Parlamentskorrespondenz Nr. 1112 vom 20.11.2019

Schritte gegen Mautflucht: Verkehrsministerium sieht Maßnahmen im begleitenden Straßennetz als wirksamste Variante

Bericht gibt Abschätzung der Wirkung von Ausnahmen von der Vignettenpflicht und Fahrverboten

Wien (PK) – Das Verkehrsministerium hat einen Bericht (III-63 d.B.) über mögliche Varianten einer Weiterentwicklung des Mautsystems auf Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich vorgelegt. Dieser wurde vom Nationalrat in einer Entschließung (98/E) Anfang Juli dieses Jahres eingefordert. Der Fokus liegt dabei auf der Einschätzung von Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, den Anteil des Verkehrs, der durch das Ausweichen von Strecken mit Vignettenpflicht gilt, zu reduzieren. Diese so genannte Mautflucht belastet insbesondere in grenznahen Regionen Bevölkerung und Umwelt. Beurteilt werden dabei die Auswirkung auf die Verkehrsentwicklung sowie wirtschaftliche und rechtliche Aspekte. Laut dem Bericht des Verkehrsministeriums würde die Umsetzung aller geforderten Ausnahmen für die ASFINAG mindestens 75 Mio. € an Verlusten pro Jahr bedeuten.

Bericht gibt Maßnahmen im begleitenden Straßennetz den Vorzug

Einleitend hält der Bericht fest, dass die hohe Verkehrsbelastung auf dem begleitenden Straßennetz von Mautstrecken die Hauptursache für Forderungen nach Aufhebung der Vignettenpflicht für bestimmte Streckenabschnitte darstellt. Diese Belastung seien jedoch nicht nur auf Vignettenfluchtverkehre (Mautflucht) zurückzuführen. Vielmehr gebe es generell hohe Spitzenbelastungen, deren Ursachen auch im Urlauberverkehr und dem zunehmenden Güterverkehr auch auf dem untergeordneten Straßennetz zu suchen sind, hält das Verkehrsministerium fest. Zudem gebe es Ausweichverkehr aufgrund von Staus, die u.a. durch Grenzkontrollen entstehen.

Insgesamt zeige sich, dass Maßnahmen im begleitenden Straßennetz wesentliche Vorteile gegenüber den anderen untersuchten Maßnahmen (streckenbezogene Ausnahmen von der Vignettenpflicht, Einführung von zusätzlichen Kurzzeitvignetten) besitzen, wird im Bericht gefolgert. Die Variante der Verhängung von Fahrverboten für vignettenpflichtige Fahrzeuge ohne ASFINAG-Vignette im begleitenden Straßennetz wäre hingegen eine Maßnahme, die ähnliche Verkehrseffekte der Rückverlagerung auf die Autobahn hätte, wie streckenbezogene Ausnahmen von der Vignettenpflicht. Für sie spreche auch, dass sie keine hohen Einnahmenverluste für die ASFINAG nach sich ziehen würden und über Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörden relativ rasch umsetzbar wären. Dabei könnten die Länder entscheiden, wo, ab wann und für welche Zeiträume sinnvollerweise entsprechende Fahrverbote für Fahrzeuge ohne ASFINAG-Vignette verhängt werden sollen.

Für die zuständigen Länder wäre das mit keinem nennenswerten zusätzlichen finanziellen Aufwand verbunden, so die Einschätzung des Verkehrsministeriums. Die Mautaufsichtsorgane der ASFINAG könnten bei dieser Lösung die Organe der Straßenaufsicht bei der Kontrolle der Einhaltung der Fahrverbote umfassend unterstützen, indem sie auf Grundlage einer entsprechenden Änderung der StVO von der jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zur Mitwirkung bei der Kontrolle der Einhaltung von Fahrverboten auf dem begleitenden Straßennetz ermächtigt werden.

Bei Umsetzung dieser Maßnahmen im begleitenden Straßennetz müsste laut Verkehrsministerium auch nicht in das bewährte Benutzerfinanzierungssystem der ASFINAG eingegriffen werden. Das Prinzip, dass alle Benützer des hochrangigen österreichischen Straßennetzes – auch Urlauber aus den Nachbarländern – einen Beitrag zur Finanzierung der Autobahnen und Schnellstraßen leisten, würde weiterhin uneingeschränkt gelten.

Umsetzung aller Ausnahmen von Vignettenpflicht würde 75 Mio. € kosten

Anders stellt sich laut dem Bericht die Situation im Falle von streckenbezogenen Ausnahmen von der Vignettenpflicht im Rahmen des Bundesstraßen-Mautgesetzes dar. Dieser Schritt würde zwar zur Reduzierung des Verkehrs auf dem begleitenden Straßennetz beitragen. Bei Befreiung einer Strecke oder mehrerer Strecken von der Vignettenpflicht sei jedoch davon auszugehen, dass auch weitere Regionen analoge Ausnahme- bzw. Sonderregelungen einfordern, was das gesamte Vignettensystem in Frage stelle.

Die ASFINAF erwartet in diesem Fall hohe Einnahmenausfälle. In ihren Berechnungen geht die ASFINAG davon aus, dass die in den letzten 15 Jahren erhobenen Forderungen nach streckenbezogenen Ausnahme- bzw. Sonderregelungen rund 15 % des vignettenpflichtigen Straßennetzes umfassen. Lege man diesen Prozentsatz auf die Vignetteneinnahmen des Jahres 2018 um, so ergebe sich durch die geforderten Ausnahmen von der Vignettenpflicht Einnahmenverluste von mindestens 75 Mio. €. Alleine die streckenbezogenen Ausnahmen von der Vignettenpflicht der Grenzgebiete bei Kufstein, Bregenz und Salzburg würden demnach mit rund 28 Mio. € zu Buche schlagen. Zudem gelte es zu berücksichtigen, dass das Pkw-Verkehrsaufkommen auf den von den Forderungen betroffenen Stadtautobahnen überdurchschnittlich hoch ist, weshalb die Einnahmenverluste tatsächlich noch wesentlich höher ausfallen würden, gibt die ASFINAG zu bedenken.

Ausnahmen von Vignettenpflicht sollten auf starke Reisetage beschränkt werden

Falls es zu streckenbezogenen Ausnahmen von der Vignettenpflicht kommt, sollten diese laut Einschätzung des Verkehrsministeriums zumindest auf starke Reisetage beschränkt werden, an denen eine erhöhte Verkehrsbelastung im begleitenden Straßennetz durch Vignettenfluchtverkehr zu erwarten ist. Zudem sollten sie auf Grenzgebiete beschränkt werden, für die durch Verkehrsuntersuchungen nachgewiesen wurde, dass ein hohes Ausmaß an Vignettenfluchtverkehr besteht. Außerdem sollten die temporären streckenbezogenen Ausnahmen von der Mautpflicht nur zeitlich befristet eingeführt werden. Eine Verlängerung solle es erst dann geben, wenn die Wirksamkeit der Maßnahmen auf den Vignettenfluchtverkehr durch eine begleitende Verkehrsuntersuchung nachgewiesen werden konnte.

Solche temporären Ausnahmen von der Vignettenpflicht für die Grenzgebiete bei Kufstein (Staatsgrenze bei Kufstein bis Kufstein/Süd), Bregenz (Staatsgrenze bei Hörbranz bis Hohenems) und Salzburg (Staatsgrenze am Walserberg bis Salzburg/Flughafen) würden zu Einnahmenverlusten für die ASFINAG von geschätzten rund 7,5 Mio. € führen. Das gelte allerdings unter der Voraussetzung, dass keine Ausdehnung auf weitere Abschnitte des ASFINAG-Mautstreckennetzes erfolgt.

Einnahmenverluste auch bei Ein- oder Zweitagesvignetten beträchtlich

Neben streckenbezogenen Ausnahmen von der Vignettenpflicht sieht der Bericht auch die Einführung von Ein- oder Zweitagesvignetten nur bedingt dazu geeignet, eine umfassende Reduzierung der Verkehrsbelastung im begleitenden Straßennetz zu erreichen. Straßenbenützer würden der Vignettenpflicht nämlich auch aus anderen Gründen ausweichen (Probleme der Handhabung, Staus), weshalb damit gerechnet werden müsse, dass sie auch von einem neuen Preisangebot nicht zur Benützung der Autobahnen bewogen werden können. Dazu komme, dass die Einführung zusätzlicher Kurzzeitvignetten zu geschätzten Einnahmenausfällen von bis zu 62 Mio. € führen werde. Auf die ASFINAG kämen außerdem zusätzliche Kosten für Produktion, Logistik und Vertrieb in der Größenordnung von bis zu 8 Mio. € zu. (Schluss) sox