Parlamentskorrespondenz Nr. 654 vom 08.06.2018

Parlament: TOP im Nationalrat am 14. Juni 2018

EU-Erklärung, SchülerInnenparlament, temporäre Freigaben von Pannenstreifen

Wien (PK) – Das Plenum am Donnerstag steht im Zeichen des bevorstehenden EU-Ratsvorsitzes Österreichs. Gleich zu Beginn wird es dazu eine Erklärung der Regierung geben. Beschlossen werden soll dann u.a. die gesetzliche Verankerung des SchülerInnenparlaments sowie die temporäre Freigaben von Pannenstreifen auf hochbelasteten Autobahnabschnitten. Am Programm stehen auch eine Reihe an Oppositionsforderungen. Darin geht es etwa um den Ganztagsschulausbau bis 2025, eine Schulfinanzierung nach sozialen Kriterien, die Einführung eines Pflichtfachs "Ethik und Religion" sowie mehr Lohntransparenz.

EU-Erklärung

Im Vorfeld des österreichischen Ratsvorsitzes ab 1. Juli hält die Regierung eine Erklärung ab. Sprechen werden voraussichtlich Bundeskanzler Sebastian Kurz und Verkehrsminister Norbert Hofer. In einer anschließenden Debatte werden die Abgeordneten über die Europapolitik der Regierung und das Vorsitz-Programm diskutieren.

SchülerInnenparlament wird gesetzlich verankert

Das SchülerInnenparlament wird gesetzlich verankert. Außerdem können Berichte der BundesschülerInnenvertretung künftig im Nationalrat diskutiert werden. Die Initiative wird von allen Parlamentsfraktionen unterstützt und kommt von ÖVP, FPÖ und den NEOS. Die SPÖ hätte sich noch weitreichendere Maßnahmen gewünscht, wie etwa die Verankerung von SchülerInnenparlamenten direkt an den Schulstandorten sowie die Etablierung eines Pflichtfachs "Politische Bildung" ab der ersten Sekundarstufe.

Deutschkenntnisse: Nachweis für LehrerInnen soll einfacher werden

LehrerInnen an Privatschulen sollen künftig nicht mehr unbedingt ein Sprachzertifikat vorlegen müssen, um die erforderliche Sprachkompetenz zu belegen. Von der Nachweispflicht generell ausnehmen will man Lehrkräfte, die als Native Speaker an Internationalen Schulen unterrichten. Ein Nachweis, Deutsch auf C1-Niveau zu beherrschen, lasse sich bereits aus Reifeprüfungszeugnissen oder Studienabschlüssen mit der Unterrichtssprache Deutsch ablesen, so die Argumentation im Regierungsantrag.

Ganztagsschulausbau bis 2025

Um die qualitätsvolle ganztägige Betreuung an Schulen sorgt sich die SPÖ. In einem Antrag fordert sie Bildungsminister Heinz Faßmann auf, am vorgesehenen Zeitrahmen für den Ganztagsschulausbau bis 2025 nichts zu ändern. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern in ganztägigen Schulformen sollte sich laut Plan der Vorgängerregierung von 20% auf 40% erhöhen. Sowohl SchülerInnen als auch deren Eltern würden davon profitieren, argumentiert die Oppositionsfraktion mit Chancengleichheit und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie erhielt für ihren Versuch, eine Verzögerung des Komplettausbaus abzuwenden, im Unterrichtsausschuss aber nur Zustimmung von den beiden anderen Oppositionsparteien.

Evaluierung der Digitalisierungsstrategie

Die SPÖ setzt sich in einem Antrag zur Digitalisierungsstrategie "Schule 4.0" für ein weiteres von ihr angestoßenes Projekt ein, das ohne Verzögerung umgesetzt und ausreichend finanziert werden müsse. Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen bräuchten SchülerInnen wie LehrerInnen mehr Unterstützung zum Kompetenzerwerb in diesem Bereich. ÖVP und FPÖ wollen die Digitalisierungsstrategie, die sich gerade in Umsetzung befindet, bis Ende 2018 evaluieren lassen. Gerade hinsichtlich der Finanzierung bestünden vielfach noch Unsicherheiten.

Schulfinanzierung nach sozialen Kriterien

Für die Finanzierung der Schulen fordern die NEOS ein Zusatzbudget von insgesamt 500 Mio. €, das an Schulstandorte nach sozialen Kriterien verteilt werden soll, um besonders an den AHS die soziale Durchmischung zu fördern. Die pinke Fraktion wird damit klein Glück im Plenum haben. Neben den finanziellen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung dieses Vorschlags meinte Unterrichtsminister Heinz Faßmann, dass die Segregation nicht erst an den Schulen beginne, sondern meist am Wohnort. Ohne den Sinn einer Indexierung der Mittel ausgerichtet nach den Bedürfnissen des jeweiligen Standorts völlig zu negieren, nahm er im Ausschuss in puncto Durchmischung auch die Länder und Gemeinden in die Pflicht.

Integrationsstiftung zur Förderung der Qualität

Für eine Integrationsstiftung nach dem Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung machen sich die NEOS stark. Ziel dieser 2019 einzurichtenden Stiftung wäre die Unterstützung von innovativen Integrationsinitiativen und -projekten, die dort gebündelt und gefördert würden. Die NEOS versprechen sich von ihrem Vorstoß neue Impulse zur Umsetzung und Vernetzung von Pionier- und Modellprojekten der schulischen Integration. Ihr Antrag wandert in den Außenpolitischen Ausschuss.

Pflichtfach "Ethik und Religion"

Kein Glück im Plenum wird ein zweiter NEOS-Antrag haben, der auf die Einführung eines Pflichtfachs namens "Ethik und Religion" abzielt. Ab der ersten Schulstufe sollten Kinder und Jugendliche dabei die Grundsätze einer pluralistischen, offenen und demokratischen Gesellschaft vermittelt bekommen und ihr Wissen über verschiedene Religionen erweitern. Der konfessionelle Religionsunterricht soll damit aber nicht aus den Schulen verbannt werden.

EU-Jahresvorschau 2018 für den Sozialbereich                   

Auch wenn der Bereich Soziales eine Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten darstellt, so versucht die EU dennoch im Sinne der Sozialen Säule der EU soziale Rechte der EU-BürgerInnen zu stärken. So berichtet Bundesministerin Beate Hartinger-Klein unter anderem über EU-Pläne zur Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer sowie zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde, die jedoch in ihrer Ausformung in Österreich noch auf einige Kritik stößt. Zudem plant die EU die Trinkwasser-Richtlinie zu überarbeiten. Im Sozialausschuss betonte die Ministerin, dass ihr das Thema sozialer Schutz für ArbeitnehmerInnen und Selbständige im Zusammenhang mit Digitalisierung und neuen Arbeitsformen wichtig ist.

Rechtsanspruch auf Altersteilzeit

Wenig Aussicht auf Erfolg hat die SPÖ mit ihrem Antrag zur Schaffung eines Rechtsanspruches auf Altersteilzeit in Betrieben mit mehr als zehn MitarbeiterInnen. Die SozialdemokratInnen begründen ihren Vorstoß damit, dass das körperliche Bedürfnis, früher als derzeit möglich die Arbeitszeit vor der Pension zu reduzieren, zu berücksichtigen sei. Mit der derzeitigen Regelung aber zwinge man Menschen früher in die Pension. Die Regierung will aber nicht vom jetzigen Modell abgehen, das auf Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beruht. Die Sozialministerin selbst hat im Ausschuss vor gravierenden Problemen gewarnt. Die NEOS sehen vor allem die geblockte Altersteilzeit als problematisch an.

Mehr Einkommenstransparenz

Eine kontroverse Debatte ist auch zur Initiative der SPÖ nach umfassender innerbetrieblicher Gehaltstransparenz zu erwarten. Um mehr Lohngerechtigkeit zu erreichen, fordern die SozialdemokratInnen unter anderem, allen Beschäftigten eines Unternehmens umfassenden Einblick in Gehaltslisten zu gewähren. Zudem drängen sie auf eine Ausweitung der Einkommensberichte und weitere Vorgaben für Stellenausschreibungen. Seitens der ÖVP wurde eingewendet, dass die Einkommensberichte schon jetzt kaum geeignet seien, um tatsächlich vergleichbare Daten über Einkommen zu liefern. Eine weitere Ausweitung würde nur den Verwaltungsaufwand der Unternehmen erhöhen. Zudem sei die Forderung mit den nun verschärften Datenschutzbestimmungen wohl schwer vereinbar.

Weiterführung der Ausbildungsgarantie bis 25

Noch unter der rot-schwarzen Regierung hat das Parlament eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 beschlossen. Für Personen, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, bietet das AMS seit Anfang 2017 spezielle Um- und Nachqualifizierungsmaßnahmen an. Die SPÖ fürchtet nun, dass dieses Programm Ende 2018 auslaufen wird, da für 2019 keine Mittel mehr budgetiert seien. Die Oppositionsfraktion will daher die Ministerin explizit auffordern, das Programm weiter zu finanzieren. Im Ausschuss erhielten die SozialdemokratInnen dafür jedoch keine ausreichende Unterstützung.

Temporäre Freigaben von Pannenstreifen auf hochbelasteten Autobahnabschnitten

Die temporäre Freigabe von Pannenstreifen auf hoch frequentierten Autobahnabschnitten während der Spitzenzeiten, wie sie die vorliegende Novelle zur Straßenverkehrsordnung vorsieht, stößt auf Widerstand. SPÖ und NEOS halten dies für eine populistische Maßnahme, die wenig bringe. Zudem gebe es in Österreich zu wenige Pannenstreifen, die so gut ausgebaut seien, dass eine solche Regelung überhaupt sinnvoll eingesetzt werden könne. Die Befürworter – ÖVP, FPÖ und Liste Pilz - argumentieren, man hoffe damit, Staus zu verringern und die Verkehrssicherheit zu steigern. Die temporäre Pannenstreifenfreigabe werde bereits in Deutschland, England, den Niederlanden und der Schweiz als schnell umsetzbare Maßnahme zur Kapazitätserweiterung des hochrangigen Straßennetzes genutzt. Verkehrsminister Norbert Hofer stellte im Ausschuss klar, dass die Regelung nur für Hotspots gedacht sei. Keinesfalls wolle man Pannenstreifen generell freigeben oder gar abschaffen.

Gefahrgutbeförderungsgesetz wird aktualisiert

Voraussichtlich ohne Gegenstimme wird die Novelle zum Gefahrgutbeförderungsgesetz das Plenum passieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Bestimmungen in der Luftfahrt, wo durch eine EU-Verordnung Änderungen in Bezug auf die gewerbliche und nichtgewerbliche Beförderung gefährlicher Güter eingetreten sind. Ergänzende inhaltliche Änderungen beruhen laut Aussage des Verkehrsministeriums auf den Erfahrungen mit dessen Anwendung seitens betroffener Wirtschaftskreise und Behörden. Es werden Klarstellungen in der Definition von Fahrzeugen vorgenommen, eine Frist für die Jahresberichte von Gefahrgutbeauftragten festgelegt sowie eine Ermächtigung des Verteidigungsministeriums zur Ausbildung seines eigenen Personals für den Seeversand geschaffen. Neu geregelt werden auch Schulungen im Bereich der Luftfahrt und die Pflichten und Befugnisse bei Inspektionen und Vorfalluntersuchungen im Flugverkehr. Außerdem sollen die Strafbestimmungen für private EmpfängerInnen gefährlicher Güter eingeschränkt vorgenommen werden.

Gültigkeit für digitale Vignetten

Aller Voraussicht nach wird sich der Justizausschuss mit dem Antrag der NEOS beschäftigen, die auf eine rasche Gültigkeit von digitalen Vignetten drängen. Sie soll sofort nach dem Kauf genutzt werden können. Aufgrund des derzeit geltenden Rücktrittsrechts beim Kauf von Online-Produkten kann die digitale Vignette erst 18 Tage nach Kauf ihre Gültigkeit erhalten. Deshalb sollte der Kauf digitaler Vignetten in die Liste jener Fälle aufgenommen werden, für die diese Bestimmung des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (FAGG) nicht gilt. Verkehrsminister Norbert Hofer informierte den Ausschuss, dass er mit Justizminister Josef Moser zu diesem Anliegen bereits Kontakt aufgenommen habe. Die derzeitige Regelung beruhe auf einer EU-Verordnung, er hofft, dass es bald eine Lösung auf europäischer Ebene gibt. Dem folgend, empfiehlt der Verkehrsausschuss, die Diskussion im Justizausschuss fortzusetzen.

Radverkehrs in der StVO

Kaum Chancen auf Erfolg hat der Vorstoß der Liste Pilz zur Entrümpelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) von Regelungen, die RadfahrerInnen benachteiligen. Ein konkretes Beispiel einer überholten Regelung ist laut Antrag eine Stelle in § 68 Abs. 3a StVO, wo RadfahrerInnen für die Annäherung an ungeregelte Kreuzungen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h vorgeschrieben wird. Dagegen wurde im Ausschuss argumentiert, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen für RadfahrerInnen an Kreuzungen im Sinne eines guten Auskommens aller VerkehrsteilnehmerInnen sehr wohl sinnvoll seien. Gerade wenn man den Radverkehr fördern wolle, müsse es wie für andere auch für ihn Regeln geben. (Schluss TOP im Nationalrat) keg/jan