Parlamentskorrespondenz Nr. 272 vom 15.03.2018

Bures: 1848 ist ein wichtiger Teil der österreichischen Demokratiegeschichte

Präsentation des Buches von Wolfgang Häusler zu Revolutionen und demokratischer Entwicklung in Österreich von 1789 bis 1918

Wien (PK) - Durch die temporäre Übersiedlung in die Hofburg befindet sich das Parlament in räumlicher Nähe zu wichtigen Schauplätzen der Märzrevolution von 1848. Das erste Parlament auf österreichischem Boden tagte nur wenige Meter entfernt von seinem aktuellen Standort, in der Winterreitschule der Hofburg. Auf diesen räumlichen Zusammenhang wies die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures gestern Abend anlässlich der Vorstellung eines neuen Buches des Historikers Wolfgang Häusler hin. Mit "Ideen können nicht erschossen werden. Revolution und Demokratie in Österreich 1789-1848–1918" zeichnet der Emeritus des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung wichtige Stationen der Entwicklung der demokratischen Idee in Österreich nach.

Das Gedenken an das Revolutionsjahr 1848 werde oft von anderen Anlässen überdeckt, sagte Bures. Das Werk, das Häusler verfasst hat, erlaube einen neuen Blick auf die Ereignisse dieses Jahres und zeige, wie BürgerInnen, ArbeiterInnen und BäuerInnen erstmals ihre Rechte einforderten und für die Verbesserung ihrer jeweiligen Situation eintraten. Nicht vergessen werden dürften dabei die Frauen, die in Österreich damals für ihr Recht auf politische Partizipation kämpften. 1848 habe entscheidende politische Transformationen und damit einen Epochenwechsel eingeleitet und bilde einen wichtigen Teil der österreichischen Demokratiegeschichte.

Erinnerung an die Wurzeln der Demokratie in Österreich

Matthias Opis (Verlegerischer Geschäftsführer des Molden Verlags) erinnerte daran, dass die österreichische Bundesverfassung mit zwei heute als völlig selbstverständlich hingenommenen Aussagen beginnt, nämlich, dass Österreich eine demokratische Republik ist und dass deren Recht vom Volk ausgeht. Wie Häusler in seinem Buch aufzeigt, formulieren diese kurzen Sätze das Ergebnis eines langen, von Kämpfen begleiteten historischen Prozesses. Die Besonderheit des von Häusler gewählten Zuganges sei, dass er uns an die Revolutionäre, Denker und Visionäre erinnere, welche die Formulierung der Verfassung von 1920 erst ermöglicht haben. Er richte den Blick insbesondere auf die vielen Vergessenen, welche die demokratische Bewegung trugen, auf die Unterdrückten, die Verfolgten und die Widerständigen. Sein Buch sei damit ein exemplarisches Beispiel demokratischer Erinnerungskultur.

In den Mittelpunkt der Podiumsdiskussion mit dem Autor stellte der Journalist und Historiker Raimund Löw die Frage, welches Erbe 1848 der österreichischen Demokratie hinterlassen hat. Erinnerungsorte an die Märzrevolution seien oft versteckt und unscheinbar. Löw verwies auch auf die derzeit oft thematisierte Krise der Demokratie und der Europäischen Union. Er wollte auch wissen, wie weit die Sehnsucht nach einem autoritären Führungsstil tatsächlich eine Gefährdung der Demokratie darstelle.

Der Titel seines Buches, "Ideen können nicht erschossen werden", gehe auf einen Ausruf des Philosophen und Publizisten Hermann Jellinek vor seiner Hinrichtung 1848 zurück, erläuterte Häusler. Darin zeige sich, dass die österreichische Demokratiegeschichte im 19. Jahrhunderts in weiten Teilen eine Geschichte der Repression und des Scheiterns war. Revolutionen müssten jedoch nicht als punktuelle Ereignisse, sondern als langer Prozess verstanden werden, sagte Häusler. Die langfristige Durchsetzung der Programme der Revolutionäre konnte auch in Österreich nicht verhindert werden, trotz aller Versuche, auch die Erinnerung an sie auszulöschen. Die revolutionäre Bewegung 1848/49 habe mit dem Grundrechtekatalog von 1848 ein wesentliches Erbe hinterlassen, auf das auch 1918/19 wieder zurückgegriffen wurde.

Die Historikerin, Autorin und Filmemacherin Helene Maimann erinnerte daran, dass das Gedenken an die "Märzgefallenen", also die Menschen, die den blutigen Repressionen des Revolutionsjahres 1848 zum Opfer gefallen sind, Jahrzehnte lang eine mobilisierende Wirkung für die demokratische Bewegung in Europa hatte. Der Aufstieg nationalistischer Bewegungen habe später die Erinnerung an diesen gemeinsamen Kampf für die Demokratie verschüttet. Sie sieht die aktuelle Tendenz einer Renationalisierung der Politik mit Sorge und vermisst eine internationale Bewegung für Demokratie.

Sylvia Kritzinger (Universitätsprofessorin am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien) meinte, nach ihren Beobachtungen seien die Demokratien zumindest in Westeuropa sehr stabil. Umfragen zeigen regelmäßig eine sehr große Zufriedenheit mit der Demokratie als Staatsform. Grund zu Optimismus ist für sie auch die Haltung der jüngeren Generation. Unter jungen WählerInnen sei der Wunsch nach einer so genannten "starken politischen Führungspersönlichkeit in der Regierung" deutlich weniger verbreitet, als im Durschnitt der Wählerschaft. In Europa sei seit längerem eine Wellenbewegung zu verzeichnen. Immer wieder werde versucht, Wahlkämpfe mit dem Motto einer Renationalisierung politischer Entscheidungen zu gewinnen. Immer wieder setze sich aber auch die Erkenntnis durch, dass viele Fragen gar nicht mehr allein auf nationaler Ebene gelöst werden können. (Schluss) sox

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