Parlamentskorrespondenz Nr. 1388 vom 10.12.2020

Nationalrat: NEOS befürchten "Generation Corona" und schlagen Zukunftskonvent vor

Vizekanzler Kogler sieht große Jobchancen für junge Menschen bei der Bewältigung der Klimakrise

Wien (PK) – Mit einer Aktuellen Stunde, in der die NEOS die Frage "Warum riskieren Sie eine Generation Corona, Herr Bundeskanzler?" stellten, läutete heute der Nationalrat seinen vorweihnachtlichen Beschlussmarathon ein. Aufgrund des schlechten Krisenmanagements der Regierung seien vor allem die Kinder und Jugendlichen betroffen, zeigte sich Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger überzeugt. Man müsse nun die Ärmeln aufkrempeln und einr klare Strategie entwickeln. Ihren konkreten Wunsch für das Jahr 2021 nach Ausrichtung eines Zukunftskonvents übermittelte sie dem anwesenden Vizekanzler Werner Kogler, der den Bundeskanzler im Plenum vertrat. Auch er wolle, dass 2021 ein Comeback-Jahr werde, betonte Kogler, der sich offen für kreative Vorschläge zeigte und für ein Investieren aus der Krise heraus eintrat. Besondere Chancen vor allem für die junge Generation würden sich im Zuge der Bewältigung der Klimakrise ergeben, weil dadurch tausende Arbeitsplätze generiert werden könnten. Um die aktuellen Probleme zu lösen, habe die Regierung ein soziales Absicherungspaket geschnürt, das vom Bildungsbonus bis zum Kinderbonus und der Erhöhung des Arbeitslosengeldes reiche.

Meinl-Reisinger: Anliegen der jungen Menschen müssen viel mehr im Fokus sein

Österreich habe die zweite Corona-Welle im internationalen Vergleich sehr schlecht gemanagt, urteilte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die dabei vor allem die hohe Anzahl an Todesfällen sowie die schlechten Wirtschaftsdaten ins Treffen führte. Zu den massiven VerliererInnen zählten nicht nur die BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen, die viel zu wenig geschützt worden seien, sondern auch die Selbstständigen, die Arbeitslosen und vor allem die jungen Menschen. Meinl-Reisinger war der Auffassung, dass die Krise die junge Generation doppelt treffe, weil unter anderem die "geraubten" Bildungschancen dramatische Auswirkungen auf die Erwerbsbiographien haben würden. Schon jetzt sei die Arbeitslosenrate unter Jugendlichen um 26% gestiegen und die Anzahl an offenen Lehrstellen um 19,4% zurückgegangen. Außerdem führe die "Koste es, was es wolle"-Politik der Regierung dazu, dass der Schuldensack immer größer werde und das Pensionssystem immer schwieriger zu finanzieren sei. Es brauche daher ernsthafte Reformen, war Meinl-Reisinger überzeugt, die sich für einen Zukunftskonvent stark machte.

Kogler für ein "Investieren aus der Krise hinaus"

Es sei zweifellos richtig, dass die junge Generation von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen sei, räumte Vizekanzler Werner Kogler ein. Dies reiche vom Bildungssektor bis hin zu den Jobchancen. Es brauche daher auch aus seiner Sicht einen umfassenden Maßnahmenkatalog, damit 2021 ein Comeback-Jahr werde. Kogler meldete jedoch Zweifel an, ob ein Konvent das optimale Instrument darstelle, um drängende Fragen zu lösen. Der Vorschlag von Meinl-Reisinger sei sicher gut gemeint, allerdings schrecke ihn das Schicksal des Verfassungskonvents ein wenig von der Umsetzung eines solchen Modells ab.

Was die Schulen angeht, so habe er sich immer dafür eingesetzt, dass die Bildungseinrichtungen so lange wie möglich offen bleiben sollen, betonte Kogler. Allerdings müsse man gleichzeitig bedenken, dass im Schulbereich, der zwar ein geringeres Infektionsgeschehen aufweise, weit über eine Million Menschen Kontakte haben. Und in einer Pandemie müsse man auch diese Fakten berücksichtigen. Die von der Regierung gefundene Lösung, die eine Betreuung für all jene, die es brauchen, vorgesehen hatte, könne sich daher durchaus sehen lassen. Zusätzlich werden noch die Tests für die PädagogInnen einen wichtigen Beitrag leisten, um den Unterricht auch in Zukunft abzusichern. Um einen weiteren Anstieg des Bildungs-Gaps zu verhindern, werden entsprechende Gegenmaßnahmen wie etwa der Ausbau des Förderunterrichts gesetzt, führte Kogler als Beispiel an. Große Chancen sah der Vizekanzler im Zuge der Bewältigung der Klimakrise, für die bereits Milliarden an Euro bereitgestellt worden seien. Die mit dem Prinzip des "Investierens aus der Krise hinaus" verbundenen Jobperspektiven werden vor allem den jungen Menschen zugutekommen, war Kogler überzeugt.

ÖVP: Junge Menschen brauchen Hoffnung und Zuversicht   

Kinder und Jugendliche zählen sicher zu den großen Verlierern der Corona-Krise, urteilte ÖVP-Abgeordnete Claudia Plakolm. Sie verwehre sich aber dagegen, eine ganze Generation als "lost" abzustempeln. Gerade junge Leute hätten mit tollen Initiativen gezeigt, wie sehr sie sich für die Gemeinschaft einsetzen und damit Risikogruppen schützen. Außerdem hätte die Krise auch dazu beigetragen, neue Fertigkeiten wie selbständiges und strukturiertes Lernen oder den Umgang mit digitalen Arbeitstools zu erwerben. Statt sich immer nur auf die Probleme zu konzentrieren, sollte ihrer Meinung viel mehr im Fokus stehen, was aus der Krise gelernt werden könne. Da der Einsatz von digitalen Lernplattformen oder das Distance Learning auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, habe die Regierung genau in diesen Bereichen einen Schwerpunkt gesetzt. So schwierige Zeiten könnten aber nur dann überwunden werden, wenn alle zusammenhalten, stellte ihr Fraktionskollege Nico Marchetti in Richtung aller Fraktionen fest.

SPÖ fordert entschlossenen Plan, damit nicht eine ganze Generation "am Abstellgleis landet"

Wenn Vizekanzler Kogler an die Abgeordneten appelliere, "wieder auf den Boden zurückzukommen", zeuge das von Hochmut und Arroganz, beklagte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Es habe niemand behauptet, dass die Bundesregierung nichts mache, aber es sei eben nicht genug. Die Maßnahmen würden weder der Dimension der Krise gerecht werden, noch stecke ein treffsicherer Plan dahinter. Vergessen habe man vor allem auf die älteren Menschen, die AlleinerzieherInnen und die Kinder und Jugendlichen, urteilte sie. Gerade im Bildungssektor zeigten sich die Versäumnisse der Regierung, zumal es nach neun Monaten Krise noch immer kein funktionierendes Sicherheitskonzept für die Schulen gebe. Betrüblich sei auch die Lage am Arbeitsmarkt, da mittlerweile 40.000 junge Menschen keinen Job haben. Dies sei um 25% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs, zeigte Rendi-Wagner auf. Wenn nichts gemacht werde, sei eine ganze Generation davon bedroht, "am Abstellgleis zu landen". Die Opposition habe ganz viele konkrete Vorschläge eingebracht, die in den Ausschüssen aber immer wieder ignoriert werden, bedauerte Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Sie erneuerte die Forderungen der SPÖ nach einem umfassenden Sicherheitskonzept für die Schulen, den Ausbau der Ganztagsschulen nach dem Vorbild Wiens, der finanziellen Absicherung der Jugendarbeit sowie nach einer Joboffensive. 

Grüne legen Pläne für die Zeit nach Corona vor

Es sei die Aufgabe der Politik, das Land bestmöglich durch die Corona-Krise zu führen, betonte Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne). Auch wenn einzelne Fehler passiert seien, setze sich die Regierung kontinuierlich und mit aller Kraft dafür ein, entstandene Härten abzufedern und Ausgleichsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Als Beispiele führte sie die Aufstockung des Familienhärtefonds oder das Paket zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit (z.B. Lehrlingskurzarbeit) an. Während die Epidemie einmal vorbei sein werde, stehe bei der Klimakrise die Zukunft der nächsten Generationen auf dem Spiel, gab Neßler zu bedenken. Ebenso wie ihr Fraktionskollege Lukas Hammer plädierte sie daher dafür, die Klimakrise als Wendepunkt zu nutzen, um die Konjunktur anzukurbeln. Gerade weil den Menschen jetzt so viel abverlangt werde, habe man die "verdammte Pflicht", die Umweltfehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen, unterstrich Hammer. Stattdessen werde es Prämien für alle Klimaschutzinvestitionen bis 50 Mio. € geben und der öffentliche Verkehr massiv gefördert. In Aussicht stellte er auch eine Ökosteuerreform, die nächstes Jahr umgesetzt werden soll.

FPÖ befürchtet massive Folgeschäden durch Corona-Regelungen an den Schulen

Die heutige Wortmeldung des Vizekanzlers beweise wieder einmal, dass die Regierung die massiven Auswirkungen der Corona-Krise auf die jungen Menschen, die sich seit beinahe zehn Monaten immer wieder in Isolation befunden haben, nicht ernst nehme, beklagte FPÖ-Abgeordneter Hermann Brückl. Die Regierung sei planlos unterwegs und befinde sich auf einer Irrfahrt. Das Krisenmanagement sei geprägt durch eine Verbotskultur, eine Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte sowie eine Kommunikationskultur hinter verschlossenen Türen. Entgegen aller ExpertInnenmeinungen seien im Herbst die Schulen abermals de facto geschlossen worden, was langfristig negative Folgen für die Kinder und Jugendlichen haben werde. Dieser Meinung schloss sich auch FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst an, die von Panik- und Angstmache durch die Regierung sprach. Die von den politisch Verantwortlichen aufgebaute Stimmung sei für die Kinder und Jugendlichen, die nun sogar im Unterricht stundenlang Masken tragen müssten, unglaublich belastend.

NEOS: Regierung hat auf junge Generation vergessen und ältere Menschen zu wenig geschützt

Dass die Jungen die Verlierer der aktuellen Krise seien, könne man nicht weg oder schön reden, unterstrich ebenfalls Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS). Auch wenn nicht alles vermeidbar gewesen wäre, so hätte man doch einen anderen Weg einschlagen und nicht die Politik der letzten 75 Jahre fortführen sollen. Tatsache sei auch, dass mittlerweile fast ein ganzes Schuljahr ausgefallen sei, da eine Betreuung nicht mit einem richtigen Unterricht verglichen werden könne. Draufzahlen werden die Jungen, die derzeit weder einen Lehrplatz noch ein Praktikum oder einen Job finden, auch langfristig, prognostizierte Loacker, da sie einen hohen Schuldenberg vorfinden werden. Bei den unter 35-Jährigen sei der Anteil an Langzeitarbeitslosen schon jetzt um 140% gestiegen, bei den unter 24-Jährigen sogar um 800%. Kritik übte Loacker zudem an den ungerechten Pensionserhöhungen und den diversen Boni der Regierung, die mit der Gießkanne ausgeschüttet wurden. Auch Yannick Shetty (NEOS) bezeichnete das Krisenmanagement der Regierung, das in manchen Bereichen sogar ein Totalversagen gewesen sei, als misslungen. Während nämlich die Kinder und Jugendlichen weggesperrt worden seien, sei es nicht gelungen, die älteren Menschen in den Senioren- und Pflegeheimen zu schützen. Wie könne es sein, dass allein im November 40% der Corona-Todesfälle in den Alten- und Pflegeheimen zu verzeichnen waren, fragte er. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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