Parlamentskorrespondenz Nr. 1035 vom 14.10.2020

Nationalrat verurteilt Gewalt gegen DemonstrantInnen in Belarus und fordert faire Wahlen

FPÖ hält Sanktionen gegen Weißrussland für kein geeignetes Mittel

Wien (PK) – Mit der Verurteilung der Gewalt gegenüber friedlichen DemonstrantInnen in Belarus, der Unterstützung der EU bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie sowie dem freiheitlichen Vorschlag nach der raschen Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat setzte der Nationalrat seine Beratungen zum Thema Außenpolitik heute fort.

Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation in Belarus (Weißrussland), wo unter Machthaber Alexander Lukaschenko seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen gegen friedliche DemonstrantInnen mit Gewalt vorgegangen wird, setzten sich ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS mit einer gemeinsamen Initiative für ein weiteres Engagement Österreichs zur Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft und JournalistInnen im Land ein, die mehrheitlich - ohne die Stimmen der Freiheitlichen – angenommen wurde. Die FPÖ begründete ihre Ablehnung damit, dass Sanktionen keinen positiven Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten würden, wie man am Beispiel Russland deutlich sehen könne. Ein im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung ersucht wird, sich aktiv für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen, fand die Zustimmung aller Parteien.

Belarus: Vier-Parteien-Antrag zur aktuellen politischen Situation in Belarus

Seine Fraktion werde dem Antrag betreffend die aktuelle Situation in Belarus nicht zustimmen, erklärte Axel Kassegger (FPÖ), der eine differenziertere und gesamthaftere Betrachtung der Causa einforderte. Es sei natürlich nicht zu bezweifeln, dass es in Weißrussland demokratie- und menschenrechtspolitische Defizite gebe. Aber das Beispiel Russland habe eindrücklich gezeigt, dass Sanktionen gegen ein Land oder gegen einzelne Personen keinen sinnvollen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten. Außerdem müsse man aufpassen, dass in Europa nicht wieder ein neuer Eiserner Vorhang errichtet werde. Er möchte es jedenfalls nicht, wenn in Weißrussland irgendwann einmal NATO-Raketen aufgestellt werden.

Die Bundesregierung soll laut gemeinsamer Entschließung weiterhin für ein sofortiges Ende der Gewalt gegen friedliche DemonstrantInnen in Belarus, die unverzügliche Freilassung aller willkürlich Verhafteter, die Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen sowie eine freie und faire Wiederholung der Präsidentschaftswahlen samt internationaler Wahlbeobachtung eintreten, erläuterte ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka den Antrag. Geht es nach den Parlamentsfraktionen, soll Österreich zudem auf europäischer Ebene die Sanktionen gegen Personen, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlbetrug in Belarus verantwortlich sind, weiterhin unterstützen und gegebenenfalls für eine Verschärfung einstehen. Der von niemanden anerkannte Präsident, der brutal gegen die DemonstrantInnen vorgehe, habe nun sogar angekündigt, scharfe Waffen einsetzen zu lassen, zeigte Lopatka besorgt auf. Erst am letzten Wochenende seien wieder 700 Menschen verhaftet worden. Er frage sich, was alles noch passieren müsse, damit sich auch die Freiheitlichen "auf die richtige Seite stellen". 

Seit mehr als zwei Monaten riskiere die weißrussische Bevölkerung ihre persönliche Freiheit, weil sie sich vom Langzeitherrscher Lukaschenko nicht die Wahlen und ihre eigene Zukunft stehlen lassen wolle, führte Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic aus. An fairen und freien Wahlen und einem Übergang zu demokratischen Machtverhältnissen führe kein Weg mehr vorbei. Es sei daher sehr wichtig, dass der österreichische Nationalrat ein klares Signal aussende. Positiv bewertete Ernst-Dziedzic auch die von Außenminister Schallenberg thematisierte Umschichtung von EU-Mitteln, die ursprünglich für Gemeinden und Behörden in Belarus vorgesehen waren, in Richtung der Zivilgesellschaft.

SPÖ-Abgeordneter Harald Troch schloss sich seinem Vorredner an und brachte einen von allen Parteien unterstützen Entschließungsantrag betreffend aktives Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe ein. Darin wird die Bundesregierung unter anderem ersucht, diesbezügliche Initiativen, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, weiterhin mit Nachdruck voranzutreiben. Außerdem soll die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte auch künftig einschlägige Projekte fördern. Was Weißrussland betrifft, so gelte es, sich auf bilateraler als auch europäischer Ebene dafür zu engagieren, dass alle bereits gefällten Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt werden.

NEOS-Vertreter Helmut Brandstätter sprach von einer dramatischen Situation, da Lukaschenko den Einsatz von Waffen angekündigt hat. Die Europäische Union könne sich dann nicht darauf ausreden, von nichts gewusst zu haben, wenn es tatsächlich zu Massakern kommen sollte. Er sei überzeugt davon, dass die EU-AußenministerInnen entschiedener agieren müssen, um Schreckliches zu verhindern.

Unterstützung der EU bei Ausarbeitung des Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie

Im März wurde von der EU der neue Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie 2020 – 2024 vorgelegt, dessen Umsetzung im Rahmen einer - mehrheitlich beschlossenen – Entschließung von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS unterstützt wird. Der Aktionsplan sieht auch Handlungslinien für das zukünftige EU-Engagement unter anderem für den Schutz und die Stärkung des Einzelnen und den Aufbau resilienter, inklusiver und demokratischer Gesellschaften vor. Außenminister Alexander Schallenberg wird von den vier Parteien ersucht, die Bemühungen der EU für die Ausarbeitung eines umfassenden Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie für 2020 bis 2024 zu unterstützen. Zudem soll sich Schallenberg auf EU-Ebene für die Einführung einer unionsweit geltenden Regelung für Sanktionen bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte einsetzen. Ein Antrag von ÖVP und Grünen zur nachhaltigen Lösung des Konflikts in Syrien sowie zur Situation der KurdInnen wurde einstimmig angenommen.

In einer gemeinsamen Initiative von SPÖ und NEOS wurden die Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze thematisiert und ein entschiedenes Auftreten dagegen von Seiten Österreichs gefordert. Dieses Verlangen blieb bei der Abstimmung in der Minderheit. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) stellte diesbezüglich fest, dass man an dem Thema bereits dran sei.

FPÖ: Syrische Flüchtlinge sollen wieder in Heimat zurückkehren

Keine Mehrheit fand ein Antrag der Freiheitlichen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die geflüchteten SyrerInnen in Österreich zu einer raschen Rückkehr zu motivieren, damit diese ihre Heimat wiederaufbauen können. Auch die im Zuge der Debatte eingebrachte FPÖ-Initiative betreffend keine Aufnahme von "Moria-Migranten" und Ablehnung des neuen EU-Migrations- und Asylpakts wurde abgelehnt.

Das Asylrecht ermögliche einen Schutz auf Zeit und dürfe daher nicht mit Wirtschaftsmigration verwechselt werden, merkte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger unter Bezug auf den freiheitlichen Antrag an. Seine Fraktionskollegin Susanne Fürst begründete die negative Bewertung des Aktionsplans der EU durch ihre Fraktion damit, dass er ihrer Ansicht nach "viele Scheinheiligkeiten" und zudem Ansätze enthalte, die den Interessen der BürgerInnen diametral entgegen stünden. Damit verbunden wäre nämlich eine massive Beschneidung der Grundrechte.

Für ÖVP-Abgeordneten Nico Marchetti stand bei der Asyldebatte das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund. Bezüglich der aktuellen Situation in Syrien gab er zu bedenken, dass es noch immer keinen vertrauenswürdigen Friedensprozess gebe.

Die Umsetzung des Antrags der Freiheitlichen würde Menschenleben gefährden, warnte Michel Reimon (Grüne), denn bei Syrien handle es sich nach wie vor um ein Kriegsgebiet. Die EU sei Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic zufolge als strategischer, wirksamer und selbstbewusster Partner in der Außenpolitik von enormer Wichtigkeit. Der Aktionsplan sei daher ausdrücklich zu unterstützen. Ein besonderes Anliegen war ihr die Situation der KurdInnen insbesondere in Syrien, was auch in einem gemeinsamen Antrag mit der ÖVP zum Ausdruck kam. Darin wird die Regierung ersucht, sich auf EU-Ebene weiter für humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Syrien, inklusive der kurdischen Bevölkerung, einzusetzen, um die humanitäre Notlage, die durch die COVID-19-Pandemie und die Wirtschaftskrise noch verschärft wurden, zu lindern. Außerdem stand die Verbesserung der menschenrechtlichen Situation und Achtung von Grundfreiheiten in der Türkei, insbesondere der Lage der KurdInnen, im Fokus des Antrags.

SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr hielt es für wichtig, über das Thema Wirtschaft und Menschenrechte zu sprechen. Zum Glück sei es vielen KonsumentInnen nicht mehr egal, ob Textilien durch Kinderarbeit erzeugt werden oder dass Produkte Palmöl enthalten, für das Regenwälder abgeholzt werden. Sie appellierte an die Regierung, in dieser Frage nicht auf der Bremse zu stehen, sondern sich stattdessen für verbindliche Regelwerke einzusetzen.

Ihre Fraktionskollegin Nurten Yilmaz befasste sich vor allem mit Vorfällen an der kroatisch-bosnischen Grenze, wo es nicht nur zu massiver körperlicher Gewalt gegenüber Geflüchteten von Seiten der Behörden vor Ort gekommen ist, sondern auch zu Zurückweisungen von MigrantInnen und Asylsuchenden ("push-backs"). Diese rechtswidrige Vorgangsweise auf europäischem Boden müsse ein Ende haben, forderte sie im Rahmen eines gemeinsamen Entschließungsantrags mit den NEOS.

Der Regierung seien die Menschenrechte dann nicht mehr so wichtig, wenn es um die Flüchtlinge gehe, merkte NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter an, die die verheerenden Zustände im Lager Moria ansprach. Die angeblich rasche Hilfe vor Ort sei nichts mehr als eine billige PR-Aktion gewesen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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