Parlamentskorrespondenz Nr. 291 vom 25.03.2020

EU will 2020 Schritte für den Europäischen Bildungsraum und den Europäischen Forschungsraum setzen

Jahresvorschau des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf EU-Vorhaben 2020

Wien (PK) – Die EU besitzt zwar keine Regelungskompetenz im Bildungsbereich, die Mitgliedsstaaten kooperieren aber auf EU-Ebene in der Entwicklung gemeinsamer politischer Ziele und tauschen sich über ihre Erfahrungen in der Bildungspolitik aus. Im Bereich der Forschung besteht ein EU-Rahmenprogramm, das der finanziellen Unterstützung von Grundlagenforschung, angewandter Forschung und technologischer Entwicklung sowie der direkten Forschung von Innovation einschließlich Risikofinanzierung dient. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) eine Vorschau auf die EU-Vorhaben des Jahres 2020 vorgelegt, die einen Überblick über die geplanten Aktivitäten in Bildung und Forschung bietet (III-116 d.B. und III-712-BR/2020 d.B.).

Europäischer Bildungsraum soll bis 2025 Wirklichkeit sein

Die Europäische Kommission (EK) will laut dem Bericht des Bildungsministers bis 2025 die Vision eines Europäischen Bildungsraums verwirklichen. Die großen Linien der EU-Bildungspolitik sind durch die Wachstumsstrategie der Union "Europa 2020" sowie durch den Strategischen Rahmen über die allgemeine und berufliche Bildung "Education & Training 2020 (ET 2020)" vorgegeben. Im Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2020 sind einige Maßnahmen im Bereich Bildung enthalten. So ist eine Mitteilung der EU zur Umsetzung des Europäischen Bildungsraums für das dritte Quartal 2020 angekündigt. Sie soll auch eine Vorschau auf den zukünftigen Rahmen bieten. Geplant ist auch eine Mitteilung zur europäischen Agenda für Kompetenzen (Skills Agenda). Außerdem ist für heuer die Aktualisierung des Aktionsplans für digitale Bildung in Aussicht genommen. Österreich unterstützt dieses Vorhaben der Kommission und beteiligt sich aktiv am Arbeitsprozess.

Als äußerst wirksam für Internationalisierung und Innovationen im europäischen Bildungssystem habe sich das EU-Programm Erasmus+ erwiesen, hält der Bildungsminister fest. Insgesamt haben seit Beginn der EU-Programme, die heute als Erasmus+ zusammengefasst sind, neben 115.000 Studierenden auch rund 80.000 SchülerInnen, 12.000 Lehrkräfte und 9.000 Lehrlinge aus Österreich die Möglichkeit genutzt, Auslandserfahrungen zu sammeln, wie dem Bericht zu entnehmen ist. Auch nach 2020 soll Erasmus+ ein integriertes Bildungsprogramm sein, das nach dem Grundsatz des lebenslangen Lernens die Sektoren Allgemeinbildung, Berufsbildung, Hochschulbildung, Erwachsenenbildung, Jugend und Sport beinhaltet. In ihrem Vorschlag zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen hat die EU-Kommission für das Programm 30 Mio. € vorgeschlagen. Das Programm habe einen enormen Mehrwert für Österreich und unterstütze auch die nationalen Prioritäten im Bildungs- bzw. Hochschulbildungsbereich, heißt es seitens des BMBWF. Zudem habe es auch erkennbare positive Effekte auf die Wertschöpfung der teilnehmenden Länder.

Kroatische Ratspräsidentschaft will Verhandlungen zu Erasmus+ vorantreiben

Die kroatische Ratspräsidentschaft des ersten Halbjahrs 2020 hat sich für den Bildungsbereich einige Ziele gesteckt. In erster Linie will man die Trilogverhandlungen zur Erasmus+ Verordnung vorantreiben. Kroatien strebt auch die Annahme einer Entschließung zur allgemeinen und beruflichen Bildung im Rahmen des Europäischen Semesters sowie die Annahme von Schlussfolgerungen des Rates zu Lehrkräften und TrainerInnen für die Zukunft an. Auch eine Empfehlung zur beruflichen Bildung soll während der aktuellen Ratspräsidentschaft angenommen werden.

Forschung in Europa soll auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren

Im Bereich Forschung sind die dominierenden Themen des Jahres 2020 die Neuausrichtung des Europäischen Forschungsraums und die Vorbereitungen für das neue Forschungsrahmenprogramm der EU "Horizon Europe", dem Nachfolger von "Horizon 2020", das noch bis Jahresende läuft. Österreich ist bei der Einwerbung von Fördermitteln aus Horizon 2020 sehr erfolgreich, nach Abschluss des Programms wird mit einem von Österreich lukrierten Fördervolumen von rund 1,85 Mrd. € gerechnet. Österreich gehört damit zu den Nettoempfängern von Horizon 2020.

Mit Horizon Europe soll der von der EU beschrittene Weg fortgesetzt werden, das Forschungsrahmenprogramm immer stärker in den Dienst der großen gesellschaftlichen Herausforderungen und der übergeordneten politischen Ziele der EU zu stellen. Dabei will man auch neue Akzente setzen. Die Förderungen für gesellschaftliche Herausforderungen und Schlüsseltechnologien sollen in einer eigenen Säule (Säule II) zusammengefasst werden, für die die Kommission ein Budget von 52,7 Mrd. € vorschlägt. Europa soll in nachhaltige Technologien und Innovationen investieren, damit die europäische Wirtschaft in diesen Bereichen wettbewerbsfähig bleibt und möglichst sogar Marktführerschaft erlangen kann.

Das aktuelle Arbeitsprogramm der Kommission sieht für heuer zwei Mitteilungen zur europäischen Forschungspolitik vor. Eine davon betrifft den Prozess der Schaffung eines Europäischen Forschungsraums (EFR bzw. ERA – European Research Area), der mit dem Vertrag von Lissabon eingeleitet wurde. Zwar habe es in den letzten 20 Jahren ansehnliche Erfolge bei der Schaffung eines EFR gegeben, doch sei der Fortschritt unterdessen ins Stocken geraten und in manchen Bereichen hinter den Erwartungen zurückgeblieben, heißt es im Bericht des BMBWF. 2018 habe der Rat der EU deshalb eine Neuausrichtung des EFR in Aussicht genommen. Im Juni 2020 soll eine Mitteilung zur Zukunft von Forschung und Innovation und dem Europäischen Forschungsraum vorgelegt werden, auf die auch Schlussfolgerungen des EU-Rates folgen sollen. Im Jahr 2021 will man auf Basis der neuen inhaltlichen Ausrichtung eine neue Governance des EFR festgelegen und mit der Umsetzung beginnen. Österreich misst einem funktionierenden EFR große Bedeutung bei und unterstützt ihn mit nationalen Reformmaßnahmen. Sie sind in der "Österreichischen ERA-Roadmap" festgehalten und orientieren sich an den sieben aktuellen EFR-Prioritäten der EU. Österreich bringt sich in den europäischen Diskussionsprozess zur Zukunft des EFR aktiv ein, betont das BMBWF in seinem Bericht an den Nationalrat.   

Weiters ist eine Mitteilung zu Forschungs- und Innovationsmissionen (F&I Missionen) im Rahmen von Horizon Europe geplant. F&I Missionen stellen den nächsten Schritt in der Entwicklung einer missionsorientierten F&I Politik auf europäischer Ebene dar, erläutert der Bericht des Bildungsministeriums. Im Rahmen dieser Missionen soll die Umsetzung von Forschungsergebnissen durch technologische wie gesellschaftliche Innovationen, aber auch durch Regulierung und direkte öffentliche Intervention auf europäischer und nationaler Ebene erfolgen. Dabei sollen Stakeholder eine aktive Rolle spielen und die Bevölkerung eingebunden werden. Die EU will Missionen in fünf Bereichen entwickeln: Krebs, Anpassung an den Klimawandel und gesellschaftliche Transformation, Gewässergesundheit, klimaneutrale und intelligente Städte sowie beim Thema Bodengesundheit und Nahrungsmittel.

Wie das Bildungsministerium mitteilt, ist für 12. Oktober 2020 eine große Auftaktkonferenz zu Horizon Europe in Wien geplant, zu der auch Forschungskommissarin Mariya Gabriel erwartet wird. Sie soll der Information der potenziellen TeilnehmerInnen an Horizon Europe dienen und für eine möglichst starke österreichische Beteiligung mobilisieren.

Kroatische Ratspräsidentschaft behandelt Problem des "Brain Drain" in Europa

Im Bereich Forschung und Innovation will die kroatische Präsidentschaft zwei wesentliche Ziele verfolgen. Wichtig ist für sie die Weiterführung und nach Möglichkeit der Abschluss der laufenden Legislativverfahren zum "Horizon Europe" Paket. Weiters will die kroatische Ratspräsidentschaft Diskussionen über bessere Rahmenbedingungen für ForscherInnen anregen und sich besonders mit dem gegenwärtigen "Brain Drain" auseinandersetzen. Die zentrale Frage ist, wie man eine Abwanderung von ForscherInnen aus Süd- und Osteuropa in die stärker entwickelten Mitgliedsstaaten verhindern und stattdessen zu einem Szenario einer "Brain Circulation" gelangen kann. Zudem will man sich mit der Rolle von Forschung und Innovation für zukünftige Arbeitsplätze auseinandersetzen.

Fortgeführt werden unter kroatischem Vorsitz auch die Verhandlungen zum Euratom Programm für Forschung und Ausbildung. Hier hält Österreich an seiner Linie fest, dass dieses Forschungsprogramm nicht einer erneuten Forcierung der Kernenergie dienen soll, sondern nur der Erhöhung der Sicherheit bestehender Anlagen. Einige Staaten wollen die Nuklearenergie mit der Klimastrategie zur Schaffung eines klimaneutralen Energiesystems verbinden, was Österreich ablehnt. Nicht in Frage gestellt wird hingegen das Kernfusionsprojekt ITER, das die EU über Euratom wesentlich mitfinanziert. Allerdings ist Österreich gegen den Vorschlag der EK, die Kosten für ITER zu 100% in das Klimaziel der EU einzurechnen. Der österreichische Standpunkt lautet, dass ITER in absehbarer Zeit keinerlei Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß der EU haben wird. (Schluss) sox