Parlamentskorrespondenz Nr. 815 vom 16.07.2020

Bundesländer als Mitgestalter der Republik: Bundesrat startet 2019/2020 den "Masterplan ländlicher Raum"

Karl Bader und Robert Seeber legen Tätigkeitsbericht der Länderkammer vor

Wien (PK) – Mit dem "Masterplan ländlicher Raum" als Leitlinie für das zweite Halbjahr 2019 und das erste Halbjahr 2020 sollten die Förderung ländlicher Regionen und die Dezentralisierung im Bundesrat vorangetrieben werden. Dass aktuelle Ereignisse wie die Abwahl der bestehenden Regierung 2019, das Einsetzen einer Beamtenregierung und der Ausbruch der COVID-19-Krise eine längerfristigere Planung obsolet machen würden, war nicht vorherzusehen. Erstmals in der zweiten Republik stand dem Bundesrat im zweiten Halbjahr 2019 keine gewählte Regierung gegenüber und ab März 2020 musste der Fokus auf Krisenmanagement bedingt durch die Corona-Pandemie gelegt werden. Sowohl Karl Bader, der im zweiten Halbjahr 2019 die Bundesratspräsidentschaft innehatte, als auch Robert Seeber im ersten Halbjahr 2020 blicken im aktuellen Tätigkeitsbericht der Länderkammer auf eine bewegte Präsidentschaft zurück, bei der es trotz der aktuellen Ereignisse gelungen war, den "Masterplan ländlicher Raum" als Generalthema für die künftige Arbeit des Bundesrats zu positionieren.

Der Bundesrat tagt seit 1945 permanent, das bedeutet, es gibt keine Gesetzgebungsperioden wie im Nationalrat. Ein besonderes Jubiläum feierte die Länderkammer dabei in seiner Sitzung am 14. Jänner 2020: die 900. Sitzung in der Zweiten Republik. Einige Landtagswahlen führten im abgelaufenen Bundesratsjahr zur Verschiebungen von Mandaten. Die Grünen wurden wieder zur Bundesratsfraktion.

Bader: "Nah an den Menschen – bereit für die Zukunft"

Zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung leben auf flächenmäßig fast 90% des Staatsgebiets im ländlichen Raum. Als Schwerpunkt der niederösterreichischen Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2019 wurde daher aus dem Masterplan das Thema Dezentralisierung gewählt. Dezentralisierung, so Bader, sei eine Grundvoraussetzung zur Stärkung des ländlichen Raums.

"Es ist eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre, mehr Fairness zu schaffen, um den ländlichen Raum zu stärken", so Bader. Der Schwerpunkt sei hier im Ausbau der Digitalisierung zu sehen. Gemeinsam mit ExpertInnen aus verschiedenen europäischen Ländern diskutierte der Bundesrat am 9. Oktober 2019 über die Stärkung der Regionen, über Möglichkeiten zum Abbau von Landflucht und über Möglichkeiten zur Verlagerung von Bundesbehörden in den ländlichen Raum.

Als Best Practice wurde hier die Deutschsprachige Gemeinschaft von Belgien hervorgehoben, wo man sich mit Erfolg bemüht, junge Menschen am Land zu halten oder sie nach einer Ausbildungsphase wieder in ihre Gebiete zurückzuholen. Anreize werden durch massive Investitionen in die Infrastruktur, sowie unter anderem bei Kultur und Sport und bei Schulen geschaffen, um ländliche Gebiete für junge und gut ausgebildete BürgerInnen attraktiv zu gestalten. Am 19. Dezember wurde eine Gesetzesinitiative zur Verlagerung von Bundesdienststellen in den ländlichen Raum eingebracht.

Ein neues Konzept Bader während seiner Präsidentschaft mit "Bundesrat im Bundesland" vor. Ziel dieser Initiative ist, vor Ort Initiativen kennenzulernen und Erfahrungen für ganz Österreich mitzunehmen. Konkretes Thema beim erstmaligen Treffen vor Ort im Vorsitzbundesland Niederösterreich war die Dezentralisierung von Forschung und Lehre und die damit einhergehende Schaffung hochwertiger Jobs im ländlichen Raum.

Parlamentarische Diplomatie

Anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung des Europarates Ende Oktober 2019 nahmen Bundesratspräsident Karl Bader und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gemeinsam an der Konferenz der PräsidentInnen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg teil. Im Dezember empfing Bader eine hochrangige Delegation aus Usbekistan und traf mit den Präsidenten von Kasachstan, Moldau und Armenien sowie dem Iran zusammen. Im Jubiläumsjahr "150 Jahre Freundschaft Japan Österreich" kam Prinzessin Kako von Akishino aus Japan Mitte September zu einem mehrtägigen Besuch nach Wien und traf dabei auch mit Karl Bader zusammen.

Seeber: Gemeinsam Zukunft gestalten

Die Amtsübernahme durch Oberösterreich mit Präsidenten Robert Seeber sollte inhaltlich schwerpunktmäßig auf die Wirtschaft gelegt werden. Der Schwerpunkt der Präsidentschaft lag ab März jedoch im COVID-19 Krisenmanagement. Seeber fasste die Erfahrungen seiner Präsidentschaft am Ende so zusammen: "Ich kann mit Überzeugung sagen, dass diese Präsidentschaft mit keiner anderen in der 100-jährigen Geschichte des Bundesrats vergleichbar ist. Was wir jetzt brauchen, ist Optimismus für den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Dabei dürfen wir niemanden zurücklassen, der unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist."

Bereits am 15. März passierte das erste von mehreren umfangreichen COVID-19-Maßnahmenpaketen National- und Bundesrat. Zu Beginn der an einem Sonntag stattfindenden Sitzung appellierte Seeber an die BürgerInnen und insbesondere an junge Menschen, die Situation nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Auch optisch hatte Corona die Plenarsitzung des Bundesrats deutlich verändert. Jede zweite Sitzreihe im Plenum blieb unbesetzt, die BundesrätInnen hielten zumindest einen Platz Abstand zum Nächsten.

Holocaustgedenktag und 25 Jahre Beitritt Österreichs zur Europäischen Union

Am 27.Jänner 2020 wurde der 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau gedacht. Bei dieser Gedenkveranstaltung zog Seeber eine Parallele zur Gegenwart: Um Katastrophen wie die Shoah in Hinkunft zu verhindern, sei jeder Einzelne aufgerufen, nicht wegzusehen, wenn gemobbt oder erniedrigt werde, so Seeber, denn "dass jemand anders ist oder denkt, darf weder heute, noch morgen Anlass für Herabwürdigung oder Hetze sein". Die Podiumsdiskussion anlässlich des 25. Jubiläums des österreichischen Beitritts zur Europäischen Union am 10. Februar 2020 war noch dominiert von den aktuellen Herausforderungen durch den Brexit, die COVID-19 Krise war zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema.

Internationale Vernetzungstreffen

Der Austausch auf internationaler Ebene war aufgrund der COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 stark eingeschränkt, dennoch konnten wichtige Zusammentreffen eingehalten werden, wie etwa die Wintertagung der OSZE. (Schluss) ibe     

Die Tätigkeitsberichte des Bundesrates finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/services/STAT/ALLGSTAT/TaetigkeitsberichtBR.shtml abrufbar.

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