihrer Fraktion stellte Schimanek einen Entschließungsantrag, der unter anderem eine Anpassung des Unterhaltsvorschusses im Fall von zahlungsunfähigen Schuldnern vorsieht.

Drei Tage vor der Wahl entdecke die SPÖ plötzlich die Alleinerziehenden, warf Anneliese Kitzmüller (F) ein. Dies sei umso befremdlicher, zumal die Regierungsparteien den Familienlastenausgleichsfonds immer wieder für familienfremde Leistungen missbraucht hätten. Dazu komme noch, dass über ein Jahrzehnt lang weder die Familienbeihilfe noch das Kindergeld an die Inflation angepasst worden sei, setzte ihre Fraktionskollegin Edith Mühlberghuber nach. Die einzige Partei, bei der Familien und Alleinerziehende gut aufgehoben sind, sei die FPÖ, lautete ihr Fazit.

Grüne gegen Variante über die Mindestsicherung

Der Mindestunterhalt habe im Parlament schon eine lange Geschichte, sagte Albert Steinhauser (G). Bereits 2011 sind im Justizausschuss Versuche unternommen worden, hier Anpassungen vorzunehmen. Im Wahlkampf habe die Debatte nun eine neue Dynamik bekommen, die allerdings nur eine scheinbare sei. Der Grüne Klubobmann ortete Probleme bei der Anpassung vor allem beim Föderalismus. Eine Lösung wäre eine Kindergrundsicherung, für die allerdings die Länder zuständig wären. So würde es zu unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern kommen, was einen Zuzug in Bundesländer mit besserer Unterstützung zur Folge haben könnte. Er forderte daher, dass die Sozialgesetzgebung in die Verantwortlichkeit des Bundes gelegt werde. Den Antrag der SPÖ unterstütze er zwar, erinnerte aber daran, dass es auch Kinder in Zwei-Eltern-Haushalten gebe, die armutsgefährdet sind.

Judith Schwentner (G) drängte auf eine Weiterentwicklung des Unterhaltsvorschussgesetzes und die Erstellung einer Kinderkostenanalyse. Nichts abgewinnen konnte die Sozialsprecherin der Grünen dem Vorschlag der ÖVP, den Unterhaltszuschuss an die Mindestsicherung zu koppeln, damit würde es in den Bundesländern zu unterschiedlichen Deckeln kommen und gerade Mehrkindfamilien benachteiligt werden. Im Familienverständnis der ÖVP kommen die Alleinerziehenden offensichtlich nicht vor, merkte sie zudem kritisch an.

NEOS wollen Erwerbstätigkeit der Frauen fördern

Michael Bernhard (N) kritisierte, dass in dem Antrag keine Überlegungen zur Gegenfinanzierung unternommen würden und eine Mehrkostenabschätzung fehle. Dennoch stimmten auch die NEOS für den Antrag der SPÖ, da nicht länger gewartet werden dürfe, um die Lücken beim Unterhalt zu schließen. Bernhard stellte dennoch einen weiteren Entschließungsantrag, dem zufolge die fehlenden Daten durch wissenschaftliche Daten erhoben werden sollen. Am Vorschlag der ÖVP kritisierte der NEOS-Mandatar vor allem, dass dieser nur einen Teil der Betroffenen umfasse und die Zuständigkeit bei den Bundesländern verbleibe.

Gerald Loacker führt die Armutsgefährdung auf die geringe Erwerbsquote der Alleinerziehenden zurück und will neben einer Verbesserung der Kinderbetreuung auch bei steuerlichen Anreizen ansetzen. Die Negativsteuer auf geringe Einkommen sei jedenfalls kontraproduktiv gewesen, gab er zu bedenken. Für Claudia Gamon geht es darum, Frauen die Möglichkeit zum Vollerwerb und damit zur finanziellen Unabhängigkeit zu bieten. Handlungsbedarf ortete sie etwa beim Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz sowie hinsichtlich der Ausweitung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Fraktionslose Abgeordnete üben heftige Kritik an der Familienpolitik der Regierungsparteien

Daniela Holzinger-Vogtenhuber klagte, die ÖVP habe durch ihre Blockade die Erarbeitung eines Kompromissvorschlages verhindert. Dies habe dazu geführt, dass nun drei verschiedene Anträge vorliegen. Leopold Steinbichler warf den Regierungsparteien vor, durch die Weigerung, die Familienbeihilfe an die Inflationsrate anzupassen, den Familien Kaufkraft entzogen und damit auch die regionale Wirtschaft geschädigt zu haben. An die nächste Regierung appellierte er, insgesamt eine gute Grundlage für die Familien zu schaffen. Marcus Franz wiederum meinte, man müsse die Familien stärken und dem Trend entgegenwirken, dass Frauen und Männer immer mehr zu Alleinerziehenden werden. Für die Kinder sei eine funktionierende Familie jedenfalls das Allerbeste. 

Rendi-Wagner: Unterhaltgarantie bewahrt vor Armut und Ausgrenzung

Für AlleinerzieherInnen sei es eine finanzielle Herausforderung, wenn Unterhaltszahlungen ausbleiben, unterstrich Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner. Für Kinder müssten hier die gleichen Chancen geschaffen werden, wie für jene aus Zwei-Eltern-Haushalten. Beim Unterhaltsrecht müssten daher Lücken geschlossen werden und eine Unterhaltsgarantie würde die betroffenen Familien vor Armut oder Ausgrenzung bewahren. Kinderarmut würde vor allem bei Alleinerziehenden entstehen, da diese oft zu Teilzeitarbeit gezwungen sind oder zu geringen Unterhalt geleistet wird. Daher müsse einerseits die ganztägige Kinderbetreuung vor allem auch im ländlichen Raum ausgebaut und andererseits der Unterhaltsvorschuss angepasst werden. Derzeit übernimmt der Staat den Unterhalt vom Schuldner nur, wenn dieser auch zahlungsfähig wäre und die Unterhaltshöhe auch geklärt ist. Ähnlich ihren Parteikolleginnen betonte auch Rendi-Wagner, dass der Regelbedarf eines Kindes an die heutigen Gegebenheiten angepasst und eine Neuberechnung angestellt werden müsse. An dem Vorschlag der ÖVP, einen Unterhaltszuschuss an die Mindestsicherung zu knüpfen, kritisierte die Bundesministerin, dass ein solcher Zuschuss erst gewährt werden würde, wenn bereits Armutsgefährdung besteht. Außerdem würden von dem Zuschuss zu wenige Betroffene profitieren. Der Antrag der SPÖ sehe hingegen vor, eine Unterhaltsgarantie an die Familienbeihilfe zu koppeln, wodurch sie in die Kompetenz des Bundes fallen würde und damit eine Gleichbehandlung der Bundesländer sicherstellt. Außerdem schlug Rendi-Wagner vor, beim Unterhaltsrecht nachzuschärfen, indem klarere Regelungen geschaffen werden sowie den Unterhaltsvorschuss bis zum Ausbildungsende zu verlängern. (Fortsetzung Nationalrat) hof/see