Parlamentskorrespondenz Nr. 628 vom 17.06.2020

Corona-Wiederaufbaufonds: Finanzminister Blümel erteilt aktuellen EU-Plänen erneut Absage

Aktuelle Europastunde im Nationalrat über europäisches Hilfspaket

Wien (PK) – Der von der EU geplante Wiederaufbaufonds zur Hilfe für die von der Corona-Krise besonders betroffenen Staaten bleibt in der heimischen Innenpolitik nach wie vor umstritten. In einer Aktuellen Europastunde des Nationalrats bekräftigte Finanzminister Gernot Blümel heute die ablehnende Haltung der Bundesregierung und gab zu bedenken, der Merkel-Macron-Vorschlag sei in seiner derzeitigen Form zu wenig treffsicher und würde zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung der österreichischen SteuerzahlerInnen führen. Er sprach sich ebenso wie die ÖVP für eine Hilfe aus, die an Bedingungen geknüpft und zeitlich befristet ist. Die FPÖ, die das Thema ausgewählt hatte, brachte mit dem Titel "Österreichisches Steuergeld für sichere Grenzen und Arbeitsplätze anstatt des EU-Finanzierungswahnsinns" ihre kritische Haltung zu Hilfszahlungen an Italien und Spanien auf den Punkt. Ein klares Bekenntnis zu einem solidarischen, gemeinsamen Europa kam hingegen von SPÖ, NEOS und den Grünen.

Blümel: Hilfen müssen treffsicher sein

Die Ablehnung des aktuell in Brüssel diskutierten Vorschlags sei keine frugale, sondern eine rationale Haltung, betonte Blümel, der grundsätzlich Österreichs Solidarität mit Südeuropa unterstrich und in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung der Exporte nach Italien und Spanien für die heimische Wirtschaft hinwies. Man habe sich bereits in der Vergangenheit an Corona-Hilfsmaßnahmen beteiligt und sei auch weiter bereit, auf europäischer Ebene zu helfen und für eine nachhaltige Entwicklung einzutreten. Hilfen müssten aber treffsicher und zeitlich befristet sein.

FPÖ: Österreich hat nichts zu verschenken

"Wir werden es der Regierung nicht durchgehen lassen, dass sie nach dem Corona-Wahnsinn und dem Budget-Bauchfleck nun die Bevölkerung ein weiteres Mal zum Narren hält, indem sie Hunderte Milliarden Euro von Österreich Richtung Südeuropa verschiebt". Mit drastischen Worten untermauerte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl einmal mehr das Nein seiner Fraktion zu Hilfszahlungen auf europäischer Ebene und sprach von einem Anschlag auf die österreichischen SteuerzahlerInnen. Bei den Arbeitslosen und den Wirtschaftstreibenden  - den Familienmitgliedern – werde gespart, während man den "Club-Med" finanziere, empörte er sich. Hart ging Kickl dabei mit den Staaten Südeuropas ins Gericht, die er als "Luftikus", der in den Tag hineinlebt und ständig vor der Pleite steht, bezeichnete. Österreich brauche jeden Cent im eigenen Land und habe nichts zu verschenken. Die Regierung solle endlich aufhören, auf Kosten der österreichischen Bevölkerung den Wohltäter für andere zu spielen, stellte er klar. Es gehe nicht an, dass diejenigen, die sich an die Maastricht-Kriterien halten, immer wieder zur Kasse gebeten werden, pflichtete ihm auch Petra Steger (FPÖ) bei, die zudem befürchtete, dass die Kosten der "Geldgeschenke" letztlich bei den Nettozahlern "picken" bleiben werden. Ihr Fraktionskollege Hannes Amesbauer warnte ebenso wie Kickl, die Bundesregierung werde am Ende des Tages in Brüssel "umfallen".

ÖVP: Keine Hilfe ohne klare Vorgaben

Reinhold Lopatka (ÖVP) bekannte sich zur europäischen Solidarität, meinte aber, im Gegenzug zu den Hilfen müssten in den Empfängerländern entsprechende Reformen gesetzt werden. Es brauche klare Rahmenbedingungen, wie etwa die Verhältnismäßigkeit sowie eine zeitliche Befristung. Der außenpolitische Sprecher der Volkspartei appellierte in diesem Sinn an Italien und Spanien, die "Hausaufgaben" zu erledigen, wie dies auch Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande getan hätten. Hilfsgelder sollten zur Stärkung der Wirtschaft ausgegeben und an Reformen, wie die Sanierung der eigenen Haushalte geknüpft werden, bekräftigte auch Karlheinz Kopf (ÖVP). Die EU sei kein Bankomat, Solidarität bedeute nicht die vollkommene Abschaffung von Eigenverantwortung, unterstrich Europa-Abgeordnete Barbara Thaler (ÖVP) und sprach sich ebenfalls für klare Vorgaben bei der Ausschüttung der Corona-Hilfen aus. Es gehe nicht darum, ob wir helfen, sondern wie wir helfen.

SPÖ: Jugend darf nicht Opfer der Krise werden

Die EU habe sich von einer Union des Friedens und des Ausgleichs zu einer Union des Egoismus und des Nationalismus entwickelt, in der die Superreichen das Sagen haben, lautete der kritische Befund Jörg Leichtfrieds (SPÖ). Er forderte aus diesem Blickwinkel heraus ein Ende des Steuerdumpings und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Der Regierung warf Leichtfried vor, die Pläne der EU bezüglich solidarischer Hilfe zu torpedieren. "Wir sitzen im selben Boot", schickte Eva Maria Holzleitner ihrem Aufruf zu mehr europäischer Solidarität voraus. Es müsse verhindert werden, dass die Jugendlichen die Opfer der Krise und damit zu einer verlorenen Generation werden, warnte sie und drängte mit Nachdruck auf eine soziale Union und auf die Umsetzung des Green Deals.

Grünes Bekenntnis zu europäischer Solidarität

"Geht es den EU-Nachbarn gut, dann geht es auch Österreich gut", fasste die grüne Europa-Mandatarin Monika Vana ihr Bekenntnis zur europäischen Solidarität zusammen. Sie plädierte für eine gemeinsame Bewältigung der Krisen im Rahmen einer echten Klima- und Sozialunion und brach überdies eine Lanze für ein nachhaltiges EU-Budget, das die Mitgliedsstaaten auf ihrem Weg aus der Corona-Krise unterstützt. Gemeinsamkeit und Solidarität sind auch die Leitmotive ihrer Fraktionskollegin Ewa Ernst-Dziedzic, die sich vor allem kritisch mit der FPÖ auseinandersetzte. Die Position der Freiheitlichen erschöpfe sich in populistischen Verkürzungen, nationalistischen Scheuklappen und Realitätsverweigerung, diagnostizierte sie. Die Grünen werden sich darum kümmern, dass Südeuropa nicht im Stich gelassen wird, versicherte Michel Reimon (Grüne), denn "wer Italien im Stich lässt, der lässt auch Österreich im Stich".

NEOS: Österreichs Zukunft liegt in einem gemeinsamen Europa

Kein Verständnis für Österreichs Ablehnung des Merkel-Macron-Vorschlags äußerte Europa-Abgeordnete Claudia Gamon (NEOS), die in diesem Zusammenhang von Zukunftsverweigerung der "geizigen Vier" sprach. Der Erfolg in Europa komme von Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit, Österreich sei drauf und dran, dies alles aufs Spiel zu setzen. Finanzielle Solidarität bedeute nicht nur moralische Verantwortung, sie sei auch Verantwortung gegenüber der heimischen Wirtschaft und den BürgerInnen, die nur in einem gemeinsamen starken Europa eine Zukunft haben werden. NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger wiederum warf der Regierung vor, auf einem anti-europäischen Kurs zu "zündeln", um von ihrem eigenen Versagen bei den Corona-Hilfen in Österreich abzulenken. Helmut Brandstätter (NEOS) vermisste eine klare Regierungslinie und insbesondere ein Bekenntnis der ÖVP zu einem gemeinsamen Europa. (Schluss) hof