Parlamentskorrespondenz Nr. 499 vom 20.05.2020

Köstinger: Erfahrungen der Krise sollen in die europäische Agrarpolitik einfließen

Landwirtschaftsausschuss debattiert über Hilfe für LandwirtInnen und Perspektiven der GAP in Zeiten der Pandemie

Wien (PK) – Die Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie stellen auch die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Die Krise zeige aber auch deutlich, was für eine wichtige Rolle die auf bäuerlichen Familienbetrieben aufbauende österreichische Landwirtschaft für die Versorgungssicherheit innehat, sagte Elisabeth Köstinger heute im Landwirtschaftsausschuss. Ihr Ressort arbeite daher auf nationaler wie auf EU-Ebene intensiv an Lösungen für die österreichischen LandwirtInnen, sagte die Ministerin. In der Aussprache mit den Abgeordneten verwies sie auch darauf, dass die durch COVID-19 bedingten Grenzschließungen auch auf die europäische Agrarpolitik Auswirkungen haben. Allerdings bemühe man sich, im Rahmen der Verhandlungen zum nächsten EU-Budget auch die Festlegungen für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) so rasch wie möglich fortzuführen. Allerdings werden Übergangszeiten nötig sei, das die neuen GAP-Regeln wohl 2021 noch nicht zur Anwendung kommen können.

Das Thema GAP findet sich auch in der Jahresvorschau unter aktuelle EU-Vorhaben, die in den Zuständigkeitsbereich der Ministerin fallen, wieder. Köstinger sagte, dass Österreich alles daransetze, dass es insbesondere bei den Mitteln für regionale Entwicklungen zu keinen Kürzungen im EU-Budget kommt. Der Bericht wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Köstinger: COVID-19-Krise macht Bedeutung und Probleme der österreichischen Landwirtschaft deutlich

Die COVID-19-Krise habe gezeigt, dass sich die österreichische Agrarpolitik, die auf kleinstrukturierte Familienbetriebe setze, grundsätzlich bewähre, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in einer Aussprache mit den Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses. Sie zeige aber auch die Probleme deutlich auf, mit denen die österreichische Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich kämpft, wie das Problem, angemessene Preise für ihre hochwertigen Produkte zu erzielen.

Die Entwicklung auf den Agrarmärkten werde von ihrem Ressort genau verfolgt, sagte die Ministerin. Der Absatz vieler Produkte sei aufgrund des Einbruchs der Gastronomie und im Tourismus zurückgegangen. Besonders markant sei das etwa bei Rindfleisch der Fall gewesen, das vor allem außer Haus verzehrt werde. Die sinkende Nachfrage mache sich auch in einem Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten bemerkbar. Sie führe daher unter anderem auf EU-Ebene Gespräche darüber, wie man verhindern könne, dass auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern Preisdumping betrieben wird. Köstinger sieht hier auch eine moralische Verpflichtung des Handels, sinkende Preise nicht an die ProduzentInnen weiterzureichen. Beim Milchpreis setze sie auf die Strategie des freiwilligen Lieferverzichts, um den Preisverfall zu stoppen. Eine verstärkte Lagerhaltung von Milchprodukten, für die die EU 30 Mio. € zur Verfügung stelle, löst aus ihrer Sicht das Problem nicht.

Köstinger betonte, dass die landwirtschaftlichen Betriebe wie alle Unternehmen Unterstützungsleistungen erhalten. Auch für sie gebe es ab heute die Möglichkeit, einen Antrag auf einen Fixkostenzuschuss zu stellen, sagte sie in Richtung von FPÖ-Abgeordnetem Gerald Hauser, der eine aus seiner Sicht unzureichende Unterstützung für die Land- und Forstwirtschaft kritisierte.

Eine besondere Problematik ergibt sich laut Köstinger aufgrund der Grenzschließungen für Tagesarbeitskräfte, PendlerInnen und SaisonarbeiterInnen, auf die Betriebe für die Erntearbeit angewiesen sind. Hierzu habe man die Plattform "Die Lebensmittelhelfer" eingerichtet. Bisher konnten so 4.000 Arbeitskräfte vermittelt werden, berichtete die Landwirtschaftsministerin. SPÖ-Abgeordnete Cornelia Ecker teilte sie mit, dass aus dem Ausland insgesamt 898 Arbeitskräfte nach Österreich gekommen sind. Die Kosten würden die Fachverbände und die Betriebe zur Gänze tragen. Der Bund habe nur mit der Organisierung der Vermittlungsplattform einen Beitrag geleistet. Kritik, die SPÖ-Abgeordneter Dietmar Keck am Begriff "Schlüsselarbeitskräfte" anklingen ließ, wies sie zurück. Offenbar werde von vielen unterschätzt, wie fordernd die Erntearbeit sei und wieviel Fachkenntnis beispielsweise PartieführerInnen benötigen. Sie gebe auch zu bedenken, dass der Lebensmittelhandel bei Frischprodukten höchste Ansprüche stelle. Auch was die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen betreffe, seien diese in Österreich nicht mit der Situation mancher Betriebe in Deutschland vergleichbar, wo Wanderarbeiter zum Einsatz kämen, informierte die Ministerin Abgeordneten Keck. In Österreich sei es zudem gelungen, qualifiziertes Personal aus der Gastronomie an fleischverarbeitende Betriebe zu vermitteln.

Ihr Ressort habe in Reaktion auf die Absatzkrise den Ab-Hof-Verkauf, die Direktvermarktung und Online-Bauernmärkte unterstützt. Der Antrag auf Fixkostenzuschuss stehe nun auch Landwirtschaftsbetrieben offen, zeigte sich die Ministerin zufrieden. Auf derzeit stattfindendes "Bauernsterben", also eine beschleunigte Tendenz zu Betriebsaufgaben, die von Abgeordneten Karin Doppelbauer (NEOS) und Peter Schmiedlechner (FPÖ) geortet werde, habe sie derzeit keine Hinweise, sagte die Landwirtschaftsministerin. Die Erfahrungen aus der Krise würden aber jedenfalls in die Verhandlungen zur GAP einfließen, versicherte Köstinger den Abgeordneten Olga Voglauer (Grüne) und Franz Essl (ÖVP), die wie Doppelbauer dieses Thema angesprochen hatten.

Nach wie vor aktuell bleibe in der Forstwirtschaft der hohe Anfall von Schadholz, sagte Köstinger. Gründe dafür sind mehrere Trockenjahre, der fortschreitende Klimawandel, der auch in höheren Lagen die Fichte unter Druck bringt, und die damit einhergehende Ausbreitung des Borkenkäfers. Zur Frage der Aufarbeitung des Schadholzes teilte die Ministerin den Abgeordneten Andreas Kühberger (ÖVP) und Alois Kainz (FPÖ) mit, dass man die Holzlager verbessere und zudem mit den Sägewerksunternehmen die Abnahme von 200.000 Festmetern Schadholz vereinbart habe. Zweifellos müssten die Bemühungen in dieser Richtung weiter fortgesetzt werden, um Forstbetrieben eine längerfristige Perspektive zu geben, stimmte sie NEOS-Abgeordnetem Douglas Hoyos-Trauttmansdorff zu.

EU-Landwirtschaftspolitik: Österreich gegen Kürzungen bei Programmen der regionalen Entwicklung

Die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 sowie der Green Deal werden laut Bundesministerin Elisabeth Köstinger die EU heuer besonders beschäftigen. Laut der EU-Jahresvorschau der Ministerin auf dem Gebiet der Landwirtschaft (III-115 d.B. und III-711-BR/2020 d.B.) sollen unter kroatischer Ratspräsidentschaft die Regeln für eine neue GAP rasch definiert und an den neuen Prioritäten der Union im Klima- und Umweltbereich ausgerichtet werden. Für Österreich sei es wichtig, dass weiterhin ausreichende GAP-Mittel im mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2021-2027 zur Verfügung stehen und zumindest auf dem bisherigen Niveau bleiben. Aus ihrer Sicht sei nicht verständlich, warum man gerade in diesem Bereich kürzen wolle, zumal die Erwartungen an die Land- und Forstwirtschaft in Hinblick auf den Green Deal eher noch steigen, sagte Köstinger auf Fragen der Abgeordneten Cornelia Ecker (SPÖ), Klaus Lindinger (ÖVP), Clemens Stammler (Grüne) und Gerald Hauser (FPÖ) zur österreichischen Position in Bezug auf die EU-Agrarpolitik. Österreich wolle als Resultat der GAP-Reform praxistaugliche Rahmenbedingungen für die LandwirtInnen und die Verwaltung. Wichtig sei es, die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit sicheren und leistbaren Lebensmitteln sowie die Vielfalt des ländlichen Raums zu gewährleisten. Von zentraler Bedeutung sind aus österreichischer Sicht auch die Erhaltung der Produktionsgrundlagen und die Erfüllung von ambitionierten Umwelt- und Klimazielen, dies auch vor dem Hintergrund des europäischen Green Deals. Potenzial für Kürzungen sehe sie allenfalls bei Flächenförderungen. Förderobergrenzen für Großbetriebe seien hier durchaus sinnvoll, meinte die Ressortchefin.

Aufgrund der derzeitigen Lage sei allerdings keine rechtzeitige Beschlussfassung und auch keine Umsetzung der neuen GAP-Bestimmungen für eine Anwendung ab 2021 zu erwarten, sagte Köstinger. Daher setze die Union auf Übergangsbestimmungen, was Österreich unterstütze, um Kontinuität und Rechtssicherheit für die LandwirtInnen zu gewährleisten. Das betreffe auch den Biobereich, wo die EU-Bioverordnung große Herausforderungen bringe. Für sie sei es wichtig, dass der Einstieg in die Bio-Produktion laufend möglich bleibt und es hier zu keinen Verzögerungen oder gar einem Stopp aufgrund der Verzögerungen bei der neuen GAP-Bestimmungen komme, versicherte Köstinger der SPÖ-Abgeordneten Ecker. Hohen Stellenwert misst die Ministerin auch einer begleitenden Strategie zum Green Deal bei, der "Farm-to-Fork"-Strategie, die zur Entwicklung eines fairen, gesunden und umweltfreundlichen Lebensmittelsystems beitragen soll.

Ein Fokus auf Kleinstädte als Teil des Programmes für regionale Entwicklung sei sinnvoll, sagte die Ministerin auf eine Frage der Abgeordneten Karin Doppelbauer (NEOS), da diese teils durch Abwanderung, teils durch rasches Wachstum vor großen Herausforderungen für die Raumplanung stehen. Zum Thema nachhaltiger Fischerei, das SPÖ-Abgeordneter Markus Vogl angesprochen hatte, sagte Köstinger, die EU habe hier Ziele festgelegt, die eine Überfischung verhindern und die auch bereits erste Resultate zeigen, wie etwa beim Wachstum von Thunfischbeständen. Im Bereich des Tourismus gebe es zwar keine direkten EU-Zuständigkeiten, sagte Köstinger. Die Frage der Reisebeschränkungen bzw. ihrer Aufhebung habe aber direkte Auswirkungen auf den Tourismus. Hier setze Österreich auf ein koordiniertes Vorgehen. Das bedeute nicht, dass alle Länder gleichzeitig die Öffnung der Grenzen vornehmen, sondern dass diese abgestimmt nach den jeweiligen gesundheitspolitischen Erfordernissen erfolgt, erklärte die Ministerin. (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) sox