Parlamentskorrespondenz Nr. 163 vom 27.02.2020

Nationalrat: Regierung soll sich für Investigativjournalismus und Fall Assange einsetzen

Europäische Bürgerinitiativen werden erleichtert, Karrierewege für Justizwache sollen gemäß Entschließung neu bewertet werden

Wien (PK) – Um für Justizwachebeamte neue Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierewege zu schaffen, richtet der Nationalrat einen Entschließungsantrag an die Bundesregierung. Außerdem werden gemäß einhelligem Beschluss Änderungen im Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz vorgenommen, um den Zugang dazu zu vereinfachen. Einstimmig angenommen wurde in diesem Zusammenhang auch ein Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, sich für investigative JournalistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen sowie betreffend Wikileaks-Gründer Julian Assange für die Umsetzung der Empfehlungen der parlamentarischen Versammlung des Europarats und des UN-Sonderberichterstatters einzusetzen.

Vereinfachung zugunsten Europäischer Bürgerinitiativen

Eine geringfügige Novelle des Europäische-Bürgerinitiative-Gesetzes, die im Zusammenhang mit einer EU-Verordnung steht, wurde von den Abgeordneten zum Nationalrat einstimmig beschlossen. Um das Engagement von BürgerInnen zu fordern, hat sich die Europäische Kommission zum Ziel gesetzt, ein kostenloses Online-Sammelsystem zur Einbringung Europäischer Bürgerinitiativen bereitzustellen. Bis 2022 wird es noch möglich sein, Unterstützungsbekundungen mit einem individuellen Online-Tool zu sammeln und direkt der Bundeswahlbehörde vorzulegen, ab dem Jahr 2023 wird die Verwendung des zentralen Online-Sammelsystems der Kommission dann obligat sein. Die Initiative, die als Vier-Parteien-Antrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS eingebracht wurde, sieht vor, dass die Bundeswahlbehörde auch das Zentrale Wählerregister – und nicht nur die zentrale Evidenz nach dem Passgesetz – zur Prüfung der Identität von UnterzeichnerInnen heranziehen kann. Der Zugang zur Europäischen Bürgerinitiative soll damit erleichtert werden.

Insbesondere der Abbau bürokratischer Hürden bei der Europäischen Bürgerinitiative würde nun mehr BürgerInnen ins Boot holen, um wichtige europapolitische Entscheidungen herbeizuführen, zeigte sich ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl zuversichtlich. Immerhin würde Demokratie durch Partizipation - wie auch Transparenz - leben, so Gerstl. Auch Jörg Leichtfried (SPÖ) äußerte sein Behagen über die überparteiliche Entscheidung, direkte Demokratie auf EU-Ebene voranzutreiben. Laut Ulrike Fischer (Grüne) könnte die Europäische Bürgerinitiative einen höheren Stellenwert haben, daher erachtet auch sie die nationale Regelung als wichtige Maßnahme, um die Partizipation zu steigern und den Vorgang zu vereinfachen. Felix Eypeltauer von den NEOS meinte, die Europäische Demokratie werde durch die Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung in Österreich ein kleines Stück direkter und erlebbarer.

Trotz Zustimmung zur Gesetzesnovelle kritisierte FPÖ-Mandatar Volker Reifenberger die Europäische Bürgerinitiative als "zahnloses Konstrukt". Weil sie sich nicht ans EU-Parlament, sondern an die Kommission richte und sich diese lediglich unverbindlich damit beschäftigen müsse, entspreche sie nicht dem eigentlichen Sinn von direkter Demokratie, meinte er. Um auf nationaler Ebene die Bürgerbeteiligung entsprechend voranzutreiben, forderte Reifenberger stattdessen die Einführung des Rechtsinstruments "Volksinitiative". Volksbegehren, die von mindestens 4% der Stimmberechtigten einer Nationalratswahl unterstützt werden, sollten demnach einer Volksabstimmung zu unterziehen sein. Mit dieser Forderung setzte sich die FPÖ allerdings nicht durch.

Schutz der Pressefreiheit - Fall Assange

Die Parlamentsparteien nutzten das EU-Thema auf der Tagesordnung ferner für eine Auseinandersetzung mit der möglichen Enthaftung des australischen Wikileaks-Gründers Julian Assange. Ein im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag der Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ hatte grundsätzlich die Förderung der Beteiligung der BürgerInnen an den europäischen Politikprozessen zum Ziel. Darüber hinaus sollte sich die Bundesregierung für die ungeteilte Achtung der europäischen Grundrechte in allen EU-Mitgliedstaaten sowie auf EU-Ebene aus menschenrechtlichen und medizinischen Gründen für eine Entlassung Assanges einsetzen, wie Thomas Drozda (SPÖ) ausführte. Sowohl der zuständige UN-Sonderberichterstatter als auch die parlamentarische Versammlung des Europarats hätten bereits seine umgehende Freilassung gefordert. Der Oppositionsantrag wurde allerdings nicht ausreichend unterstützt. Parteiübergreifend angenommen wurde hingegen ein Entschließungsantrag der Grünen und der ÖVP zum selben Thema. Darin wird zum politischen Einsatz für die Sicherheit von investigativen JournalistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen aufgefordert. Meinungs- und Pressefreiheit seien demokratische Grundpfeiler, betonte Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Bezüglich des Falls Assange wird die Regierung ersucht, sich auf europäischer Ebene für die Umsetzung der Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters und der parlamentarischen Versammlung des Europarats einzusetzen.

Zugelassen, wenngleich abgelehnt, wurde außerdem ein FPÖ-Antrag, der in eher losem Zusammenhang zum Diskussionsgegenstand stand. Peter Wurm (FPÖ) wollte ein definitives "Nein" für ein mögliches Rauchverbot in Gast- und Schanigärten von Gastronomiebetrieben herbeiführen. Zweite Präsidentin Doris Bures kündigte daraufhin an, dass sich die Präsidiale mit der Auslegungspraxis bezüglich inhaltlicher Nähe von Anträgen und Verhandlungsgegenständen beschäftigen werde.

Akademische Fortbildungsmöglichkeiten für Justizwachebeamte

Für eine Neubewertung der Karrierewege der Justizwache haben sich alle Klubs mit einem Entschließungsantrag ausgesprochen. Intensiviert werden sollen Gespräche zu den Fortbildungskooperationen, insbesondere der Zugang zum bestehenden Angebot der Fakultät Sicherheit an der FH Wiener Neustadt. Mit dem Entschließungsantrag betraut werden der Innenminister, die Justizministerin sowie der Minister für öffentlichen Dienst. Diskussionsgrundlage war ein im Ausschuss abgelehnter Vorstoß der FPÖ, um Justizwachebeamten den Besuch des 6-semestrigen Bachelorstudiums "Polizeiliche Führung" zu ermöglichen. Damit wollte man den Justizwachebeamten die gleichen Rechte wie den Polizeibeamten zukommen lassen, erklärte Christian Lausch (FPÖ). Neben den Fortbildungskooperationen bedürfe es eines dringenden Maßnahmenpakets im Bereich innere Sicherheit, darunter etwa die Umbenennung der Justizwache in Justizpolizei, meinte er. Mit dem umfassenden, als Entschließungsantrag eingebrachten, "freiheitlichen Sicherheitspaket" setzte sich die FPÖ aber nicht durch.

Mit der Zulassung zu einem Bachelorstudiengang die Arbeit der Justizwache zu würdigen sei auch das Ziel des gemeinsamen Antrags, sagte ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker. Selbstverständlich werde man dabei Synergien nutzen, gleichzeitig müsse man den anderen Aufgabenstellungen als bei der Polizei aber entsprechend Rechnung tragen, argumentierte sie die Ablehnung der ursprünglichen FPÖ-Initiative. Weil die Bediensteten einen außerordentlichen Beitrag für die Sicherheit innerhalb und außerhalb der Justizanstalten leisten würden, begrüßte es Selma Yildirim (SPÖ), ihre Situation durch die neuen Karrierechancen partiell zu verbessern. Grundsätzlich würden laut der SPÖ-Mandatarin jedoch mehr Personalressourcen benötigt. Die Grüne Mandatarin Agnes Sirkka Prammer veranschaulichte die schwierigen Arbeitsbedingungen der Berufsgruppe. Sie befürwortete daher den Schritt, ihnen den Start einer akademischen Karriere zu ermöglichen. Johannes Margreiter (NEOS) dankte den Justizwachebeamten für ihre herausfordernden Leistungen und sprach sich in diesem Zusammenhang gegen eine Präventivhaft aus. Darüber hinaus seien Reformen im Maßnahmenvollzug nötig, meinte er. (Fortsetzung Nationalrat) fan

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