Parlamentskorrespondenz Nr. 237 vom 12.03.2018

Abfallwirtschaftsbericht: Österreich produziert laufend mehr Müll

2021 über 65 Mio. Tonnen Abfall erwartet - Müllvermeidung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

"Die Verfügbarkeit von Rohstoffen ist begrenzt" deutet das Nachhaltigkeitsministerium als Umweltressort im Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 (III-121 d.B.) die Zielsetzung der heimischen Abfallbewirtschaftung an: Ressourcenschonung mittels Abfallvermeidung, gefolgt von Recycling und sonstiger Verwertung, etwa zur Wärmeerzeugung. Die bloße Beseitigung von Müll ist die allerletzte Option. Bei der Recyclingrate liegt Österreich europaweit gleich nach Deutschland an der Spitze, besonderen Handlungsbedarf bei der Müllvermeidung sehen die AbfallexpertInnen des Ressorts noch in der Lebensmittel- und in der Baubranche. Letztendlich erfordere die nachhaltige Reduktion des Abfallaufkommens eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung.

Abfallaufkommen steigt

Im Jahr 2015 lag das Abfallaufkommen in Österreich bei rund 59,76 Mio. Tonnen (t). Davon waren 57,10 Mio. Tonnen Primärabfälle, der Rest (Sekundärabfälle) entstand durch die Behandlung dieses Mülls, etwa Aschen aus der Abfallverbrennung. Der Anstieg der Primärabfälle um 10,4% seit dem Vergleichsjahr 2009 mit 51,72 Mio. t ergab sich dem Ministerium zufolge vor allem aus den steigenden Mengen an Aushubmaterialien und anderen Faktoren des Bauwesens. Ebenfalls eine Steigerung - 6,8% - gab es beim Hausmüll (4,16 Mio. t), bei getrennt gesammelten Altstoffen und bei biogenen Abfällen. Gesunken ist dagegen das Sperrmüllaufkommen in den letzten Jahren.

Prognosen auf Grundlage der erwarteten Entwicklung des Bruttosozialprodukts und des Bevölkerungswachstums sagen für 2021 ein Gesamtabfallvolumen von rund 65,1 Mio. t voraus. Mehr Abfallbehandlungsanlagen werden der Einschätzung des Ministeriums zufolge deswegen aber nicht automatisch nötig sein. Rund 2.500 Anlagen gibt es derzeit in Österreich, davon sind 999 Deponien, 420 Behandlungsanlagen für Baurestmassen, 401 Kompositierungsanlagen und 152 Biogasanlagen.

Insgesamt bietet der gut 600 Seiten umfassende Bericht zum Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 einen detaillierten Einblick in die österreichische Abfallwirtschaft. Das Umweltministerium beschreibt in diesem Nachschlagewerk nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Abfallentsorgung und liefert eine Bestandsaufnahme von Abfallströmen bzw. –aufkommen, sondern leitet daraus auch konkrete Maßnahmen, Strategien und Programme zur Abfallvermeidung, -beseitigung und –wiederverwendung ab. Angestrebt werden damit Ressourcenschonung, Umweltschutz und Schadstoffminimierung.

Fortschritte bei der Abfallvermeidung

Laut Abfallwirtschaftsbericht wurden in Österreich im Berichtszeitraum seit 2011 vor allem bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen Fortschritte erzielt. Gleiches gilt im Re-use, also der Weitergabe von gebrauchsfähigen Gegenständen, die man selbst nicht mehr benötigt. Dennoch sieht das Umweltministerium noch Handlungsbedarf bei der Reduktion von Lebensmittelverschwendung, die bis 2030 um die Hälfte zurückgehen soll. Als eine der zahlreichen Maßnahmen dazu wird ein Gütesiegel für Unternehmen, die Lebensmittel an soziale Einrichtungen weitergeben, vorgeschlagen. Private Haushalte, Landwirtschaft, Betriebe und Bildungseinrichtungen sollen verstärkt mit Informationskampagnen erreicht werden. Dabei geht es unter anderem um die Genussfähigkeit von Lebensmitteln nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums.

Weiterhin Informationsmangel besteht laut Ministerium auch bei der Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden und dem Urban Mining, bei dem menschengemachte Rohstofflagerstätten, etwa Elektroschrot, identifiziert werden. Im Fokus stehen zudem die Vermeidung von Baurestmassen und die Entwicklung langlebigerer, reparaturfähiger und leichter wiedernutzbarer Produkte mit niedrigem Schadstoffgehalt. 

Klärschlamm: Mikroplastik versus Phosphor

Einen Rückgang um 1,8% seit 2014 gab es beim kommunalen Klärschlamm, der in Kläranlagen vom Abwasser abgetrennt wird, auf 234.900 t im Jahr 2015. Als potentielles Sammelbecken für Mikroplastik ist Klärschlamm höchstwahrscheinlich mitverantwortlich für die Plastikverschmutzung der Meere. Um eine Mikroplastik-Verbreitung hintanzuhalten, betonen die ExpertInnen, der Handhabung des Klärschlamms sei besonderes Augenmerk zu widmen. Für die Düngung in der Landwirtschaft ist belasteter Klärschlamm nicht geeignet, obwohl der im Klärschlamm enthaltene Rohstoff Phosphor wichtiger Bestandteil von Düngemitteln ist. Zu über 50% werden kommunale Klärschlämme verbrannt.

Da Mikroplastik bei der Herstellung alltäglicher Produkte wie Kosmetika, Waschmittel oder Farben eingesetzt wird, propagiert das Umweltressort schon seit Jahren eine europaweite Zurückdrängung seiner Verwendung. Zwecks Reduktion der umweltschädlichen Kunststoffteilchen rät das Ministerium zu verantwortungsvollem Produktdesign und bewusstem Konsum.

Recycling und seine Grenzen

Obwohl Österreich dank einer hohen Recyclingrate von Hausmüll nach Ansicht des Ministeriums über eine fortschrittliche Abfallbewirtschaftung verfügt, werden in den nächsten Jahren noch Steigerungen beim Recycling von Verpackungsabfällen, Altautos und Elektrogeräten nötig sein. Mehr Anstrengungen brauche es auch beim nachhaltigen Phosphorrecycling aus Klärschlämmen und Tiermehl. Im Bericht wird allerdings hervorgehoben, man könne nicht sämtliche Abfallströme einem wiederholten Recycling zuführen. Um deren Ressourcenpotential dennoch zu nutzen, setzt man auf Abfallverbrennung. So verwenden schon viele österreichische Industriebetriebe aufbereitete Abfallmaterialien in beträchtlichem Ausmaß als Brennstoffsubstitut. Neben den ökologischen Vorteilen dieser Herangehensweise, wie der Zerstörung organischer Schadstoffe und der Reduktion klimaschädlicher Emissionen, werden dadurch Kosten eingespart und die Importabhängigkeit Österreichs bei den Primärenergieträgern wird verringert.

Ungeachtet dessen nennt das Nachhaltigkeitsministerium die Deponierung von Abfällen einen unverzichtbaren Bestandteil der Abfallbewirtschaftung, gerade wenn der Output einer Abfallbehandlungsanlage nicht für eine Rückführung in den Produktkreislauf geeignet ist. Limitiert wird die Möglichkeit zum Recycling beispielweise bei Holz, wenn das Material mit Holzschutzmitteln behandelt wurde. Bei Kunststoff erschwert zumeist dessen Zusammensetzung aus vielfältigen Stoffen ein hochwertiges Recycling, das ja Sortenreinheit als entscheidendes Kriterium hat. Bei der Verarbeitung von Kunststoffabfällen kommt es somit häufig zum Zielkonflikt Ressourcenschonung versus Vermeidung von Schadstoffverschleppungen. Die Heterogenität von Kunststoffen sowie ihre unterschiedlichen, zum Teil schädlichen Additive und Zuschlagsstoffe sprechen oft gegen ein Recycling, weswegen nur rund ein Viertel der Kunststoffabfälle stofflich verwertet wird.

EU will Kreislaufwirtschaft forcieren

Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen mahnt das Nachhaltigkeitsministerium, bei deren Nutzung die Erneuerungskapazität der Umwelt nicht zu überschreiten. Aus diesem Grund hat die Europäische Union ebenfalls vor, durch eine ressourcen- und energieeffiziente Wirtschaftsweise ein nachhaltiges und wettbewerbsfähiges Wirtschaftssystem zu verwirklichen. Wirtschaftswachstum soll mit sinkendem Ressourcenverbrauch und möglichst wenig Schaden für die Umwelt einhergehen. Die EU-Strategie für Abfallvermeidung und –recycling und der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft sind daraufhin ausgerichtet. Die Abfallwirtschaft allein kann die Umsetzung einer Ressourcennutzung, die über den Lebenszyklus eines Produkts hinausgeht, allerdings nicht bewältigen, wird in ihrem aktuellen Bericht unterstrichen. Gesellschaft und Wirtschaft sind hier ebenso gefordert. Öko-Design, gemeinschaftliche Nutzung und Reparaturinitiativen führen die AutorInnen des Berichts als notwendige Schritte in Richtung Paradigmenwechsel bei Produktion und Konsum an. Zudem sei eine stärkere Vernetzung der Produktionsbetriebe mit der Abfallwirtschaft nötig. (Schluss) rei