Parlamentskorrespondenz Nr. 191 vom 27.02.2019

Familienbeihilfe für Krisenpflegeeltern wird neu geregelt

Familienzeitbonus auch bei Krankenhausaufenthalt von Kindern; Antrag der Fraktion JETZT zur Väterkarenz abgelehnt

Wien (PK) - Krisenpflegepersonen sollen weiterhin Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe haben. Dies sieht ein Initiativantrag der Regierungsparteien vor, der in der heutigen Nationalratssitzung mehrheitlich beschlossen wurde. Anlass für die Änderungen im Familienlastenausgleichsgesetz, im Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie im Familienzeitbonusgesetz gab die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH), wonach Krisenpflegepersonen keine Eltern im Sinne des § 184 ABGB sind. Folglich sah das Gericht keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gegeben. Zudem wurde in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien bestätigt, dass Krisenpflege immer nur vorübergehend ist, also – unabhängig davon, wie lange das Kind betreut wird – nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Kind vorliegt, weshalb auch aus diesem Grund kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bestehe. Das werde nun repariert, erklärten die Abgeordneten der Koalition, da festgelegt werde, dass eine Krisenpflegeperson Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat, wenn das Kind mindestens 91 Tage durchgehend in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft betreut wird. Durch eine entsprechende Anpassung im Familienlastenausgleichsgesetz wird auch der Anspruch auf Familienbeihilfe sichergestellt.

Eine weitere Änderung betrifft den Familienzeitbonus, der ausnahmsweise auch dann gewährt werden soll, wenn aufgrund des medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalts des Kindes (etwa bei "Frühchen") kein gemeinsamer Haushalt mit den Eltern vorliegt. Voraussetzung dafür ist, dass der Vater sowie die Mutter jeweils im Durchschnitt mindestens 4 Stunden täglich das Kind persönlich pflegen und betreuen.

Neben den Abgeordneten der Koalition stimmten auch die NEOS den vorgesehenen Regelungen zu. Die NEOS würden aber gerne einen Anspruch ab dem ersten Tag der Pflege sehen. Ein Abänderungs- und ein Entschließungsantrag in diesem Sinne fanden aber keine Mehrheit. Von Seiten der SPÖ und der Liste JETZT wurde der Vorschlag der Regierungsparteien mit dem Argument abgelehnt, man wünsche eine weiterreichende Lösung, die einen klaren Rechtsanspruch für alle Krisenpflegeeltern schafft. Die SPÖ brachte einen Abänderungsantrag ein, um ihre Vorstellungen zu unterstreichen, und forderte in einem Entschließungsantrag einen Rechtsanspruch auf den "Papamonat". Beide SPÖ-Anträge wurden abgelehnt. Ebenso erging es einem Entschließungsantrag der Fraktion JETZT auf Kindergeld für Krisenpflegeeltern ab dem ersten Tag.

Mehrheitlich abgelehnt wurde ein Antrag der Fraktion JETZT, die fordert, dass es möglich sein soll, direkt im Anschluss an den "Papamonat" einen Väterkarenzurlaub in Anspruch zu nehmen. Diese Initiative fand nur die Zustimmung von Seiten der SPÖ und wurde somit abgelehnt. Auch ein Entschließungsantrag, mit der JETZT im Plenum einen allgemeinen Rechtsanspruch auf Familienzeit fordert, wurde abgelehnt.

Anspruch für Krisenpflegeeltern auf Kinderbetreuungsgeld wird wiederhergestellt

Enttäuscht zeigte sich Birgit Silvia Sandler (SPÖ) über die nun geplante Regelung. Entgegen dem, was angekündigt worden sei, werde auch weiter der Großteil der Krisenpflegeeltern keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben. Darin drücke sich eine Geringschätzung der wichtigen Arbeit dieser Personen aus, meinte Sandler. Dabei gebe es aus ihrer Sicht sehr wohl rechtliche Voraussetzungen für einen Bezug. Um dem bereits jetzt Rechnung zu tragen, brachte sie einen Abänderungsantrag ihrer Fraktion ein. Damit will die SPÖ erreichen, dass Krisenpflegeeltern auf jeden Fall Kinderbetreuungsgeld erhalten, unabhängig von der Dauer des Betreuungsverhältnisses. Auch die Regelung des Familienzeitbonus im Falle von längeren Krankenhausaufenthalten ist aus Sicht von Sandler nicht praktikabel, ihr Abänderungsantrag zielt daher darauf ab, die Inanspruchnahme der Familienzeit bei Krankenhausaufenthalten des Kindes sicherzustellen.

Die Debatte sei sehr bedauerlich verlaufen, sagte Christian Kovacevic (SPÖ). Die Reparatur des Gesetzes hätte weit schneller erfolgen sollen und was nun auf dem Tisch liege, sei zu wenig. Die Chance, einen Anspruch ab dem ersten Tag zu schaffen, sei nicht genützt worden. Krisenpflegeeltern übten jedoch eine besondere Tätigkeit aus. Zu argumentieren, man behandle sie wie alle anderen Eltern, gehe daher am Kern der Sache vorbei. Auch die Regelung für Krankenhausaufenthalte sei nicht praxistauglich. Melanie Erasim (SPÖ) forderte ebenso mit Nachdruck Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegeeltern ab dem ersten Tag und nannte die von der Familienministerin vorgelegte Regelung eine "Verhöhnung der Krisenpflegeeltern". Sie vermisst eine Reihe wichtiger Maßnahmen zur Unterstützung von Familien und AlleinerzieherInnen.    

Die Väterkarenz dürfe kein Privileg des öffentlichen Dienstes sein, sagte Robert Laimer (SPÖ). Im Sinne einer zeitgemäßen Familienpolitik sollten alle Väter einen Rechtsanspruch auf einen "Papamonat" erhalten. Vor allem in der Privatwirtschaft sei das Recht auf gemeinsame Familienzeit noch nicht sichergestellt. In einem Entschließungsantrag forderte er daher als ersten Schritt einen Rechtsanspruch auf einen "Papamonat" für alle Väter inklusive Kündigungsschutz.

Die von den Koalitionsparteien vorgesehenen Änderungen seien nicht ausreichend, sondern bedeute für die Mehrzahl der Krisenpflegeeltern, dass sie auch weiterhin kein Kinderbetreuungsgeld erhalten werden, obwohl man anderes versprochen habe, kritisierte auch Wolfgang Zinggl (JETZT). Er brachte daher Entschließungsantrag seiner Fraktionskollegin Daniela Holzinger-Vogtenhuber ein mit der Forderung, für Krisen- und Kurzzeitpflegeeltern einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ab dem ersten Tag der Betreuung zu schaffen.  

Die Arbeit der Krisenpflegeeltern werde sehr hoch geschätzt, sagte Norbert Sieber (ÖVP). Mit der nun getroffenen Regelung habe man sichergestellt, dass auch weiterhin alle Pflegepersonen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, so wie vor dem Urteil das Kinderbetreuungsgeld erhalten. Niemand werde daher etwas verlieren. Allerdings habe man bei den definierten Voraussetzungen für den Bezug Verbesserungsbedarf erkannt. Die 91 Tage der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sollen aber evaluiert werden, damit drücke die Koalition guten Willen aus, weitere Verbesserungen für Krisenpflegeeltern zu erreichen.

Das Geld für Krisenpflegeeltern sei nicht gekürzt, sondern der bisher bestehende Anspruch abgesichert worden, zeigte sich Gudrun Kugler (ÖVP) zufrieden. Seitens der SPÖ verbreite man Unwahrheiten und versuche, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Krisenpflegeeltern müssten selbstverständlich unterstützt werden, zudem gebe es zu wenige von ihnen. Kugler sah die notwendige Kompetenz dafür bei den Ländern. Die Vorschläge der Opposition hält sie für nicht zielführend, für sachliche Lösungen stehe man aber bereit. Auch Johanna Jachs (ÖVP) teilte diese Sichtweise und argumentierte, eine Verkürzung der Zeitdauer für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nur für Krisenpflegeeltern würde eine Ungleichbehandlung herstellen und wäre rechtlich nicht haltbar.   

Positiv sah Edith Mühlberghuber (FPÖ) die nun gefundene Regelung. Niemand werde dadurch etwas weggenommen, vielmehr werde genau jener Zustand wiederhergestellt, der vor dem Urteil des OGH bestand. Dieser Anspruch bestehe zudem rückwirkend, niemand verliere also Ansprüche. Die Arbeit von Krisenpflegeeltern sei sehr wichtig, diese würden daher auch von den Ländern unterstützt, auch von Seite des Bundes wolle man diese Tätigkeit entsprechend absichern.

Nur 200 Familien in Österreich würden derzeit die wichtige Arbeit als Krisenpflegepersonen übernehmen, hielt Michael Bernhard (NEOS) fest. Rund 140 davon hätten in der Regel die Kinder weniger als 91 Tage und damit keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Krisenpflegeeltern seien jedoch für die Kinder- und Jugendhilfe in Österreich unerlässlich. Der Reparatur, die notwendig sei, stimme man zwar zu, sie reiche aus Sicht der NEOS aber noch nicht aus. Er brachte daher einen Abänderungsantrag ein, wonach eine Krisenpflegeperson unabhängig davon, dass nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Krisenpflegekind vorliegt, Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das Kind erhalten soll. Bernhard unterstrich diese Forderung noch mit einem Entschließungsantrag, in dem er von der Bundesregierung fordert, eine ausreichende finanzielle Unterstützung von Krisen- und Kurzzeitpflegeeltern, unabhängig von der Dauer des Betreuungsverhältnisses, sicherzustellen. Sowohl der Abänderungs- als auch der Entschließungsantrag der NEOS fanden keine Mehrheit.

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß betonte, ihr sei es ein Anliegen, dass Kinder in Krisensituationen entsprechend betreut und versorgt werden. Krisenpflegeeltern übernehmen für einige Wochen die Verantwortung für Kinder, die besondere Unterstützung brauchen. Sie waren bisher aber keine Eltern im Sinne des Gesetzes, wie der OGH festgestellt habe. Da aber die Arbeit der Krisenpflegeeltern sehr wichtig ist, habe man sie nun anderen Eltern gleichgestellt. Die Anpassung erfolge rückwirkend, damit erhalten alle Eltern, die ein Kind länger als 90 Tage betreuen, Kinderbetreuungsgeld. Die Reparatur entspreche damit der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht. Aufgrund der besonderen Leistung unterstütze man diese Familien von Seiten der Länder mit zusätzlichen Leistungen.

Eine weitere Reparatur habe man beim Familienzeitbonus vorgenommen. Auch für Fälle, in denen Frühchen einen längeren Spitalsaufenthalt benötigen, wurde nun die Möglichkeit geschaffen, dass der Vater in diesem Fall ebenfalls den Familienzeitbonus in Anspruch nehmen kann. Was die Forderung nach einem allgemeinen Rechtsanspruch auf einen "Papamonat" betrifft, so zeigte sie sich skeptisch, dass dieser die entsprechende Wirkung entfalten werde. Die Entwicklung der Väterkarenz mache deutlich, dass ein grundlegendes gesellschaftliches Umdenken stattfinden müsse, was die Väterbeteiligung an der Erziehungsarbeit betrifft.

Väterkarenz: Vorstoß der Fraktion JETZT findet keine Mehrheit

Nicht durchsetzen konnte sich die Fraktion JETZT mit dem Wunsch nach einer gesetzlichen Regelung, die ermöglichen soll, Väterkarenz auch im Anschluss an den Familienzeitbonus in Anspruch zu nehmen. Bruno Rossmann (JETZT) bedauerte, dass der Antrag seiner Fraktionskollegin Daniela Holzinger-Vogtenhuber abgelehnt wurde. Die Diskussion um den "Papamonat" habe zuletzt Fahrt aufgenommen, für ihn sei nicht nachvollziehbar, warum die ÖVP hier immer wieder bremse und auf Interessen der Wirtschaft verweise. Derzeit sei eine Richtlinie der EU geplant, die einen europaweiten Vaterschaftsurlaub von 10 Tagen vorsehe. Österreich sollte hier eine Vorreiterrolle spielen, forderte der Abgeordnete und brachte einen Entschließungsantrag ein, einen Rechtsanspruch auf Familienzeit samt Kündigungsschutz von einem Monat zu schaffen.

Unterstützung des Anliegens kam von SPÖ-Abgeordneter Eva Maria Holzleitner. Die Väterbeteiligung an der Familienarbeit müsste gestärkt werden und die Devise lauten "Ganze Männer machen Halbe-Halbe". Bisher gehe nur etwa ein Fünftel der Väter in Karenz, was auch mit der deutlichen Einkommensschere in Österreich zu tun habe. Die aktuelle Politik lasse leider kein Anzeichen dafür erkennen, dass sich hier etwas ändern werde.  

Gegen den Antrag sprachen sich Angelika Kuss-Bergner (ÖVP) und Carmen Schimanek (FPÖ) aus. Kuss-Bergner meinte, Rechtsansprüche alleine würden noch nicht die gewünschten Wirkungen nach sich ziehen. Ein modernes Familienbild brauche ein gesellschaftliches Umdenken. Die Familienministerin unterstütze Maßnahmen für eine höhere Väterbeteiligung. Der Familienzeitbonus oder "Papamonat" sei eine positive Bereicherung für Familien, betonte Schimanek. Eine höhere Väterbeteiligung sei jedenfalls wünschenswert. Der Antrag der Liste JETZT sei jedoch unnötig, da die bestehende Regelung ausreichend sei.       

Michael Bernhard (NEOS) sah die Problematik, dass die Familienpolitik viele Maßnahmen vorsehe, die unterdessen schwer überschaubar seien. Der Antrag der Fraktion JETZT verweise zwar auf ein wichtiges Problem, der Lösungsansatz sei aber nicht richtig gewählt. Die NEOS seien der Überzeugung, dass ein Individualanspruch für jeden Elternteil von 18 Monaten, der nicht gegenseitig übertragbar sei, der richtige Weg wäre. In Schweden funktioniere dieses Modell sehr gut. Auch Österreich sollte bei den Familienleistungen einen grundsätzlich neuen Weg beschreiten. (Fortsetzung Nationalrat) sox