Parlamentskorrespondenz Nr. 852 vom 17.08.2020

Bundesratspräsidentin und Zweite Nationalratspräsidentin eröffnen virtuellen IPU-Gipfel der Parlamentspräsidentinnen

Weltweiter Austausch über die Stärkung der Rechte von Frauen in Zeiten von COVID-19 und Klimawandel

Wien (PK) – Der 13. IPU-Gipfel der Parlamentspräsidentinnen wurde heute von Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler und Zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures gemeinsam mit der Präsidentin der Interparlamentarischen Union Gabriela Cuevas Barron eröffnet. Parlamentspräsidentinnen aus aller Welt tauschen sich heute und morgen in virtueller Form über Maßnahmen gegen frauenspezifische Folgen der COVID-19-Pandemie sowie des Klimawandels, wirtschaftliche Ungleichheiten und Gewalt gegen Frauen und Mädchen aus. Die drei Parlamentspräsidentinnen riefen in ihren Eröffnungsstatements unisono ins Bewusstsein, dass Frauen besonders stark von Krisen wie der COVID-19-Pandemie oder dem Klimawandel betroffen sind, gleichzeitig aber auch eine entscheidende Rolle dabei spielen, diese zu bewältigen.

Eder-Gitschthaler: Forderungen der letzten UN-Weltfrauenkonferenz genauso aktuell wie vor 25 Jahren

"Wir hätten gehofft, dass weltweit zu diesem Zeitpunkt schon mehr erreicht worden wäre, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns", sagte Eder-Gitschthaler mit Verweis auf die Pekinger Deklaration und Aktionsplattform, die bei der letzten UN-Weltfrauenkonferenz vor 25 Jahren von über 180 Staaten beschlossen wurde. Mit dem Forderungskatalog seien damals globale und internationale Meilensteine gesetzt worden. Leider sei dieser heute noch genauso aktuell wie vor 25 Jahren und gelte immer noch als visionär. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns", so die Bundesratspräsidentin.

Die Aufgabe aller Parlamentarierinnen sei es daher, die Forderungen der Deklaration weiterhin aktiv voranzutreiben und umzusetzen bzw. herauszufinden, was es noch braucht, um die Rechte und tatsächliche Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern.

Die COVID-19-Pandemie habe erneut gezeigt, dass Frauen und Männer in Gesundheitskrisen – ähnlich wie auch bei den Auswirkungen des Klimawandels – aufgrund ihrer ungleichen Ausganslage und unterschiedlichen Bedürfnisse auch anders betroffen seien. "Aufgrund von Diskriminierung, eingeschränkter Mitspracherechte, Armut und wirtschaftlicher Abhängigkeit sind Frauen nach wie vor stärker von den Auswirkungen solcher Krisen betroffen", so die Bundesratspräsidentin.

Gleichzeitig würden Frauen jedoch eine entscheidende Rolle beim Krisenmanagement und der Bewältigung von Notsituationen spielen. "Wenn geschlechtsspezifische Dimensionen in Krisen nicht berücksichtigt werden, verschärfen sich bestehende Ungleichheiten und neue entstehen", warnte Eder-Gitschthaler. Frauen müssten deshalb ein essentieller Teil einer funktionierenden Krisenbewältigung und nachhaltigen Sicherheitsarchitektur sein sowie in die Entwicklung von klima- und gesundheitsbezogenen Strategien aktiv miteinbezogen werden.

Dass die Welt neben COVID-19 noch mitten in einer anderen veritablen Krise steckt, nämlich in der Klimakrise, unterstrich die Bundesratspräsidentin ebenfalls im Rahmen des ersten Panels des virtuellen Treffens. Einerseits würden auch hier die Folgen des Klimawandels sowie einhergehende Umweltkatastrophen vor allem Frauen und Mädchen treffen, da auch der Klimawandel geschlechtsneutral sei. Andererseits kämpften eine Vielzahl sehr engagierter Frauen aktiv gegen die Klimakatastrophe. Dem stehe jedoch die Tatsache gegenüber, dass Frauen noch immer seltener in politischen Entscheidungspositionen seien. "Eine Miteinbeziehung des Engagements von Frauen als speziell von der Klimakrise Betroffene ist ein essentieller Bestandteil der Lösung. Jede Entscheidung, die ohne Frauen und Mädchen getroffen wird, ist keine haltbare. Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne Gendergerechtigkeit", so Eder-Gitschthaler.

Bures: COVID-19 darf für Frauen nicht zu Rückschritten führen

25 Jahre nach Peking habe sich die Situation für Frauen weltweit zwar verbessert, aber zu langsam, unterstrich auch die Zweite Nationalratspräsidentin. Dabei seien die zaghaften frauenpolitischen Fortschritte der letzten Jahre und Jahrzehnte im Schatten der COVID-19-Pandemie gefährdet und würden Gefahr laufen, sogar zunichte gemacht zu werden. "COVID-19 darf nicht zu Rückschritten führen", so die Zweite Nationalratspräsidentin.

Alarmierende Entwicklungen sehe sie auch auf dem europäischen Kontinent mit großer Sorge, so Bures. Gerade dort, wo sich beispielsweise Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europarates aus dem paneuropäischen Rechtsrahmen der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zugunsten populistischer Politik auf dem Rücken von Frauen und Mädchen zurückziehen wollen würden.

"Gerade deshalb sind wir als starke, engagierte und einflussreiche Politikerinnen gefordert, die bisherigen Erfolge zu verteidigen. Wir müssen uns als Parlamentarierinnen, als Frauen und engagierte Bürgerinnen weiterhin konsequent für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen einsetzen", so der Appell der Zweiten Nationalratspräsidentin an ihre Amtskolleginnen. Mitsprache allein schütze zwar Frauen nicht vor Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt. Aber Mitsprache und Entscheidungsmacht seien Voraussetzungen dafür, dass Frauen ein unabhängiges, selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen können, so Bures.

IPU-Präsidentin Cuevas Barron: Gendergerechte Ansätze sind kein Luxus, sondern ein absolutes Muss

Angesichts der großen aktuellen Herausforderungen müsse Leadership auch ein weibliches Gesicht haben, hob die Präsidentin der Interparlamentarischen Union (IPU) Gabriela Cuevas Barron in ihrer Begrüßung hervor. Nicht zu unterschätzen sei angesichts der nach wie vor bestehenden Ungleichheiten für Frauen und Mädchen der Weg, der dafür noch zu beschreiten sei. Gendergerechte Ansätze seien kein Luxus, sondern ein absolutes Muss, betonte die IPU-Präsidentin.

Etwa der Anteil an Parlamentarierinnen sei in 25 Jahren nur von 11 auf 25 Prozent gewachsen, nur zu 5 bis 6 Prozent stehen Frauen an der Spitze von Staaten, so Cuevas Barron. Umgekehrt stellen Frauen einen Anteil von 70% aller Menschen im Gesundheitsbereich und stehen damit überall auf dieser Welt an vorderster Front im Kampf gegen die Pandemie. Zugleich verschlechtere sich sozioökonomisch in dieser Krise besonders die Lage der Frauen, warf die IPU-Präsidentin auf. Leider steige darüber hinaus auch Gewalt an Frauen und Mädchen in dieser Zeit weiter an. Insgesamt seien die Ungleichheiten durch die Pandemie noch verstärkt worden. 

Gabriela Cuevas Barron appellierte in diesem Sinn, weltweit fünf verpflichtende Aktionen umzusetzen, um für die Zukunft Diskriminierung zu eliminieren. Dazu gehöre die Umsetzung bewusster Gesetzgebung sowie Frauen dazu zu motivieren, in die Politik zu gehen – mit dem Ziel einer Transformation der Parlamente in geschlechtergerechte Institutionen und einer Aufteilung von 50:50. Bekämpft werden müsse auch jede ungleiche Bezahlung bis hin zur unbezahlten Pflegearbeit, ebenso wie Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Außerdem brauche es finanzielle Investitionen in Gleichbehandlung sowie Budgets, die auf Frauen und Mädchen zugeschnitten sind, so der Appell der IPU-Präsidentin zum Auftakt des 13. IPU-Gipfels der Parlamentspräsidentinnen.

20% der ParlamentspräsidentInnen weltweit sind Frauen. Insgesamt beträgt der Frauenanteil in nationalen Parlamenten 25%, damit ist zirka jedes vierte Parlamentsmitglied eine Frau. Die Ergebnisse des weltweiten Frauen-Gipfels werden in die 5. IPU-Weltkonferenz der ParlamentspräsidentInnen einfließen, die diesen Mittwoch und Donnerstag virtuell und im Jahr 2021 in Wien vor Ort stattfinden wird. (Schluss) keg/mbu

HINWEIS: Fotos vom virtuellen 13. IPU-Gipfel der Parlamentspräsidentinnen finden Sie auf der Website des Parlaments.