Parlamentskorrespondenz Nr. 923 vom 23.09.2020

Gewessler: Kreislaufwirtschaft ist Beitrag zu Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit

Aktuelle Stunde im Nationalrat zu neuen Wegen der Abfallvermeidung

Wien (PK) – Die heutige Nationalratssitzung hat mit einer Aktuellen Stunde zum von den Grünen gewählten Thema "Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermeidung" ihren Anfang genommen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte, dass der von ihr vorgestellte 3-Punkte-Plan zur Vermeidung von Plastikmüll nun der nächste wichtige Schritt sei. Um Plastikmüll in Zukunft deutlich zu reduzieren, sollen neben verpflichtenden Mehrwegquoten für den Einzelhandel auch ein Pfandsystem und eine Herstellerabgabe für die Erzeuger von Plastikverpackungen eingeführt werden. Die ÖVP mahnte eine differenzierte Sichtweise ein und unterstrich die Wichtigkeit der Steigerung der Sammelquote. Die Oppositionsparteien sahen große Uneinigkeit in der Regierung, signalisierten teilweise aber auch Unterstützung für die Pläne Gewesslers.

Gewessler: Verpflichtende Mehrwegquoten bringen Wahlfreiheit für KundInnen

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler unterstich in ihrer Wortmeldung, dass Österreich mit dem Weg hin zu einer Kreislaufwirtschaft nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit leisten könne. Gerade deshalb sei es jetzt an der Zeit, diese Diskussion zu führen. Österreich sei mit jährlich 900.000 Tonnen "das Land der Plastikmüllberge", deshalb müssten hier nun die richtigen Maßnahmen gesetzt werden. Neben dem Beitritt zum EU-Plastikpakt sei vor allem der 3-Punkte-Plan zur Vermeidung von Plastikmüll der nächste wichtige Schritt. Dieser beinhalte verpflichtende Mehrwegquoten für den Einzelhandel und soll den KundInnen Wahlfreiheit ermöglichen. Was die Einführung eines Pfandsystems betreffe, zeigte sich die Ministerin zuversichtlich, bis Ende des Jahres ein Modell vorstellen zu können. Zusätzlich soll durch eine Herstellerabgabe auf Plastikverpackungen erreicht werden, dass einerseits weniger Plastikmüll produziert und andererseits ein Verursacherprinzip eingeführt wird. Damit sollen diejenigen ProduzentInnen belohnt werden, die mehr und besser recyceltes Material einsetzen.

Grüne: Bevölkerung wünscht sich klare Maßnahmen der Politik

Auch die grüne Umweltsprecherin Astrid Rössler betonte in ihrer Wortmeldung die Dringlichkeit des Themas, wie Österreich in Zukunft mit Abfall umgeht. Gerade in Zeiten der Krise stelle sich die Frage, ob wir es uns bei steigender Arbeitslosigkeit, bei geringeren Haushaltseinkommen und bei vielen Betrieben, die um das Überleben kämpfen, leisten können, so viele Ressourcen einfach wegzuwerfen. Es gehe um die Frage, wie das Vorhandene besser genutzt und verteilt werden kann. Österreich sei lange Vorreiter im Bereich der Abfalltrennung gewesen, lobte Rössler die bereits gemachten Schritte zur Kreislaufwirtschaft. Da aber die Abfallmengen weiter steigen würden, brauche es nun Initiativen zu langlebigeren Produkten und zum Aufbau von Reperatursystemen, denn es sei oft billiger neu zu kaufen. Hier müsse man dringend gegensteuern. In diesem Zusammenhang wies Rössler auf die im Regierungsprogram geplanten Gesetzesvorhaben zur Abfallwirtschaft und zur Kreislaufwirtschaft hin. Sie unterstrich die Wichtigkeit des abgekündigten 3-Punkte-Programms der Klimaschutzministerin zur Eindämmung des Plastikmülls. Hier würde sich die Bevölkerung klare Maßnahmen der Politik wünschen. Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne) warnte davor, das Plastikmüllproblem kleinzureden. Nur 23% des Plastiks würden aktuell in Österreich recycelt, Plastik müsse zu einem wertvollen Stoff werden. Die Politik habe in den letzten Jahren auf freiwillige Maßnahmen gesetzt, diese seien aber nicht ausreichend gewesen, weshalb es jetzt neue Rahmenbedingungen brauche. Nach der Einigung auf politische Ziele im Regierungsprogramm müssten nun den Worten Taten folgen. Seine Fraktionskollegin Olga Voglauer sah das ähnlich und forderte die Erhöhung der Mehrwegquote von 19% auf 80%, da unter anderem aktuell etwa 4.500 Tonnen Plastikmüll in der Landschaft landen würden.

ÖVP für differenzierte Sichtweise

ÖVP-Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager bestätigte zwar das große Problem mit Plastikmüll, er forderte aber eine differenzierte Sichtweise ein. Die alleinige Verteufelung von Plastik sei nicht der richtige Weg, vor allem Pet-Flaschen würden nur 8% des Plastikmülls ausmachen. Eine bundesweite Sammelquote von 90% wäre hier der bessere Weg, so Schmuckenschlager. Er betonte, dass manche Bundesländer dieses Ziel bereits erreicht hätten, insbesondere Wien würde aber hier hinterherhinken. Was es unter anderem brauche, wäre eine Verschärfung des Strafkatalogs bei Müllentsorgung in der Natur, denn die Vergehen Einzelner dürften nicht durch neue Belastungen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Seine ÖVP-Kollegin Carmen Jeitler-Cincelli sah das angedachte Pfandsystem als großen Bürokratieaufwand für kleine Betriebe. Stattdessen würde es ein flächendeckendes Abholsystem von Plastikmüll für alle Haushalte in Österreich brauchen. Auch sie kritisierte die unterschiedlichen Sammelquoten der einzelnen Bundesländer und wollte die Kritik an der Wiener Sammelquote nicht als "Wien-Bashing" verstanden wissen. Man müsse in diesem Zusammenhang aber die Fakten ansprechen, so die ÖVP-Abgeordnete.

SPÖ signalisiert Unterstützung für Pläne von Gewessler

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr forderte in ihrer Wortmeldung ein grundsätzliches Umdenken ein. Aktuell sei die systematische Ausbeutung der Umwelt aufgrund von Profitinteressen wichtiger. Deshalb würden gute und langlebige Produkte nicht im Mittelpunkt des Wirtschaftens stehen. Was die Reduktion des Plastikmülls betrifft, sah Herr keine Einigkeit in der Regierung. Sie würde die vorgeschlagenen Maßnahmen der Klimaschutzministerin unterstützen. Bezüglich des EU-Vorschlags zur Einführung einer Plastiksteuer kritisierte sie den Vorschlag von Finanzminister Blümel, dass die SteuerzahlerInnen diese aus dem allgemeinen Budget bezahlen sollten. Dies würde bei den ProduzentInnen keine Anreize zur Verringerung der Plastikmenge schaffen. Auch Petra Bayr signalisierte der Ministerin Unterstützung bei ihrem 3-Punkte-Plan. Zudem entgegnete Bayr der Kritik an Wien und lobte das Wiener Mülltrenn- und Müllentsorgungssytem. Gerade Wien sei Vorbild für viele andere Großstädte und wolle bis 2050 zur "Zero-Waste-Stadt" werden.

FPÖ ist Verbündete bei Einführung eines Pfandsystems

FPÖ-Mandatar Walter Rauch kritisierte, dass die Themenauswahl der Aktuellen Stunde gerade bei den heutigen geplanten Einschränkungen der Freiheitsrechte fehl am Platz sei. Er könne zwar vieles von den Vorschlägen der Ministerin unterschreiben, riet aber dazu, sich vorab mit dem Koalitionspartner abzustimmen. Bis jetzt würde er nur Überschriften kennen, es gäbe aber mit der FPÖ einen Verbündeten, wenn es um die Einführung eines Pfandsystems gehe. Auch die Steigerung der Mehrwegquote sehe er positiv, es gelte aber, die Blockadehaltung der ÖVP zu überwinden. Auch sein Fraktionskollege Erwin Angerer mahnte, dass die Thematik der Aktuellen Stunde an einem Tag, an dem Grundrechte und Verfassung "weggeworfen" würden, deplatziert sei. Er kritisierte in diesem Zusammenhang das bisherige Krisenmanagement von Regierung und Wirtschaftskammer.

NEOS fordern mehr Engagement in Sachen Klimaschutz

In Bezug auf die EU-Einwegplastikrichtlinie lehnen die NEOS den Vorschlag von Finanzminister Blümel zur Deckung einer möglichen Strafzahlung aus dem allgemeinen Budget laut NEOS-Abgeordnetem Michael Bernhard strikt ab. Auch deshalb sei die Einführung eines Pfandsystems der richtige Schritt. Bernhard betonte, dass es in Österreich grundsätzlich eine zu hohe Steuer- und Abgabenlast geben würde. Durch eine Senkung der Lohnnebenkosten könnten viele Produkte wieder in Österreich hergestellt und erworben werden, was wiederum zu einer klimaschonenderen Produktion führen würde. Zudem würden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Yannick Shetty (NEOS) kritisierte, dass seit Amtsantritt der Regierung im Jänner zu wenig in Sachen Klimaschutz weitergegangen sei. Es habe zwar einige gute und wichtige Schritte gegeben, diese würden aber nicht ausreichen. Es brauche nun fundamentale Lösungen. Vor allem die jungen Menschen würden die Klimakrise als das am dringlichsten zu lösende Problem sehen, betonte Shetty. (Fortsetzung Nationalrat) med

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