Parlamentskorrespondenz Nr. 1011 vom 08.10.2020

Bundesrat erhebt keine Einwände gegen weitere COVID-19-Maßnahmen

Verzicht auf Rückzahlung von Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld, Kurzarbeit für Lehrlinge, weitere Fristerstreckungen

Wien (PK) – Auch gegen die weiteren gesetzlichen Maßnahmen zur Abfederung der COVID-19-Pandemie, die bei der Sondersitzung des Bundesrats Ende September noch nicht auf der Tagesordnung standen, gab es heute einhellig keine Einwände vonseiten der Länderkammer. Das betrifft gewährte Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld, die 2020 und 2021 fällig gewesen wären und nicht zurückbezahlt werden müssen sowie die Verlängerung der Kurzarbeit für Lehrlinge als auch weitere Fristerstreckungen für KreditnehmerInnen. Mehrheitlich gebilligt wurden zudem die gesetzliche Grundlagen für den elektronischen Impfpass.

Einigkeit zum Rückzahlungsverzicht auf Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld

Eine Änderung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes ermöglicht, dass Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld – eine Art Familienkredit - aus den Jahren 2015 und 2016 nicht eingefordert werden. Die Rückforderungen wären in den Jahren 2020 und 2021 fällig gewesen. Damit sollen besonders einkommensschwache Familien entlastet werden.

Die Maßnahme wurde in der Debatte von allen Fraktionen unterstützt. Familienministerin Christine Aschbacher reihte die Maßnahme in die bestehenden Instrumente zur Abfederung der Corona-Folgen für Familien, wie die Aufstockung des Familienhärtefonds und die Auszahlung des Kinderbonus, ein. Es sei das Anliegen aller, Familien zu unterstützen und dies auch zu tun, wenn die Pandemie noch länger andauere.

Die Maßnahmen würden zeigen, dass nicht nur geredet werde, sondern Hilfe angeboten wird, wo diese am dringendsten notwendig sei, erklärte die steirische ÖVP-Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Mit dem Verzicht auf die Rückforderungen würde in 4.000 Fällen mit etwa 4 Mio. € geholfen werden. Claudia Hauschildt-Buschberger (G/O) betonte, dass zwar nicht nur Familien von den Folgen der Pandemie betroffen seien, aber diese besonders hart getroffen würden. Mit der Maßnahme helfe man in der Krise ein weiteres Mal und mache einen Schritt zur Linderung von Kinderarmut.

Zustimmung zur Initiative kam auch von den SozialdemokratInnen, wenn auch weitere Maßnahmen gefordert wurden. Bundesrätin Sandra Gerdenitsch (S/B) begrüßte den Verzicht, da viele Familien und viele Alleinerzieherinnen durch die Pandemie massiv bedroht seien. Verbesserungen ortete sie aber im einkommensabhängigen Kindergeld. Die Voraussetzungen seien gerade in Zeiten der Krise schwer zu erreichen und es sei notwendig, etwas zu unternehmen, erklärte sie Richtung Bundesministerin Aschbacher. Auch ein Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit würde für Planungssicherheit sorgen und Eltern einen Teil der Ängste nehmen. Es sei eine Rekordarbeitslosigkeit zu erwarten und Bundeskanzler Sebastian Kurz habe in den letzten drei Jahren die Aktion 20.000 abgeschafft und das AMS Budget um 600 Mio. € gekürzt. Fraktionskollegin Daniel Gruber-Pruner (S/W) plädierte für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, da es Familien nachhaltig helfen und über einen längeren Zeitraum Sicherheit schaffen würde.

Auf die Kritik der SPÖ zu 20.000 nicht erledigten Anträgen des Familienhärtefonds entgegnete Ministerin Aschbacher, dass die Bearbeitungsquote bei 93% liege und 7.400 der 7.600 offenen Anträge aus den Monaten September und Oktober abgearbeitet seien. Man habe die Ressourcen intensiv aufgestockt um die Familien zu unterstützen, so die Ministerin.

Seitens der Freiheitlichen sagte Thomas Dim (F/O) die Unterstützung der Freiheitlichen für den Rückzahlungsverzicht zu, da die Maßnahme den Familien Rechts- und Planungssicherheit gebe. Das Damoklesschwert über den Familien würde somit weggenommen, so Dim. Allerdings bedauerte er, dass die freiheitliche Forderung nach der Verdoppelung der Familienbeihilfe in den Monaten der Schulschließungen bis dato keine Mehrheit fand, denn viele Eltern hätten in der Zeit neben dem Homeoffice auch die Betreuung der Kinder übernommen.

Elektronischer Impfpass soll erhebliche Erleichterungen für PatientInnen und Vereinfachung der Administration bringen

Mit einer Regierungsvorlage zum Gesundheitstelematikgesetz werden die rechtlichen Grundlagen für die Einführung eines "Elektronischen Impfpasses" (E-Impfpass) geschaffen. Geplant ist, diesen zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts rund ein Jahr lang zu testen. Danach soll eine Evaluierung durchgeführt werden und die Einführung schrittweise erfolgen. Als erstes Vollbetriebsjahr wird 2023 angepeilt. Kernstück der neuen E-Health-Anwendung ist ein von der ELGA GmbH zu errichtendes zentrales Impfregister, das der Dokumentation aller Impfungen dient und aus dem der individuelle E-Impfpass generiert wird. Die darin gespeicherten Daten sind zehn Jahre nach Sterbedatum, spätestens 120 Jahre nach Geburt der BürgerIn zu löschen.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) hob die zahlreichen Vorteile des elektronischen Impfpasses hervor, der neben dem persönlichen Nutzen den Behörden einen besseren Überblick über die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung ermöglichen wird. Positiv sei zudem, dass valide Daten aus dem Impfausweis in das elektronische Impfregister nachgetragen werden können. Auch Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP/O) hielt den E-Impfpass für eine zeitgemäße Weiterentwicklung eines wichtigen Instruments, was zu einer höheren Qualität in der Behandlung der PatientInnen beitragen werde.

Die Bundesräte Ingo Appé (SPÖ/K) sowie Wolfgang Beer (SPÖ/W) schlossen sich grundsätzlich den Ausführungen ihrer Vorrednerinnen an. Da durch Schutzimpfungen weltweit Millionen von Leben gerettet werden können, sollte das Gesundheitsministerium noch mehr Aufklärungsarbeit in diesem Bereich leisten, regte Appé an. Nach Auffassung des Bundesrates Wolfgang Beer sei es wichtig, den Personenkreis, der in die Daten einsehen könne, sehr stark zu begrenzen.

Massive Kritik kam nur vonseiten der Freiheitlichen, die im Zusammenhang mit dem elektronischen Impfpass von einem "Ausschnüffelungssystem" sprachen. Das Ausmaß der Datensammlung sei viel zu weitreichend, bemängelte Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ/T), dies sei auch in zahlreichen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht worden. Außerdem würden all jene 270.000 Personen, die sich vom ELGA-System abgemeldet haben, nun zwangsbeglückt, zumal es keine Widerspruchsmöglichkeit gebe. Zu befürchten sei zudem, dass auf diesem Weg eine Impfpflicht durch die Hintertür eingeführt werde. Anschober sei für ihn jedenfalls "der unfähigste Minister aller Zeiten".

Ein zentrales Impfregister mache nur dann Sinn, wenn es mit ausreichenden Informationen bestückt werde, entgegnete Bundesminister Rudolf Anschober. Dadurch werde man in Hinkunft über eine aussagekräftige Datenbasis und eine gute Grundlage für zukünftige gesundheitspolitische Maßnahmen verfügen. Im Endausbau werde es nicht nur möglich sein, den Nachtrag von Impfungen durchzuführen, sondern auch eine Erinnerungsfunktion zu aktivieren. Was die Behandlung von COVID-19 betrifft, so schaue es bei den Verhandlungen der EU mit den Produzenten von möglichen Impfstoffen sehr gut aus, informierte der Ressortchef, mittlerweile konnten drei Vertragsabschlüsse getätigt werden. Österreich sei mit 2% am Gesamtpaket der Europäischen Union beteiligt.

COVID-19 als große Herausforderung für die Sozialpolitik

Auf der Tagesordnung der Länderkammer stand außerdem der aktuelle Sozialbericht, der über Maßnahmen, Aktivitäten und Neuerungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ab dem Jahr 2017 informiert. Auf 180 Seiten werden die letzten Entwicklungen am Arbeitsmarkt, im Arbeitsrecht, in der Sozialversicherung, im Bereich Behinderung und Pflege, in der allgemeinen Sozialpolitik, in der Gesundheitsversorgung sowie im Konsumentenschutz zusammengefasst. Im Jahr 2018 etwa standen die europäischen und internationalen Aktivitäten ganz im Zeichen des österreichischen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union.

Die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf den Arbeitsmarkt, aber auch die soziale Situation in Wien dominierten die Debatte, wobei Karlheinz Kornhäusl (ÖVP/St) zu bedenken gab, die Zahlen des Sozialberichts seien aufgrund der Pandemie überholt. Vor COVID-19 habe es eine Rekordbeschäftigung gegeben, nun verzeichne man hingegen eine Rekordarbeitslosigkeit. Die Bundesregierung habe aber eine Fülle von Maßnahmen gesetzt, um Arbeitsplätze zu sichern und den arbeitslosen Menschen wieder Hoffnung und Perspektiven zu bieten. Als problematisch sah Kornhäusl ebenso wie sein Fraktionskollege Ernest Schwindsackl (ÖVP/St) den Umstand, dass 60% aller BezieherInnen von Mindestsicherung in Wien leben. Der Sozialstaat brauche die Akzeptanz auch jener, die in das System einzahlen, gaben die beiden ÖVP-Bundesräte zu bedenken und warfen der SPÖ vor, nur noch die Interessen der EmpfängerInnen zu vertreten.

Seitens der SPÖ machte Corinna Schuhmann (SPÖ/W) auf den Höchststand an Arbeitslosen seit Corona aufmerksam und vermisste vor allem wirksame Konzepte für den Arbeitsmarkt. Ziel müsse es sein, 2021 die Arbeitslosigkeit wieder auf das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie zu senken, "koste es, was es wolle". Schuhmann forderte insbesondere Arbeitsstiftungen für ältere ArbeitnehmerInnen, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes sowie besondere AMS-Maßnahmen für Frauen und Langzeitarbeitslose.

Bernhard Rösch (FPÖ/W) setzte sich kritisch mit den Zahlen des Berichts zu Wien auseinander und bezeichnete die Bundeshauptstadt als Stadt der Armen, der MindestsicherungsbezieherInnen, der Analphabeten und der Gewalt, was SPÖ-Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ/W) mit scharfen Worten als "Wien-Bashing" zurückwies. Rösch legte in einem Entschließungsantrag ein FPÖ-COVID-19-Maßnahmenpaket vor, dessen Forderungen von der Erhöhung des Arbeitslosengelds um einen Zuschlag von 30% über die Verdoppelung der Familienbeihilfe für die Zeit der Schulschließungen bis hin zum Österreich-Gutschein von 1.000 € für Einkäufe bei heimischen Unternehmen reichten. Der FPÖ-Antrag wurde allerdings abgelehnt.

Andreas Lackner (G/St) unterstrich die Rolle von Ausbildungspflicht und Ausbildungsgarantie als wirksame Strategien im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und begrüßte vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise die von der Regierung bereitgestellten 700 Mio. € für die Ausbildungsoffensive. 

Bundesminister Rudolf Anschober sah die Eindämmung der Pandemie und die Abfederung der sozialen Auswirkungen der Krise als vorrangige Ziele und sprach von großen beschäftigungspolitischen Chancen bei Investitionen in den Klimaschutz sowie auf dem Gebiet der Pflegeberufe. Wichtig sei es, "halbwegs gut" durch die schwierigste Rezession seit 90 Jahren zu kommen, dies müsse unser Grundkonsens sein, betonte er. Man sei vorbereitet auf den Herbst und den Winter, versicherte Bundesministerin Christine Aschbacher und nannte dabei Maßnahmen wie den Neustartbonus, die Eingliederungsbeihilfe, die Corona-Kurzarbeit und die Joboffensive inklusive der Arbeitsstiftungen. Im Fokus stehen Frauen und Jugendliche, aber auch Investitionen in die Aus- und Weiterbildung. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Zahl der Lehrstellen laut Schramböck nur geringfügig zurückgegangen

Was die Verlängerung der Kurzarbeit für Lehrlinge betrifft, bekräftige Marco Schreuder (Grüne/W), dass durch die Kurzarbeit 5.000 Lehrstellen erhalten werden konnten. Auch der nach Betriebsgröße gestaffelte Lehrlingsbonus hat sich laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bewährt. Ihr zufolge gab es Ende September 101.676 Lehrstellen, was lediglich einen Rückgang von 0,7% gegenüber dem Vorjahr bedeutet. In etlichen Bundesländern gebe es sogar mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende, auch weil es heuer weniger SchulabbrecherInnen als sonst gebe.

Keine Mehrheit erhielt ein Entschließungsantrag der FPÖ, in dem die Regierung aufgefordert wird, dem Nationalrat und dem Bundesrat ein umfassendes Lehrlingspaket vorzulegen. Ziel der FPÖ ist es, allen Jugendlichen, die in den nächsten Monaten eine Lehre machen wollen, aber keinen Lehrplatz in der Wirtschaft finden, einen Platz in einer Überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜBA) oder direkt bei der öffentlichen Hand zu garantieren. Zwar sieht auch die Kärntner SPÖ-Bundesrätin Nicole Riepl erhebliche Versäumnisse der Regierung im Bereich der Lehrlingsausbildung, die SPÖ stimmte aber ebenso wenig für die Initiative wie die Koalitionsparteien.

Ihre letzte Rede im Bundesrat hielt die Tiroler ÖVP-Bundesrätin Klara Neurauter. Sie rief ihre KollegInnen dazu auf, einander mit Respekt zu begegnen. Justizministerin Alma Zadić betonte in der Sitzung, dass die Regierung mit Hochdruck an einer Modernisierung des Insolvenzrechts arbeite, um Unternehmen eine zweite Chance zu geben.

Einstimmig von der Länderkammer zur Kenntnis genommen wurde schließlich der EU-Vorhabensbericht aus dem Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsministerium. (Fortsetzung Bundesrat) red


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