Parlamentskorrespondenz Nr. 460 vom 25.04.2018

Perspektiven einer umfassenden Baukultur in Österreich in den kommenden Jahrzehnten

Dritter Baukulturreport des Bundes formuliert strategische Leitgedanken zu positiver Baukultur

Wien (PK) – Wie die beiden Vorgängerberichte formuliert der nun vom Kulturminister vorgelegte Dritte Österreichische Baukulturreport strategische Leitgedanken für die Zukunft der österreichischen Baukultur (III-126 d.B.). Die AutorInnen der "Plattform Baukulturpolitik" nehmen diesmal aber eine andere Perspektive ein. Statt einer Rückschau und Bewertung bisheriger Entwicklungen stellen sie unter dem Titel "Szenarien und Strategien 2050" mögliche Zukunftsszenarien vor, die sich aus aktuellen politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Strömungen ergeben könnten. Um die mit vielen ExpertInnen gemeinsam erarbeiteten Szenarien in konsistenten Gesamterzählungen präsentieren zu können, wurden vier Politikfelder gewählt, die Einfluss auf den Einsatz und die Verteilung von Ressourcen haben, nämlich "Landschaft als Ressource", "Stadt und Region", "Wohnbau" sowie "Öffentlicher Sektor".

Bei den auf diese Weise entwickelten Erzählungen handle es sich nicht um Prognosen, wie das Vorwort des Beirats für Baukultur im Bundeskanzleramt betont. Vielmehr präsentiere man zugespitzte Szenarien, um "Diskussionen über wünschenswerte Zukünfte anzuregen". Aus den vielen denkbaren Szenarien greift der Report drei heraus, die einen hohen Grad an Plausibilität beanspruchen können, und die unter den Begriffen "global", "integral" und "national" stehen. Jede dieser Perspektiven würde nach Einschätzung der ExpertInnen einen anderen Umgang mit der Baukultur und dem baukulturellen Erbe bedingen.

Am Ende dieser Diskussionen stehen damit auch keine detaillierten Empfehlungen, sondern fünf strategische Leitgedanken für politisches Handeln. Dieses orientieren sich am Zeithorizont des Jahres 2050 und darüber hinaus. Der Baukulturreport soll damit politische AkteurInnen dabei unterstützen, heute Maßnahmen für eine Baukultur zu setzen, die sich vor diesem Horizont bewährt.

Bewusstsein für Baukultur entwickeln und geeignete Strukturen fördern

Bewusstseinsbildung ist Thema der ersten der fünf strategischen Leitlinien für Baukultur. Eine positive Entwicklung der Baukultur setze voraus, dass eine breite Öffentlichkeit und auch die befassten EntscheidungsträgerInnen eine Vorstellung über Möglichkeiten und Probleme, Grenzen und Potenziale, Einflüsse und Effekte von Baukultur und ihren Zusammenhängen mit anderen sozialen, politischen und kulturellen Bereichen besitzen. Baukultur sei als Querschnittsmaterie durch die Ressorts und über die Ebenen der Gebietskörperschaften hinsichtlich der Zuständigkeit zersplittert. Zur Bündelung, Stabilisierung und Verankerung eines baukulturellen Bewusstseins in Österreich wäre daher die Einrichtung einer unabhängigen, koordinierenden Agentur für Baukultur mit den zentralen Tätigkeitsbereichen Beratung, Vermittlung, Förderung vordringlich.

Gemeinwohl stärken

Baukultur müsse auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein, auf den Ausgleich von Einzel- und Gruppeninteressen, mit denen der Allgemeinheit gedient wird. In Bezug auf Baukultur bedeute das etwa den leistbaren Zugang zu Wohnraum, Sicherung von Ressourcen wie Grund und Boden, die Verfügbarkeit von öffentlichem Raum, den Schutz des baukulturellen Erbes und des Orts- und Landschaftsbildes, aber auch umfassende, demokratische Teilhabe. Speziell die Formulierung und Handhabe baukulturspezifischer Vorgaben, allen voran der Raum- und Bauordnungen, müsse immer dem öffentlichen Interesse verpflichtet sein.

Ganzheitlich, langfristig und innovativ planen

Als weiterer wesentlicher Teil der Baukultur wird die Planungskultur gesehen. Diese wirke sich einerseits unmittelbar auf die materiellen Resultate der Baukultur, also auf gebaute Architektur und auf gestaltete Freiräume aus und andererseits auf die nachfolgenden Prozesse der Nutzung, des Betriebs, der Veränderung und Erneuerung aus. Es sei deshalb sinnvoll und notwendig, Zukunftsfähigkeit in und durch Planungskultur weiterzuentwickeln, etwa durch Koordination und Abstimmung, Partizipation und Kooperation, Kompetenz und Innovation, Problembewusstsein und Vernetzung.

Flächen und andere Ressourcen mit Bedacht nutzen

Gute Baukultur gehe maßvoll mit der Landschaft und dem Boden, mit bestehenden Gebäuden, mit Energie und Rohstoffen um. Ressourcenschonung durch Baukultur konkretisiere sich dabei vor allem in einer Stärkung öffentlichen Interesses in der Planungspraxis. Dazu bestehe bereits ein reichhaltiges Instrumentarium für Innenentwicklung und Leerstandsmanagement, Baulandmobilisierung, aktive Bodenpolitik und Kostenwahrheit im Verkehr usw. Dieses müsse jedoch konsequent eingesetzt werden. Die Raumordnung soll Teil der räumlichen Gemeinwohlvorsorge sein.

Öffentliche Mittel an Qualitätskriterien knüpfen

Parallel zur angestrebten planungspolitischen Rahmenkompetenz des Bundes wären laut der Studie auch gezielte finanzpolitische Maßnahmen zu ergreifen, um drängenden Problemen, etwa in der Siedlungs- oder Verkehrsentwicklung, zeitnah und effektiv begegnen zu können. Das bedeute, raumwirksame Steuern, Abgaben, Transferzahlungen und Förderungen so umzugestalten, dass sie die bundespolitischen Baukultur-, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele befördern. Allem voran gelte es dabei, die Zahlungen des Bundes an die Länder und Gemeinden im Rahmen des bis dato "raumblinden Finanzausgleichs" an die Erfüllung quantifizierbarer und somit evaluierbarer Qualitätskriterien zu binden. (Schluss) sox

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