Parlamentskorrespondenz Nr. 485 vom 07.05.2019

Rechnungshof vermisst gesamtstaatliche Verkehrsplanung

Verkehrsminister Hofer sichert im Rechnungshofausschuss massiven Ausbau der Schiene zu

Wien (PK) – Rund 15,2 Mrd. € kostete der Ausbau des hochrangigen Verkehrsnetzes zwischen 2011 und 2015. Das fand der Rechnungshof (RH) bei seiner letzten Überprüfung (III-157 d.B .) zu Strategien, Planung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes heraus. Trotz der hohen Kosten zeitigten die gesetzten Maßnahmen aber häufig nicht die erhofften Erfolge, vor allem hinsichtlich einer besseren Vernetzung diverser Verkehrsträger wie Schiene und Straße. Grundsätzlich habe eine gesamthafte Planung gefehlt, so die Kritik des Kontrollorgans, die heute im Rechnungshofausschuss des Nationalrats erneuert wurde. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker mahnte vom Verkehrsministerium einen "gesamtstaatlichen Blick" bei Ausbauvorhaben ein und urgierte, dass tatsächlich nur jene Verbindungen in das hochrangigen Netz aufgenommen werden, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Positiv wertete sie in diesem Zusammenhang die in Angriff genommene regelmäßige Aktualisierung der Österreichischen Verkehrsprognose zur gesamtstaatlichen Einschätzung der Mobilitätsanforderungen. Den diesbezüglichen Rechnungshofbericht nahmen die Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis.

Hofer will Transit auf der Straße verteuern

Eine Anpassung der Verkehrsprognose werde künftig alle drei bis fünf Jahre erfolgen, bekräftige Verkehrsminister Norbert Hofer im Ausschuss die Bedeutung einer strategischen Steuerung der hochrangigen Verkehrsplanung. Für den Schienenverkehr biete wiederum das "Zielnetz 2025+", die Ausbaustrategie für die Entwicklung der Bahninfrastruktur, eine "zweckmäßige Systematik". Insgesamt vollführe man jedoch bei der gesamthaften Verkehrsplanung eine "Gratwanderung" zwischen bestehendem Bedarf und der Möglichkeit, durch Verkehrsanbindungen Regionen zu beleben. Ein klares Bekenntnis legte Hofer im Gespräch mit den Abgeordneten zur Dekarbonisierung des Verkehrs ab. Bis 2030 sollten 85% des Personen- und Güterverkehrs CO2-neutral sein, bis 2050 wolle man 100% erreichen. In diesem Zusammenhang prüfe sein Haus derzeit europarechtskonforme Möglichkeiten, den Straßentransit durch Österreich teurer und somit weniger attraktiv zu gestalten, so Hofer. Zur Diskussion stünden zwei Varianten, eine kilometerabhängige Maut und eine Erhöhung der Mautgebühr. Daraus resultierende Mehreinnahmen könnten von der ASFINAG sodann zur Dekarbonisierung des Verkehrs genutzt werden, etwa durch die Errichtung neuer E-Tankstellen.

Außerdem treibe man die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene intensiv voran, verdeutlichte Hofer. Jährlich würden etwa 2,5 Mrd. € in die Erweiterung der Schienenkapazitäten investiert, sagte er mit Verweis auf die sogenannten TEN-V-Leitlinien der EU zum Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. Das Ziel, bis 2025 den Güterverkehr zu 40% auf der Schiene durchzuführen, sollte mit einer ausgebauten Infrastruktur erreichbar sein.

Internationale Verkehrskooperationen oft "Bohren harter Bretter"

In Bezug auf den Schienenverkehr hielt Hofer grundsätzlich fest, gemeinsam mit der Schweiz sei Österreich hier europaweit ein Vorbild. Der Koralmtunnel etwa werde die Fahrzeit von Wien nach Klagenfurt und Graz deutlich verkürzen, wodurch ähnlich wie auf der Weststrecke die Bahn im Vergleich zum Auto das schnellere Transportmittel darstelle. Kostentechnisch setze man beim Koralmtunnelbau auf einen jährlich erneuerten Rahmenplan, wobei ein Tunnelbauprojekt immer Unsicherheiten, gerade in Bezug auf die Gesteinsverhältnisse, einkalkulieren müsse. In Bezug auf den Karawankentunnel habe Österreich "alles getan, um das Projekt zügig umzusetzen". Nun liege es an der slowenischen Justiz, Bauverzögerungen in ihrem Land aufgrund von Klagen gegen die erfolgten Ausschreibungen zu beenden. Abhängig von den politischen Gegebenheiten sei auch bei gemeinsamen Straßenprojekten die Kooperation mit Nachbarländern oft ein "Bohren harter Bretter".

Die internationale Dimension der Verkehrsplanung sprachen mehrere Abgeordnete in der Ausschussdebatte an. So thematisierte die Kärntnerin Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ) Probleme beim Bau des Karawanken-Tunnels auf slowenischer Seite, ihre ParteikollegInnen Philip Kucher und Karin Kreiner hinterfragten die Kostenplanung beim Koralmtunnel. Für die NEOS plädierte Ausschussvorsitzende Irmgard Griss, bei grenzüberschreitenden Straßenprojekten für ausreichend Abstimmung mit dem jeweiligen Nachbarland zu sorgen. Darüber hinaus warb sie für eine verstärkte Einbindung der Öffentlichkeit bei Änderungen im hochrangigen Straßennetz. Hermann Gahr (ÖVP) erkundigte sich nach der Reaktion des Ministeriums auf Kritik von Umweltorganisationen an den Strategischen Prüfungen, die seit 2005 bei Vorhaben zur hochrangigen Netzveränderung mit beträchtlicher Auswirkung auf die Umwelt vorgeschrieben sind. Laut Rechnungshof sind unter anderem Schnellstraßenprojekte selbst dann umgesetzt worden, wenn sich im Prüfverfahren bessere Alternativen ergeben hätten. Auf Nachfrage von JETZT-Abgeordnetem Wolfgang Zinggl erläuterte Rechnungshofpräsidentin Kraker, wirtschaftlich günstigere Alternativlösungen seien beispielsweise regionale Umfahrungen gewesen.

Verkehrsminister Hofer betonte im Zusammenhang mit den Strategischen Prüfungen, wichtig sei dabei eine unbürokratische Abwicklung zur Vermeidung von Planungsverzögerungen, die sich häufig negativ auf die technische Umsetzung auswirken. Ungeachtet dessen verliefen alle Verfahrensschritte gemäß der EU-Richtlinie zur strategischen Umweltplanung im Verkehrsbereich. Gerald Hauser (FPÖ) hob zudem hervor, das Ministerium habe die Rechnungshofempfehlung, die Österreichische Verkehrsprognose regelmäßig zu aktualisieren, umgesetzt. Neben dem Ausbau der Südstrecke strebt Minister Hofer auch eine Verbesserung des Schienenverkehrs mit China an. Anvisiert würden deswegen entsprechende Breitspurverbindungen.

Kosten teilweise in die Zukunft verschoben

Tatsächlich hat Österreich in den letzten Jahren mehr in die Schiene als in die Straße investiert.

Aus den Erhebungen des Rechnungshofs zur Finanzierung des hochrangigen Verkehrsnetzes von 2011 bis 2015 geht hervor, dass die ASFINAG rund 3,8 Mrd. € für Ausbau und Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes erhielt. Rund 11,3 Mrd. € gingen an das Schienennetz der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), rund 56 Mio. € wurden für die vier österreichischen Wasserstraßen aufgewendet.

Während die ASFINAG die Ausbau- und Erhaltungsarbeiten an Autobahnen und Schnellstraßen vorrangig durch Mautgebühren finanzierte, nutzte das Verkehrsministerium für Investitionen in das Schienennetz größtenteils das Budget. Dabei wurden seit 2007 über ein Modell von Annuitätenzuschüssen Zahlungen für bereits getätigte Investitionen in die Zukunft verschoben, per 31. Dezember 2016 rund 40 Mrd. €. Laut Rechnungshof ergab sich dadurch eine Belastung künftiger Bundesbudgets sowie eine Einschränkung bei der Investitionsplanung für die Zukunft.

Gesamtplanung fehlte

Hinsichtlich der Herangehensweise seitens des Ministeriums bemängelt der Rechnungshof grundsätzlich, der gesamtstaatliche Blick habe gefehlt. So seien die jeweiligen Infrastrukturgesellschaften – vor allem ASFINAG und ÖBB - bei Bedarfserhebung und Ausbauplanung einzelner Verkehrsträger unterstützt worden, ohne verkehrsträgerübergreifende Planungen des hochrangigen Verkehrsnetzes vorzunehmen. Die Aufwendungen für diesen Bereich beliefen sich Rechnungshofpräsidentin Kraker zufolge alleine im Jahr 2015 auf 3,1 Mrd. €, rund 4% des gesamten Bundeshaushalts.

Womöglich wurden auch nicht hochrangige Verkehrsnetzveränderungen vom Bund finanziert, vermuten die RechnungshofprüferInnen. Immerhin habe das Ministerium den Initiatoren von Netzveränderungen, etwa Bundesländern, einige Ermessensspielräume zugestanden, beispielsweise bei der Abschätzung des erwarteten Verkehrsaufkommens oder der Kosten. Dadurch sei auf die Strategischen Prüfungen erheblicher Einfluss genommen worden. Selbst wenn seitens der Umweltanwälte oder der Fachabteilung im Ministerium negative Stellungnahmen zu einem Bauprojekt vorlagen und Alternativlösungen vorgeschlagen wurden, habe man stets die vom Projektwerber angestrebte Variante realisiert. Einzelne Netzveränderungen hätten zudem nur lokale Erschließungsfunktion gehabt, also nicht den Vorgaben des Ministeriums entsprochen, wonach Straßen erst ab einem bestimmten Verkehrsaufkommen zu Autobahnen oder Schnellstraßen ausgebaut werden sollten.

Die Höhe der Abschlagszahlungen des Bundes an die Länder für aus dem Bundesstraßengesetz gestrichene Straßen kann der Rechnungshof überdies nicht nachvollziehen. Konkrete Kostenschätzungen für den Erhalt der übernommenen Straßen bzw. –abschnitte seien nicht vorgelegen. 600 Mio. € habe man zwischen 2011 und 2015 zur Finanzierung der Abschlagszahlungen bereitgestellt, generiert aus Dividendenausschüttungen der ASFINAG.

RH-Empfehlung: Gesamthafte Planung ohne Zahlungsaufschub

In seinen Empfehlungen rät der Rechnungshof dem Verkehrsministerium, bei künftigen Ausbauvorhaben im hochrangigen Verkehrsnetz zunächst aggregierte Planungen für alle Verkehrsträger zu erstellen und mit den daraus abgeleiteten Detailplanungen die jeweiligen Infrastrukturunternehmen zu beauftragen. Bei den Strategischen Prüfungen sollte die Steuerungsfunktion des Ministeriums gewährleistet sein, damit nur jene Straßen als hochrangig gelten, die laut Strategischer Prüfung die Voraussetzungen erfüllen, wie Präsidentin Kraker unterstrich. Generell seien die Prüfungen zur Kosten-Nutzen-Analyse dem neuesten Stand der Technik anzupassen.

Als Grundlage für die Abschätzung der Wirkung von Verkehrsprojekten, etwa Fahrzeiteinsparungen oder verminderte Unfälle, sieht der Rechnungshof jedenfalls die Verkehrsprognose Österreich, das Simulationsmodell zur Berechnung künftiger Verkehrsströme. Die beteiligten Infrastrukturunternehmen hätten außerdem mögliche Planungsalternativen zu erarbeiten. Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit sowie ökologischer und sozialer Aspekte eines Projekts sei durch eine unabhängige Stelle, also nicht vom Initiator, zu beauftragen, und Stellungnahmen der Öffentlichkeit müssten darin Eingang finden.

Zur langfristigen Finanzierung großer Infrastrukturprojekte, speziell im Bereich Schiene, drängt der Rechnungshof auf eine Abkehr vom zahlungsverschiebenden Modell der Annuitätszuschüsse und empfiehlt stattdessen begleitende Finanzierungskonzepte. In einer Stellungnahme des Ministeriums dazu hieß es wiederum, es sei im Sinne der Generationengerechtigkeit legitim, dass auch künftige Generationen, die von der Schieneninfrastruktur profitieren, einen Beitrag zu deren Finanzierung leisten. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) rei