Parlamentskorrespondenz Nr. 667 vom 23.06.2020

Studierenden-Sozialerhebung zeigt Sinken der Zahl von Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten seit 2015

Bildungsminister Faßmann sieht direkte und indirekte Studienförderungen als wichtige Ausgleichsmaßnahmen

Wien (PK) – Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat einen Bericht über die Ergebnisse der aktuellen Studierenden-Sozialerhebung vorgelegt (III-144 d.B.). Bundesminister Heinz Faßmann verweist in seinem Vorwort auf den wichtigen Beitrag der Studienförderung zu existenziellen Absicherung der Studierenden. Die Ausweitung der direkten und indirekten Unterstützungen verfolge einen notwendigen sozialen Ausgleich, honoriere hervorragende Leistungen und mildere erschwerende Begleitumstände im Studium ab, unterstreicht Faßmann.

Für die Erhebung wurden im Sommersemester 2019 Studierende an allen öffentlichen und privaten Universitäten, Fachhochschulen sowie Pädagogischen Hochschulen mit einem Online-Fragebogen befragt. Insgesamt haben sich fast 48.000 Studierende an der Befragung beteiligt. Die Umfragedaten können damit laut den ErstellerInnen des Berichts als repräsentativ für die im Sommersemester 2019 eingeschriebenen Studierenden (ausgenommen DoktorandInnen) gesehen werden. Alle Ergebnisse werden unter www.sozialerhebung.at online verfügbar sein.

In der Einleitung wird auch auf Ergebnisse einer Befragung im April 2020 eingegangen, in der die Erfahrungen mit der durch COVID-19-Maßnahmen bedingte Umstellung auf E-Learning abgefragt wurden. Hier wird auch darauf hingewiesen, dass die Einschränkungen in der studienbegleitenden Erwerbstätigkeit andauern werden. Gerade typische Studierenden- und Ferienjobs sind von der wirtschaftlichen Situation besonders betroffen. Damit sei zumindest die teilweise Studienfinanzierung einer größeren Gruppe gefährdet, hält das Bildungsressort fest.

Betroffenheit von finanziellen Schwierigkeiten: Alter und Bildungsherkunft als Faktoren

In der Studierendensozialerhebung gaben insgesamt 8% der Studierenden an, derzeit sehr stark von finanziellen Schwierigkeiten betroffen zu sein, weitere 14% bezeichneten sich als stark betroffen, und 23% als zumindest teilweise. Insgesamt gaben damit also rund 22% der österreichischen Studierenden an, von finanziellen Schwierigkeiten stark bzw. sehr stark betroffen zu sein. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten liegt der Anteil von Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten in Österreich damit eher im unteren Drittel, ist dem Bericht zu entnehmen.

Verglichen mit 2015 ist dabei der Anteil der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten im Schnitt um 4 Prozentpunkte zurückgegangen. Dieser Rückgang wird auf mehrere Faktoren zurückgeführt. Eine zentrale Rolle spielt etwa die Reform der Studienförderung im Jahr 2017, die zu einer Erhöhung der Studienbeihilfe führte, von der insbesondere Studierende ab 24 Jahren profitiert haben. Damit ist innerhalb der Gruppe der BildungsinländerInnen, die eine Studienförderung beziehen, der Anteil der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten am stärksten gesunken, nämlich von 29% im Jahr 2015 auf 21% im Jahr 2019.

Deutlich gesunken sind finanzielle Schwierigkeiten auch unter BildungsausländerInnen aus einem Herkunftsland mit nicht deutscher Amtssprache (40% der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten), nämlich um 7 Prozentpunkte. Als einer der Gründe wird angeführt, dass laut Ausländerbeschäftigungsgesetz Bachelorstudierende aus EU-Drittstaaten statt maximal 10 Wochenstunden nun ebenso wie Masterstudierende 20 Wochenstunden erwerbstätig sein können, was zu einem überdurchschnittlichen Anstieg des Erwerbsausmaßes innerhalb dieser Gruppe geführt hat. Generell stieg im Zeitraum 2015 bis 2019 die Erwerbsquote und auch das durchschnittliche Erwerbseinkommen aller Studierenden.

Der Rückgang der Zahl an Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten fand laut der Erhebung in allen Altersgruppen statt. Nach wie vor zeigt sich ein stetiger Anstieg des Anteils von Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten nach Alter bis zur Gruppe der 30-Jährigen. Danach geht der Anteil Studierender mit finanziellen Schwierigkeiten wieder zurück. Das Alter wird daher weiterhin als besonderer Risikofaktor für Studierende identifiziert.

Ein wichtiger Faktor ist auch die Bildungsherkunft. So ist im Mittel die Betroffenheit von finanziellen Schwierigkeiten unter Studierenden, deren Eltern über maximal einen Pflichtschulabschluss verfügen, doppelt so hoch wie bei Studierenden aus AkademikerInnenhaushalten, deren Eltern ein Doktorat haben (33% versus 16%).

In der Erhebung zeigte sich, dass folgende Gruppen besonders häufig von finanziellen Schwierigkeiten betroffen sind: BildungsausländerInnen aus einem Herkunftsland mit nicht deutscher Amtssprache (40% haben finanzielle Schwierigkeiten); BildungsinländerInnen mit Migrationshintergrund (1. Generation: 35%, 2. Generation: 33%); Studierende mit Kindern, welche Betreuungsbedarf (jüngstes Kind unter 7 Jahren) haben, sowie Alleinerziehende (29% bzw. 43%); Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welche sich studienerschwerend auswirken (36%); BezieherInnen eines SelbsterhalterInnen-Stipendiums (27%); Studierende, welche bei Erstzulassung zwischen 26 und 30 Jahre alt waren, das sind vor allem jene mit verzögertem Übertritt (29%).

In vielen Fällen handelt es sich bei diesen Gruppen auch um jene mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil älterer Studierender bzw. einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Studierenden aus niedrigerer Bildungsherkunft sowie Gruppen, bei denen sich eine Erwerbstätigkeit aus diversen Gründen schwieriger gestalten kann, wie etwa aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder aufgrund einer eingeschränkten bzw. fehlenden Arbeitserlaubnis.

Viele Ursachen für finanzielle Schwierigkeiten

Studierende mit finanziellen Schwierigkeiten wurden auch nach den Gründen für ihre finanzielle Schieflage gefragt. Die häufigste Antwort lautete, dass die Eltern sie nicht stärker unterstützen können (45% der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten). Die Angabe, wonach Eltern ihre studierenden Kinder nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, obwohl sie es finanziell könnten, wurde aber von lediglich 13% derjenigen mit finanziellen Schwierigkeiten angegeben. Ein Drittel der Studierenden führt die finanziellen Schwierigkeiten auf ungeplante hohe Ausgaben zurück. Je 31% der Studierenden mit (sehr) starken finanziellen Schwierigkeiten gerieten durch eine mangelnde oder nicht ausreichend lukrative Erwerbstätigkeit und/oder den Wegfall der Familienbeihilfe in diese Situation.

Für mehr als ein Viertel der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten resultieren diese Probleme außerdem aus hohen Kosten für das Studium. Weitere Faktoren sind gesundheitliche Gründe (17% der Studierenden mit finanziellen Schwierigkeiten) sowie fehlende oder nicht erhaltene Alimentationszahlungen für die eigene Person oder Kinder (2%). Für einen Teil der BildungsausländerInnen, die auf eine Arbeitserlaubnis angewiesen sind, ist der Entfall bzw. die Begrenzung der Erwerbstätigkeit während des Studiums aufgrund der mangelnden Arbeitserlaubnis ebenfalls eine Quelle finanzieller Probleme. 20% aller BildungsausländerInnen gaben an, deswegen finanzielle Schwierigkeiten zu haben.

Studierende mit finanziellen Schwierigkeiten haben im Schnitt einen höheren zeitlichen Studienaufwand, aber ein im Mittel geringeres Gesamtbudget als Studierende ohne finanzielle Schwierigkeiten. Die Differenz wird mit zunehmendem Alter größer, so beträgt sie bei den 22-Jährigen rund 130 € oder 13% und unter den 29-Jährigen bereits 500 € (31%). Studierende scheinen daher in vielen Fällen vor der Wahl zu stehen, entweder ihr Studium schnellstmöglich abzuschließen und dabei das Risiko eines finanziellen Prekariats einzugehen, oder aber die eigene finanzielle Lage abzusichern, wenn auch die Studienintensität darunter zu leiden hat, lautet die Schlussfolgerung der Studie. (Schluss) sox