Parlamentskorrespondenz Nr. 297 vom 21.03.2018

Nationalrat startet Aufruf zu humanitärer Hilfe für Afrin

Fraktionen bemängeln Stillschweigen Europas; NEOS-Forderung für Expertenrat während des Brexit abgelehnt

Wien (PK) - In einem überparteilichen Auftrag an die Regierung starteten heute im Nationalrat alle Parlamentsfraktionen einen Hilfeaufruf für die Zivilbevölkerung in der nordsyrischen und unter kurdischer Führung stehenden Region Afrin, in der es seit geraumer Zeit zu schweren Angriffen durch türkische Streitkräfte kommt. Die Regierung soll sich mit aller Kraft für einen Waffenstillstand und den Schutz sowie die Versorgung der Zivilbevölkerung in der Region einsetzen, so der Appell.

Afrin sei seit Jahrhunderten eine Stadt mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit gewesen, die Türkei spreche entgegen allen Fakten und Daten von einer Befreiung der Region, kritisierte Reinhold Lopatka (ÖVP) das Vorgehen unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Wenn etwas den Namen Fake News verdient, dann diese Darstellung", sagte er, rund 150.000 Kurden seien in der Region auf der Flucht. Nicht klar sei zudem, wie es anderen Minderheiten wie den Christen, Jesiden oder Aleviten ergehe, die bisher friedlich zusammengelebt hätten. Bisher sei die Türkei ein Land gewesen, das mit Milliarden-Unterstützung der EU Flüchtlinge aufgenommen habe, nun würde es selbst ein Flüchtlingselend verursachen.

Neben Lopatka ist auch für Andreas Schieder sowie Nurten Yılmaz (beide SPÖ) bedauerlich, dass das von Europa "ziemlich stillschweigend" und ohne "Gegenaktion" hingenommen werde. "Hoffentlich wird die EU in Zukunft hier lauter reagieren als bisher", so Lopatka. Europa habe dabei zugesehen, wie die Türkei ein Land nicht nur in den Krieg geführt, sondern auch erobert habe, sagte Schieder. Als zutiefst schade bezeichnete er zudem, dass Verhandlungen mit der Türkei v.a. im Hinblick auf ökonomische Gründe diskutiert werden. Viel wichtiger sei es, in Menschenrechtsfragen Klartext mit dem "Regime-Erdogan" zu sprechen. "An der Tür zu Europa darf es dieses menschenrechtsfeindliche, brutale, zynische Vorgehen nicht geben", so Schieder. Es brauche breites diplomatisches Handeln, um Stabilität zu schaffen, auch im Interesse Europas.

Einen zusätzlichen Appell für eine aktive Friedenspolitik in der kurdischen Region richtete Yilmaz an Außenministerin Karin Kneissl. Solange einige Länder Europas an diesem Krieg Geld verdienen, werde es zu keiner Befriedung des Krieges kommen und schwer werden, den Menschen zu helfen. "In dieser Region wird Europa reich", kritisierte Yilmaz.

Unabhängiger Expertenrat während des Brexit

Keine Zustimmung bekam der Vorschlag der NEOS, während des Brexit einen unabhängigen Expertenrat einzurichten. Der Oppositionsfraktion geht es darum, eine transparente, regelmäßige  und öffentlich geführte Debatte über die Auswirkungen des Brexit in Österreich zu ermöglichen. "Das wäre ein Beitrag zu einem aktiven Parlamentarismus", bekräftigte Claudia Gamon (NEOS) ihre Forderung. Es gehe darum, auch die Öffentlichkeit über den Brexit zu informieren, um klar zu machen, was es für BürgerInnen heißt, wenn ein Land aus der Union austritt. Dass es u.a. eine Brexit-Task-Force der Regierung für diese Fragen gibt, ist ihr als Abgeordnete des Parlaments zu wenig. Auch das Argument, dass die analytische Phase in den Verhandlungen bereits abgeschlossen seien, ließ sie nicht gelten. 

Für Roman Haider (FPÖ) ist der NEOS-Vorschlag überholt. ExpertInnen gebe es u.a. in der Brexit-Task-Force der Regierung. Außerdem würde das Außenministerium den Verhandlungsfortschritt aufmerksam verfolgen und den Auswirkungen für österreichischen StaatsbürgerInnen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Grundsätzlich sei der Austritt der Briten aus der EU ein schwerer Schlag für das gemeinsame Europa, meinte Nikolaus Berlakovich (ÖVP), vor allem bedeute er angesichts neuer Player auf der globalen Bühne eine politische Schwächung Europas. Nun müssten die richtigen Schlüsse gezogen sowie überlegt werden, wie die Union gestärkt werden kann. Die EU müsse jedenfalls gegenüber Großbritannien konsequent bleiben. Es könne nicht sein, dass ein Land austritt und die Rechte behalte, die Verpflichtungen aber abgeben könne. Für ihn gibt es kein Rosinen-Picken, zumal die Beispielwirkung für andere Länder mit Austrittsgedanken fatal wäre.

Der Brexit sei ein gutes Beispiel, wie Populismus, Verantwortungslosigkeit und dummes Regieren eine Kettenreaktion auslösen, die ganz Europa schadet, sagte Jörg Leichtfried (SPÖ). Er habe die Hoffnung gehegt, dass die österreichische Regierung verantwortungsvoll mit dieser Herausforderung umgeht. Widersprüche in den eigenen Reihen zu möglichen höheren Beitragszahlungen Österreichs in das EU-Budget würden etwas anderes zeigen. "Ich weiß nicht, was diese Regierung will", bemängelte er. (Fortsetzung Nationalrat) keg