Parlamentskorrespondenz Nr. 1075 vom 13.11.2019

Nachlese im Parlament zum Wahlkampf 2019

Nationalratspräsident Sobotka bittet zur Buchpräsentation ins Hohe Haus

Wien (PK) – Die Wochen vor der Nationalratswahl am 29.September waren von politischen Turbulenzen geprägt. "Ibiza", Hacks, Leaks und zahlreiche Enthüllungen dominierten einen hochemotionalen und nach Ansicht sämtlicher ExpertInnen schmutzigen Wahlkampf. Welche Strategien entwarfen dabei die Parteien? Wie wurden Themen gemacht und wieder aus den Medien gedrängt? Welche Folgen hat diese Art des Wahlkampfs für die Zukunft der Demokratie in Österreich? Diese Fragen standen gestern im Mittelpunkt einer Veranstaltung, zu der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ins Parlament eingeladen hatte. Den Anstoß für eine Podiumsdiskussion mit den WahlkampfstrategInnen der Parteien gab dabei die Präsentation des von Thomas Hofer und Barbara Toth herausgegebenen Buchs "Wahl 2019 – Strategien, Schnitzel, Skandale". Der Politikberater und die Falter-Journalistin legen damit bereits zum fünften Mal eine Nachbetrachtung zu Nationalratswahlen vor und bieten neben Analysen von ExpertInnen vor allem Einblicke hinter die Kulissen der politischen Auseinandersetzung. 

Sobotka fordert den Dialog zu den wichtigen Fragen der Zukunft

Die Auseinandersetzung über diese Wahl sei nicht zu Ende, das Buch werde Anstoß zu weiteren Diskussionen geben, zeigte sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen einleitenden Worten überzeugt. Für Sobotka gilt es nun vor allem, den Dialog fortzusetzen und jene wichtigen Themen wie die Digitalisierung, die Gefahr eines wachsenden Antisemitismus, Migration, Fragen der Wirtschaft und des sozialen Zusammenlebens aufzugreifen, die einer intensiven und über die Wahlkampfperiode hinausreichenden Untersuchung bedürfen. Es gilt, den Blick nach vorne zu richten und aus den Erfahrungen des Wahlkampfs die notwendigen Lehren zu ziehen.

Hofer: Die hochemotionale Behandlung der Themen geht zu Lasten der Tiefe

Thomas Hofer schickte in der von Mitherausgeberin Barbara Toth moderierten Diskussion voraus, Strategien seien nichts Böses, sie gehörten in der Politik zum Job. Der abgelaufene Wahlkampf habe aber gezeigt, dass Themen heute in erster Linie nur noch hochemotional behandelt werden, wodurch die Tiefe leide. Trends wie negative Emotionen und negative Wahlkampfwerkzeuge sollten jedenfalls näher beleuchtet werden, lautete sein Resümee.

Nehammer: Entscheidend ist der Kontakt mit den WählerInnen

Für ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer ist es in Wahlkämpfen entscheidend, eine Kampagne vorzubereiten, den Spitzenkandidaten möglichst präsent zu halten und die Botschaft an die Menschen zu bringen. Dies gehöre zum politischen Handwerk, meinte er. Dabei brauche es jede Form der Kommunikation. So würden neben dem direkten Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern die sozialen Medien auch in zukünftigen Wahlkämpfen eine große Bedeutung haben. Wichtig ist für Nehammer überdies mehr Transparenz hinsichtlich der Parteifinanzen. Was die Wahlkampfkosten betrifft, bekannte er sich zu voller Offenlegung, gab aber zu bedenken, bei einer großen Partei wie der ÖVP mit ihren breit gefächerten Strukturen und Organisationen sei die Aufschlüsselung äußerst komplex und könnte etwas länger dauern.

Hirsch: Arbeit in der Gesetzgebungsperiode ist die Pflicht, Wahlkampf nur Kür

SPÖ-Kommunikationschef Stefan Hirsch betonte, dass die einzelnen Wahlkampagnen sehr begrenzten Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben. Retrospektiv betrachtet sei das Wahlergebnis bereits vor dem Sommer festgestanden. Man lebe im Zeitalter der permanenten Kampagne, so Hirsch. Wahlkampf sei immer die Kür, die Pflicht müsse in der Gesetzgebungsperiode gemacht werden. Rückblickend stellte er fest, dass das Ibiza-Video weniger für die SPÖ, sondern vielmehr für die ÖVP ein "aufgelegter Elfmeter" gewesen sei, zumal viele enttäuschte FPÖ-Wähler nun zur Volkspartei wechselten. Für zukünftige Wahlkämpfe geht Hirsch davon aus, dass die klassischen Medien weiterhin die höchste Relevanz haben werden, wenn es darum geht, den öffentlichen Diskurs zu bestimmen.

Hafenecker: Dirty Campaigning ist heute Teil von Wahlkämpfen

Für die FPÖ sei es in diesem Wahlkampf vor allem darum gegangen, Stabilität in die Partei zu bringen, erinnerte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Die Enthüllungen über die Parteifinanzen seien wie ein Torpedo in der letzten Phase auf die Partei abgeschossen worden, gab er zu bedenken. Hafenecker zog aus der Auseinandersetzung insgesamt den Schluss, man müsse sich damit abfinden, dass Dirty Campaigning nunmehr zu einem Wahlkampf dazu gehöre.

Ernst-Dziedzic: Grüner Fokus auf Schwerpunktthemen

Der Wahlkampf sei für ihre Partei eine große Herausforderung gewesen, da man kaum Ressourcen hatte, meinte die stellvertretende Klubobfrau der Grünen Ewa Ernst-Dziedzic. Man habe aber die Chance wahrgenommen, sich auf Schwerpunktthemen wie Klima- und Umweltschutz oder Transparenz zu fokussieren. Vielen Menschen sei klar geworden, dass die Grünen eineinhalb Jahre lang im Parlament sehr stark gefehlt haben. Die vielzitierte Politikverdrossenheit habe sie jedenfalls nicht feststellen können. In zukünftigen Wahlkämpfen wird nach Einschätzung von Dziedzic der Kampf gegen Fake News immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Donig: Medien sollen im Wahlkampf besser kooperieren

Man habe in der Kampagne auf die eigene Positionierung und nicht auf die Schwächen der anderen Parteien gesetzt, resümierte NEOS-Generalsekretär Nikola Donig. Zur Rolle der Medien im Wahlkampf hielt er fest, diese sollten besser kooperieren, mit den Fernsehdiskussionen auch in die Bundesländer gehen und die Konfrontationen der SpitzenkandidatInnen thematisch clustern. Auch für Donig ist der Kampf gegen Fake News ein wichtiges Anliegen. Hier sollte man aber vor allem bei der Bildung ansetzen, Verbote wären nicht zielführend. Für zukünftige Wahlkämpfe hofft der NEOS-Generalsekretär auf mehr Transparenz und mehr Anstand. (Schluss) hof

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.