Parlamentskorrespondenz Nr. 1393 vom 10.12.2020

Nationalrat beschließt Gesetzespaket für audiovisuelle Mediendienste

Coronabedingte Sonderregelungen ausgeweitet und verlängert, keine Mehrheit für Ministeranklage gegen Anschober

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute ein Gesetzespaket beschlossen, mit dem eine EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste umgesetzt wird. So werden etwa Video-Sharing-Plattformen wie YouTube in Zukunft in das Regulierungsregime einbezogen. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden einige Sonderregelungen ausgeweitet oder verlängert. Künftig können weitere Gremien, wie etwa der ORF-Stiftungsrat, Beschlüsse im Umlaufweg fassen. Coronabedingte Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren und im Verfahrensrecht wurden verlängert. Eine FPÖ-Forderung nach einer Anklage des Gesundheitsministers beim Verfassungsgerichtshof blieb in der Minderheit.

Mehr Regeln für Video-Sharing-Plattformen und Fernsehanstalten

Mit einem mehrheitlich beschlossenen Gesetzespaket setzt Österreich eine 2018 beschlossene EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste um. Dabei geht es unter anderem um die Einbeziehung von Video-Sharing-Plattformen wie YouTube in das Regulierungsregime, neue Vorgaben für TV-Anstalten und Abrufdienste in Bezug auf Kinder- und Verbraucherschutz und die Ausweitung von Mechanismen der Selbstkontrolle. Auch der ORF ist in einigen Punkten betroffen. Betreiber von Video-Sharing-Plattformen müssen künftig Maßnahmen ergreifen, um NutzerInnen vor rechtswidrigen bzw. schädlichen Inhalten zu schützen, etwa durch ein leicht zugängliches Meldesystem und Löschpflichten.

Bundesministerin Karoline Edstadler bezeichnete die umgesetzte EU-Richtlinie als "Lehrbeispiel" dafür, wie man in Europa gemeinsam vorgehen könne. Es gehe darum, einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen, die Medienvielfalt aufrechtzuerhalten und den Jugendschutz auszuweiten, griff sie einige Punkte heraus. Edtstadler sprach sich gegen "Gold Plating" aus. Es sei wichtig, die Richtlinie so umzusetzen, dass die europäisch vereinbarten Ziele gut erreicht werden können.

Für Alexander Melchior (ÖVP) sei das Gesetzespaket eine sinnvolle Maßnahme. Schließlich bräuchte es für die vielfältigen Medienanbieter einen entsprechenden Rahmen. Er hob insbesondere Bestimmungen hervor, nach denen Fernsehanstalten zum Ausbau der Barrierefreiheit aufgefordert werden. Ein wichtiger Punkt für Eva Blimlinger (Grüne) sei, dass auch Plattformen wie Netflix in Zukunft mehr europäische Produktionen anbieten müssen. Sie zeigte sich überzeugt, einen goldenen Mittelweg zwischen KonsumentInnen und der Wirtschaft gefunden zu haben.

Christian Drobits (SPÖ) sah das anders. Seiner Meinung nach wurde die EU-Richtlinie nicht ausreichend umgesetzt. Er sah Mängel in der Umsetzung der Barrierefreiheit und im Konsumentenschutz. Henrike Brandstötter (NEOS) übte im Zuge der Debatte Kritik am ihrer Meinung nach hohen Werbebudget der Regierung. Sie brachte einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie eine drastische Reduktion der Summe für die momentan vom Bund ausgeschriebenen Media- und Kreativagenturleistungen forderte. Der Antrag fand keine Mehrheit.

Hitzige Debatte um Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Anschober

In der Minderheit blieb ein Antrag der FPÖ, Gesundheitsminister Rudolf Anschober wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen und so seine Amtsenthebung zu erzwingen. Die FPÖ begründete die Forderung nach einer Ministeranklage mit der teilweisen Aufhebung der Verordnungen des Gesundheitsministeriums durch den Verfassungsgerichtshof.

Der Gesundheitsminister habe den ihm anvertrauten Rahmen der Möglichkeiten in rechtswidriger Weise schuldhaft überschritten, zeigte sich Michael Schnedlitz (FPÖ) überzeugt. Susanne Fürst (FPÖ) sprach gar von einem "Dauerdelikt". Schnedlitz bezeichnete die Corona-Maßnahmen der Regierung als "Ausverkauf unserer Freiheitsrechte" und übte Kritik an den Massentests. Diese seien bloß eine Umverteilung von Steuergeld hin zu Pharmakonzernen und sinnlos. Um das zu demonstrieren, führte er während seiner Rede einen Schnelltest mit einer Limonade durch, der in der Folge als positiv anschlug. Er warf dem Gesundheitsminister außerdem vor, Österreich in eine "Diktatur light" geführt zu haben.

Christian Drobits (SPÖ) befürwortete zwar, dass man politische und rechtliche Verantwortlichkeiten einfordere und Aufklärung verlange. Inmitten einer Pandemie sei aber nicht der richtige Zeitpunkt für eine Ministeranklage, so Drobits. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) warf der FPÖ vor, das wichtige parlamentarische Kontrollinstrument der Ministeranklage zu missbrauchen. Schnedlitz habe ein "sinnbefreites chemisches Experiment" mit Lebensmitteln und wertvollen Antigentests als Spektakel veranstaltet, kritisierte sie. Georg Bürstmayr (Grüne) bezeichnete das Verhalten als "Chuzpe".

Entschieden gegen die Kritik der FPÖ stellte sich auch der ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Gerstl. Ein Antigentest sei nicht für Getränke da, sondern für Nasen- oder Rachenabstriche. Um Verfälschungen zu vermeiden, werde etwa bei Rachenabstrichen darauf hingewiesen, eine halbe Stunde davor nichts zu trinken. Er ortete eine Strategie der Verunsicherung durch die FPÖ. Johann Singer (ÖVP) störte sich an der Diktion des FPÖ-Abgeordneten Schnedlitz und forderte für den Ausdruck "Diktatur light" einen Ordnungsruf ein. Nationalratspräsident Sobotka erteilte nach Durchsicht des Protokolls den Ordnungsruf, woraufhin sich eine Debatte zur Geschäftsordnung entwickelte. Für Hannes Amesbauer (FPÖ) handle es sich bei Schnedlitz' Äußerung um eine Meinungsäußerung. Es sei problematisch, wenn Ordnungsrufe aufgrund von Wertansichten vergeben würden, so Amesbauer. Auch Gerald Loacker (NEOS) und Jörg Leichtfried (SPÖ) konnten den Ordnungsruf nicht nachvollziehen, wenngleich beide unterstrichen, den Inhalt der Äußerung nicht zu teilen. Sobotka betonte, den Ordnungsruf wohl überlegt erteilt zu haben, kündigte aber an, das Thema in der Präsidialkonferenz zu besprechen.

Corona-Sonderregeln ausgeweitet und verlängert

Aufgrund der COVID-19-Pandemie können künftig weitere Gremien Beschlüsse im Umlaufweg bzw. per Videokonferenz fassen. Das wurde mit einer von ÖVP und Grünen beantragten Änderung des Parteiengesetzes, des KommAustria-Gesetzes, des Presseförderungsgesetzes, des Publizistikförderungsgesetzes und des ORF-Gesetzes beschlossen. Davon umfasst sind etwa der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, die KommAustria inklusive ihrer Senate, die Presseförderungskommission sowie der Stiftungsrat und der Publikumsrat des ORF. Voraussetzung für Beschlüsse im Umlaufweg oder per Videokonferenz sind demnach "außergewöhnliche Verhältnisse". Zudem wird die Regelung jeweils bis Mitte 2021 befristet.

Ebenfalls in Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat der Nationalrat vor dem Sommer eine Reihe befristeter Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren beschlossen. So sollen etwa ein verstärkter Einsatz von Videotechnologie, Einschränkungen im Parteienverkehr und Verhaltensregeln für Lokalaugenscheine dazu beitragen, das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus zu minimieren. Gleichzeitig war man darauf bedacht, die Parteienrechte nicht einzuschränken. Nun wurden diese Sonderregelungen bis Mitte 2021 verlängert. Zudem wird es dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) dauerhaft ermöglicht, Umlaufbeschlüsse oder Beschlüsse per Videokonferenz zu fassen, wenn "außergewöhnliche Verhältnisse" vorliegen. Mit einer Novelle des "COVID-19-Begleitgesetzes Vergabe" werden auch im Vergaberecht einzelne coronabedingte Sonderbestimmungen um sechs Monate verlängert.

Für Ministerin Edtstadler sei es wichtig, dass die Maßnahmen verlängert werden, gleichzeitig aber auch ein Zeitpunkt des Außerkrafttretens festgelegt werde. Für den Verwaltungsgerichtshof schaffe man die wichtige Möglichkeit, öffentliche Verhandlungen dauerhaft per Videokonferenz durchzuführen und Akten digital vorgelegt zu bekommen, stellte Agnes Sirkka Prammer (Grüne) fest. Der Verwaltungsgerichtshof befürworte diese Neuerung. Johann Singer (ÖVP) strich die Möglichkeit von Videokonferenzen für Gemeinden heraus. Es gelte, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Zeit der Pandemie bestmöglich zu bewältigen. Man dürfe aber auch darüber nachdenken, welche positiven Aspekte man in die Zukunft mitnehme, sagte er etwa mit Blick auf die Übernahme von manchen Bestimmungen in das Dauerrecht. Zustimmung brachte auch Christian Drobits von der SPÖ zum Ausdruck. (Fortsetzung Nationalrat) kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.