Parlamentskorrespondenz Nr. 864 vom 12.07.2018

Wissenschaftsminister Faßmann: Österreich ist ein Forschungsland

Bundesrat richtet Aufmerksamkeit auf Hochschulfinanzierung

Wien (PK) – Wissenschafts- und Bildungsminister Heinz Faßmann erhielt heute Lob und Tadel in der Bundesratssitzung. Dabei waren nicht die öffentlich breit diskutierten Deutschförderklassen Thema der Aktuellen Stunde mit den Bundesrätinnen und Bundesräten, sondern die Vorhaben Österreichs in der Wissenschaftspolitik. "Wissenschaftsstandort Österreich im Jahr der Leistungsvereinbarungsverhandlungen und der Ratspräsidentschaft", lautete der Titel der Debatte, in der Regierungsfraktionen und Opposition immerhin in einem Punkt übereinstimmten: Wissen sei das größte Kapital für die Republik. SPÖ und Grüne warfen Faßmann aber vor, mit Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren die soziale Trennung im Hochschulbereich zu vergrößern, ÖVP und FPÖ sehen die Hochschulpolitik hingegen auf dem richtigen Weg. Die Regierung sorge für bessere Studienbedingungen und mehr Gerechtigkeit an den Universitäten.

Hintergrund der Diskussion waren die ab September 2018 startenden Verhandlungen mit den Universitäten über die Leistungsvereinbarungen bis 2021, für die der Bund ab 2019 gemäß der neuen Universitätsfinanzierung die finanzielle Basis zur Verfügung stellt. Bundesminister Faßmann zufolge werden in den kommenden drei Jahren insgesamt 11. Mrd. € an die Universitäten ausgeschüttet, mehr Geld denn je. Damit zeige sich, "Österreich ist ein Forschungsland".

ÖVP: Hochschulfinanzierung rentiert sich

"Universitäten bringen viel mehr Steuergeld, als sie kosten", erklärte Doris Schulz (ÖVP/O), denn Wissen sei der wichtigste Produktionsfaktor für ein Land wie Österreich, dem es an Bodenschätzen fehle. Gleichermaßen bedeutsam wertet die Oberösterreicherin ein gutes Bildungssystem für die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Mit der Universitätsfinanzierung neu von 11 Mrd. € für die kommenden drei Jahre, gepaart mit einem Qualitätsmanagement, das auf eine Verbesserung der Betreuungsrelationen abziele, erhielten die Wissenschaften eine sichere Grundlage. Am Beispiel der Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU), wo gezielt Forschung über Digitalisierung in der Arbeitswelt betrieben werde, beschrieb Schulz die Weiterentwicklung der Universitäten. In den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) strebe die JKU eine Steigerung der Studierendenzahl um 25% bis 2021 an, wofür 60 Mio. € zusätzlich benötigt würden. In diesem Zusammenhang hob die Bundesrätin auch die Bedeutung von Drittmitteln für den Forschungsbereich hervor, die über Kooperationen mit der Wirtschaft generiert würden.

Die internationale Ausrichtung des Bildungswesens ist Karl Bader (ÖVP/N) wichtig, für die Persönlichkeitsentwicklung des oder der Einzelnen sowie für das Funktionieren einer Gesellschaft. Ebenso müsse der Zugang zur Bildung gerecht ermöglicht werden. Die Regierung werde daher den Universitäten mehr Mittel zur Verfügung stellen und Beteiligungen an Forschungsprogrammen forcieren. Anhand der Donauuniversität Krems und des Austrian Institute of Technology zeige Niederösterreich bereits, so Bader, wie der wissenschaftlichen Aufschwung gelingen kann.

FPÖ: Investitionen müssen Entwicklungen Rechnung tragen

Als Botschafter der Montanuniversität Leoben trat Gerd Krusche (FPÖ/St) auf, als er auf die Leistungsvereinbarungen 2019 bis 2021 einging. An der Montanuni habe man die von der Universität zu erbringenden Leistungen klar definiert, lobte er. Als Leitbild diene dabei der Forschungsschwerpunkt entlang der Wertschöpfungskette, was von der Universität auch öffentlich kommuniziert werde. Weiters enthielten die Leistungsvereinbarungen mit Messgrößen unterlegte Ziele. Das aktuelle Universitätsbudget vom Bund wiederum gebe erweiterten Spielraum für neue Projekte.

Von der Geschichte der Wissenschaften und –orte, sprich den Universitäten, zog Reinhard Pisec (FPÖ/W) den Kreis zur innerbetrieblichen Forschung bzw. zum sogenannten Digital Turn. Damals wie heute gelte, "Die Lehre und Wissenschaft sind frei", hinsichtlich Digitalisierung gebe es in Österreich aber noch Nachholbedarf. Konkret forderte er mehr digitale Archive bei öffentlichen Bibliotheken ein, denn Buchverlage würden aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten kaum Forschungstexte junger WissenschafterInnen publizieren. Nicht außer Acht gelassen werden dürfe im 21. Jahrhundert auch die Forschung in Betrieben, deren Erfolg sich anhand der vergebenen Patente sehen lasse, verdeutlichte Pisec. "Der innovative Unternehmer muss forschen", Erfindungen seien allerdings Eigentumsrechte, weswegen man Plagiate in die Schranken zu weisen habe.

SPÖ: Hochschulpolitik treibt soziale Schichten auseinander

Ein klares Bekenntnis zur höheren Studienfinanzierung legte Doris Hahn (SPÖ/N) ab und erinnerte, die Mittelsteigerung sei auf Betreiben der SPÖ schon in der letzten Gesetzgebungsperiode beschlossen worden. Großer Kritikpunkt der SPÖ an der aktuellen Universitätspolitik seien allerdings die Zugangsbeschränkungen bei bestimmten Studien, urgierte Hahn außerdem einen gebührenfreien Hochschulzugang zwecks besserer sozialer Durchmischung. Durch die aktuelle Unipolitik sei ein deutlicher Rückgang Studierender beziehungsweise ein verstärkter Zustrom zu nicht zugangsbeschränkten Studienrichtungen zu erwarten. Über die gesamte Leistungsvereinbarungsperiode hinweg würden 20.000 Studienplätze weniger zur Verfügung stehen, vermutete die Bundesrätin, zumal sozial schwache Studierende kaum unterstützt würden. Gleichermaßen mangle es an Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Studium und Beruf. Berufstätige Studierende hätten nun Studiengebühren zu zahlen, "das ist eine absolute Katastrophe aus unserer Sicht". Immerhin liege Österreich im OSZE-Vergleich aufgrund schlechter Studienbedingungen bei Studienabschlüssen weit hinten.

An der Elementarpädagogik machte Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) ihren Appell fest, für gut ausgebildete WissenschafterInnen und Fachkräfte zur sorgen. Grundlage dafür bilde der Forschungsdrang von Kindern, den es mit entsprechender Förderung an den Kindergärten zu erhalten gelte. Speziell Mädchen sollten dabei die MINT-Fächer näher gebracht werden. Bei der Bildung von Kindern dürfe nicht gespart werden, rügte Gruber-Pruner die Regierung, 30 Mio. € weniger für die Elementarbildung vorgesehen zu haben.

Grüne: Regierung kippt freien Hochschulzugang

David Stögmüller (Grüne/O) zeigte sich zwar erfreut über die Mittelerhöhung für die Universitäten, die nicht zuletzt auf Nachdruck der Grünen erfolgt sei. Er vermisst aber eine längerfristigen Absicherung des tertiären Bildungsbereichs, der unter chronischer Unterfinanzierung und schlechten Betreuungsverhältnissen leide. Obwohl Österreichs Akademikerquote im internationalen Schlussfeld liege, biete die Regierung keine entsprechenden Gegenmaßnahmen, gerade hinsichtlich sozialer Durchlässigkeit. Durch die Leistungsvereinbarung hätte man eine "Kehrtwende" einlegen können, meinte Stögmüller, hin zur Stärkung der Grundlagenforschung, der internationalen Sichtbarkeit heimischer Universitäten sowie zur Förderung von Gender-und Diversitymaßnahmen. Die kapazitätsorientierte Ausrichtung der Hochschulfinanzierung ist in seinen Augen falsch, denn motivierte Studierende würden durch Studiengebühren zusätzlich belastet, die soziale Selektion gefördert. Faßmann richtete er aus: "Sie werden damit eine der größten Errungenschaften zerstören, den freien Hochschulzugang".

Faßmann: Österreichs Hochschulwesen besser als sein Ruf

Besonders an SPÖ und Grüne gewandt unterstrich Bundesminister Faßmann die Bedeutung von Chancengerechtigkeit in seiner Bildungspolitik. An den Volksschulen erhielten die Kinder eine solide Grundlage für den weiteren Bildungsweg, berufsbildende Schulen und das duale Ausbildungswesen förderten das Hineinwachsen in das Arbeitsleben – nicht zuletzt für Jugendliche mit Migrationshintergrund, und die Gymnasien,"die vergleichsweise billig sind", sorgten für ausgezeichnet ausgebildete AbsolventInnen. Bei der Elementarpädagogik könne der Bund nur Anregungen geben, liege doch die Zuständigkeit bei den Ländern. An Fachhochschulen und Universitäten sehe man jedenfalls, wie gut die Wissenschaft in Österreich aufgestellt ist, betonte der Minister. Seit 2005 seien die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf 2,3% des BIP gesteigert worden, ein Drittel komme von der Öffentlichen Hand, der Rest von der Wirtschaft. "Wir sind viel besser, als unser Selbstbild es erscheinen lässt".

Vorhaltungen der Opposition, dass etwa die Grundlagenforschung "ausgetrocknet wird", träfen nicht zu, so Faßmann. "Ich bin für das Renovieren, wo es notwendig ist", abreißen dürfe man das bestehende Bildungswesen aber keinesfalls. Stögmüllers Vorwürfe wies Faßmann entschieden zurück, würden doch im europäischen Vergleich auch nicht-universitäre Abschlüsse von höheren Schulen zur Akademikerquote dazugerechnet. Nach jahrelangen Vorarbeiten sei die Unifinanzierung neu beschlossen worden und führe zur einer nie dagewesenen Steigerung der Gelder: "Es ist das höchste Budget aller Zeiten", freute sich Faßmann. Darauf könne man stolz sein. Im Zusammenhang mit der neuen Systematik der Unifinanzierung erfolge der legistische Schlussstein mit der Universitätsfinanzierunsverordnung, die den finanzielle Rahmen für Universitäten anhand von Indikatoren festsetze. Die Hochschulen müssten dabei strategische Schwerpunkte angeben, um die Studien bestmöglich zu gestalten.

Darüber hinaus gebe es einen Paradigmenwechsel, der Standesgrenzen innerhalb der Universitäten aufbreche, erläuterte Faßmann die Neuregelung der universitären Personalstruktur, mit der Übergänge von Assistenzstellen zu Professuren erleichtert würden. Auch dies fördere die soziale Mobilität. "Wir brauchen insgesamt einen wachen Blick für das Bildungssystem", sodass Verbesserungen dort erfolgen, wo sie notwendig sind. Zur österreichischen Ratspräsidentschaft sagte Faßmann, er wolle dazu beitragen, das Erasmusprogramm inklusiver und internationaler zu machen, auch in Bezug auf Lehrlinge. Die Europäische Kommission habe angekündigt, das Erasmusbudget im nächsten Finanzrahmen auf 30 Mrd. € aufzustocken, ein Vorhaben, das wirkungsvoller sei als jedes PR-Programm für die Europäische Union. Gleichermaßen begrüßte der Wissenschaftsminister die angestrebte Mittelsteigerung für das EU-Forschungsprogramm "Horizon Europe" um 30%, wodurch große Fragestellungen wie der Kampf gegen Krebs oder Demenz intensiver bearbeitet werden könnten. (Fortsetzung Bundesrat) rei


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