Parlamentskorrespondenz Nr. 1432 vom 15.12.2020

Festrede von Konrad Paul Liessmann: Gespräch und abwägende Besinnung machen das Wesen des Parlaments aus

Bundesratspräsidium unterstreicht die zentrale Rolle des Bundesrats im föderativen System

Wien (PK) – Der 19. Dezember 1945 markiert einen wichtigen Meilenstein der Zweiten Republik. Vor 75 Jahren fanden die konstituierenden Sitzungen von Nationalrat und Bundesrat statt. Auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler hielten die beiden Kammern des Parlaments eine Festsitzung ab, um an diesen wichtigen Meilenstein in der Wiedererrichtung der Republik und der parlamentarischen Demokratie zu erinnern.

Die Festrede unter dem Titel "Die Würde des Hauses – Leiden und Größe der parlamentarischen Demokratie" hielt Konrad Paul Liessmann, Professor für Philosophie an der Universität Wien. Der Festredner setzte sich mit grundlegenden Ideen der repräsentativen Demokratie auseinander und warf die Frage auf, wie sie angesichts fundamentaler gesellschaftlicher, sozialer, technologischer und politischer Veränderungen eine zeitgemäße Form erhalten können.

Der Rolle der Länderkammer des Parlaments widmete das Bundesratspräsidium, vertreten durch Andrea Eder-Gitschthaler, Elisabeth Grossmann und Christian Buchmann, ein gemeinsames Statement. In seinen Schlussworten betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Herausforderungen, welche die Digitalisierung für den demokratischen Diskurs darstellt.

Konrad Paul Liessmann: Im Hohen Haus artikuliert sich das Gemeinsame

In den Mittelpunkt seiner Festrede stellte Konrad Paul Liessmann, Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien, die grundlegenden Prinzipien des Parlamentarismus und der repräsentativen Demokratie. Er fragte dabei auch danach, wie sie zeitgemäß interpretiert werden können.

Die Erinnerung an die konstituierenden Sitzungen von National- und Bundesrat am 19. Dezember 1945 und an die Rückkehr Österreichs zu parlamentarischen Institutionen sind für Liessmann ein berechtigter Anlass, mit Stolz und Genugtuung auf die Etablierung funktionierender demokratischer Einrichtungen zurückzublicken. Für ihn bietet dieses Datum dabei auch Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob die Form der Demokratie, die sich seit 1945 in Österreich durchsetzen konnte, angesichts fundamentaler gesellschaftlicher, sozialer, technologischer und politischer Veränderungsprozesse in Bedrängnis und eine Krise gerate müsse.

Liessmann verwies auf die historische Entwicklung der westlichen Demokratien und ihrer Instrumentarien. Laut ihm entstanden sie, um die Ansprüche feudaler Herrscher einzuschränken und zu kontrollieren. Aus dieser grundsätzlich defensiven Haltung ergibt sich für Liessmann, dass vor allem das Gespräch, die abwägende Besinnung, das deliberative Element das Wesen des Parlaments ausmachen, nicht der Streit oder gar der physische Kampf.

"Im Parlament realisiert sich eine diskursive Vernunft, die sich als Verwalterin der allgemeinen Interessen und des Interesses des Allgemeinen versteht", unterstrich Liessmann. "Darin liegt meines Erachtens auch die Würde des mit Recht so genannten Hohen Hauses: Dass es eben keine Arena ist, in der die Machtansprüche partikularer Interessen auf halbwegs zivilisierte Weise ausgefochten werden, sondern ein Raum, in dem das Ganze einer Gemeinschaft, das, was diese im Innersten zusammenhält, sich artikulieren kann."

Allerdings müsse das Reden zum Handeln führen. Der parlamentarische Apparat sei allerdings strukturell entscheidungsverzögernd und machtblockierend, nicht von sich aus aktiv und entscheidungsfreudig. Für Liessmann gilt es zu fragen, ob dieser grundsätzliche Vorteil in Krisenzeiten, wie etwa während der gegenwärtigen Pandemie, in denen rasche Entscheidungen getroffen werden müssen, nicht kontraproduktiv wird. Liessmann sieht hier ein veritables Dilemma parlamentarischer Demokratien. Entscheidungen der Regierung ohne Zustimmung des Parlaments würden als Abgleiten in autoritäre Verhältnisse gelten, werde das Parlament jedoch beigezogen und verzettle sich in kleinliche Debatten, gelte es als gefährlicher Bremser in einer bedrohlichen Situation. Die Ereignisse des letzten Jahres zeigen für Liessmann allerdings auch, dass moderne Demokratien mit komplexen parlamentarischen Verfahren sehr wohl in der Lage sind, rasche Entscheidungen zu legitimieren, ohne ihre Prinzipien zu verraten und den Boden der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen.

Der klassische Parlamentarismus gerate auch aus anderen Gründen unter Druck, stellte Liessmann fest. Der soziale Wandel und in weiterer Folge ein radikaler Wandel der politischen Öffentlichkeit und der Parteienlandschaft sei zu beobachten. Die Idee der repräsentativen Demokratie besagte laut Liessmann einst, dass, weil alle Menschen gleich seien, sie daher von Abgeordneten in einem Parlament repräsentiert werden könnten. Dahinter stehe die Auffassung, dass Menschen bei allen individuellen Unterschieden in den politisch entscheidenden Belangen als Bürger gleich seien. Laut Liessmann wurzelt diese Idee in einem Universalismus, den insbesondere Immanuel Kant prägnant formuliert hat. Die menschliche Vernunft, und nur diese, erlaube es nämlich, "sich an die Stelle eines jeden anderen denken zu können". Für Liessmann besteht "die Würde und Größe eines Parlaments [...] in der täglichen Einlösung dieses Anspruchs. In einem Parlament spricht keiner nur für sich oder seinesgleichen, sondern immer auch für den Anderen".

Für Liessmann beginnt "das Leiden" der Demokratie allerdings dort, wo diese moderne Auffassung der Repräsentation auf eine prämoderne Auffassung der Mitbestimmung trifft, die sich an ständischen oder anderen partikularen Ordnungen orientiert und den Universalismus konterkariert, ergänzt oder ersetzt. Die Idee der wechselseitigen Repräsentation werde so zur Vorstellung, dass ein Parlament alle Identitäten und Interessen im Sinne eines repräsentativen Querschnitts versammeln und angemessen berücksichtigen solle. Damit würden Geschlecht, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Sprachgemeinschaft oder Minderheit, die sexuelle Orientierung oder das momentane Lebensalter zu entscheidenden Kriterien.

Eine Konsequenz sei der Ruf nach einer allgemeinen Quotierung der repräsentativen Organe und die Vorstellung, dass das ideale Parlament in seiner Zusammensetzung genau die Besonderheiten des vertretenen Volkes widerspiegeln soll. Zwar stärke die heute forcierte Identitätspolitik völlig zu Recht ethnische, soziale und andere Minderheiten. Sie beschleunige aber auch die Fragmentierung der Gesellschaft, gab Liessmann zu bedenken. Die Verständigung über das allen Gemeinsame werde damit zunehmend schwieriger.

Die rasante Entwicklung der Medien und der Telekommunikation, die Digitalisierung hat für Liessmann ebenfalls Auswirkungen auf die Möglichkeiten und Formen der Demokratie. Der abwägend-argumentative Diskurs verschiebe sich in Richtung kurzlebiger Affekte und Skandale, stellte er fest. Auf der anderen Seite entstehen neue Kommunikationsmöglichkeiten und mediale Netze, die gekoppelt an die Macht globaler Konzerne, kaum einer politischen Kontrolle unterliegen würden. Für Liessmann besteht die reale Möglichkeit, dass die Demokratie so "zu einer permanenten Talk-Show mutiert" und Politik entweder unmöglich werde oder an einem anderen, nicht mehr einsehbaren Ort stattfindet.

Auf der anderen Seite entstehen laut Liessmann mit den sozialen Medien neue Formen von Macht in Form von Zugriffsmöglichkeiten auf digitalisierte Informationen, die einen eigenen virtuellen Raum erzeugen. "Wo jeder in seiner Blase lebt, hat die Idee, dass irgendwo doch die Interessen aller vertreten sein sollten, hat die Vorstellung einer gemeinsamen politischen Öffentlichkeit keinen Platz mehr", merkte Liessmann an. Er sehe es daher als wenig verwunderlich an, wenn angesichts dieser Entwicklung die These des britischen Soziologen Colin Crouch, wonach die Gesellschaft auf eine Postdemokratie zusteuere, die nur den Schein von Demokratie und Parlamentarismus noch aufrechterhalte, Furore macht.

Die Frage, wie man angesichts dessen die parlamentarische Demokratie, die politische Partizipation und die Verbindung der Abgeordneten zu denen, die sie repräsentieren sollen, stärken könne, stellt sich für Liessmann auch angesichts des Auftreten von Bürgerinitiativen, sozialen Bewegungen und Non-Governmental Organisations (NGOs). Liessmann verwies hier auf ein in der politischen Philosophie diskutiertes, aus seiner Sicht faszinierendes Konzept. Dieses greife auf die Geburtsstunde der Demokratie im antiken Athen zurück, wo ein Großteil der politischen Repräsentanten und Funktionsträger nicht gewählt, sondern durch einen Losentscheid ermittelt wurde. Die These sei, dass der Zufall tendenziell demokratischer sei als ein von Interessensgruppen beeinflusster Wahlprozess. Der Ruf danach, über eine Ergänzung des Systems der Wahl durch ein Zufallselement nachzudenken, werde heute von verschiedenen Seiten erhoben.

In einer Demokratie sollten tatsächlich alle BürgerInnen die Chance haben, das Gemeinwesen entscheidend zu beeinflussen, so Liessmann. Von einem System, welches Wahlen und Losentscheidungen kombiniert, erwarte man sich, dass es der Forderung der angemessenen Repräsentation besser entspricht und politische Probleme wie Korruption, Absprachen, Beeinflussung und Bestechung in den Griff bekommt. Die Identifikation des Volkes mit seinem Hohen Haus würde schlagartig steigen, wenn theoretisch jeden dieses Los treffen könne, führte Liessmann ins Treffen.

Die Kombination von Wahlen mit einem Zufallselement würde laut Liessmann auch die auf diese Art zu Amt und Würden Gekommenen vor einer Gefahr bewahren, die omnipräsent sei, nämlich Hybris und Überheblichkeit. "Wer seine verantwortungsvolle Funktion in einem gewissen Maß dem Zufall verdankt und dies auch weiß, kommt vielleicht erst gar nicht auf die Idee, sich für so viel besser, schöner und klüger zu halten als alle anderen", meinte Liessmann. Er richtete an die Festversammlung den Appell, im Sinne der Zukunft einer lebendigen Demokratie solche Ideen und Konzepte vorurteilsfrei zu prüfen und zu diskutieren, denn: "Verwerfen kann man sie nach eingehender Prüfung immer noch." Die Würde eines Parlaments liege auch in der Fähigkeit, Zeichen der Zeit zu erkennen und auf eine Weise zu reagieren, die die großartige Grundidee der repräsentativen Demokratie tatsächlich bewahren könne.

Bundesratspräsidentin Eder-Gitschthaler: Föderalismus ist Teil der österreichischen Identität

Das gemeinsame Statement des Bundesratspräsidiums eröffnete Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler mit einem historischen Rückblick. Sie erinnerte daran, dass in dem durch Demarkationslinien zwischen den Besatzungszonen geteilten Österreich des Jahres 1945 den Ländern als Trägern historischer und politischer Identität besondere Bedeutung zukam. Um die staatliche Einheit Österreichs wiederherzustellen, war es notwendig, dass die Provisorische Staatsregierung in Wien mit den in den Ländern gebildeten provisorischen Landesausschüssen beziehungsweise Landesregierungen Einvernehmen herstellte.

Staatskanzler Karl Renner habe sich dafür jenes Modells bedient, das sich bereits in der Gründungsphase der Ersten Republik in den Jahren 1918 und 1919 als erfolgreich erwiesen hatte, des Modells der Länderkonferenzen. Bei der ersten Länderkonferenz am 24. September 1945 habe Renner den Bundesrat der Ersten Republik als "eine Länderkonferenz in Permanenz" definiert. Drei Länderkonferenzen schufen 1945 die Voraussetzungen, dass am 25. November der Nationalrat und die neun Landtage gewählt werden konnten. Am 19. Dezember 1945 konnte damit nicht nur der Nationalrat, sondern auch der Bundesrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten.

Staatskanzler Renner habe im Rechenschaftsbericht der Provisorischen Bundesregierung 1945 hervorgehoben, wie entscheidend die Wiederherstellung der föderalen Strukturen für die erfolgreiche Wiedererrichtung der Republik Österreich waren. Der österreichische Föderalismus sei also ein wesentlicher Teil der geistigen Identität Österreichs und der der ÖsterreicherInnen. "Nicht von ungefähr zählen sowohl das demokratische als auch das bundesstaatliche Prinzip zu den Baugesetzen der österreichischen Bundesverfassung, die seit jenem 19. Dezember 1945 wieder die Grundlage des österreichischen Staates bildet", betonte Eder-Gitschthaler. "Unsere lebendige Demokratie entspringt also unserem lebendigen Bundesstaat. Demokratie und Bundesstaat verdanken wir den Männern und Frauen, die Österreich vor 75 Jahren wieder begründet haben, und derer wir heute in großer Dankbarkeit gedenken."

BR-Vizepräsidentin Grossmann: Bundesrat ist "Europakammer" des Parlaments

Bundesrats-Vizepräsidentin Elisabeth Grossmann führte die Ausführungen zur Rolle der Länderkammer in der Zweiten Republik fort und erinnerte an das 2. Verfassungs-Überleitungsgesetz vom 13. Dezember 1945. Damals wurde der Bundesrat wieder in seine Rolle im Sinne der Bundesverfassung von 1920 eingesetzt. Diese Episode der Verfassungsgeschichte verweist laut Grossmann auf die Dynamik der Verfassungsentwicklung, die mit der verfassungsrechtlichen Kontinuität in einem fruchtbaren Spannungsverhältnis stehe.

Die im Konsens erfolgte Entwicklung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Bundesrats in den vergangenen Jahrzehnten zeigt für Grossmann den behutsamen Anpassungsprozess der Bundesverfassung, bei gleichzeitiger Bewahrung ihrer grundlegenden Prinzipien. 1984 sei beispielsweise die Funktion des Bundesrats mit einem Zustimmungsrecht zu Kompetenzveränderungen, die zu Lasten der Länder gehen, gestärkt worden. Der Diskurs über die Struktur des Bundesrates werde auch jetzt weitergeführt, betonte Grossmann. Das bedürfe sorgfältiger Abwägung der verschiedenen vorgeschlagenen Modelle.

Grossmann erinnerte auch daran, dass 2020 auch den 25. Jahrestag des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union markiert. Von den Möglichkeiten, welche das europäische Primärrecht und die österreichische Bundesverfassung dem Nationalrat und dem Bundesrat einräumen, an der Willensbildung zu Vorhaben im Rahmen der EU teilzuhaben, habe der Bundesrat in eigener Initiative Gebrauch gemacht. Er engagiere sich insbesondere im Verfahren der Subsidiaritätskontrolle auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon. Der Bundesrat verstehe sich heute in besonderem Maße als "Europakammer".

Darüber hinaus befasse sich der Bundesrat systematisch mit strategischen Schwerpunktthemen. Mit der Anknüpfung an mittel- und langfristig wirksame strategische Themen setze er einen besonderen Akzent in der parlamentarischen Arbeit. Er gehe über die tagesaktuelle Gesetzgebungsarbeit hinaus und wende sich großen und nachhaltigen Themenfeldern zu. Ein Instrument, das der Bundesrat erfolgreich dazu einsetze, sei die parlamentarische Enquete.

BR-Vizepräsident Buchmann: Bundesrat verwirklicht kooperativen Föderalismus im Rahmen der EU

"Der Bundesrat ist und bleibt ein unverzichtbarer Indikator für die in der Bundesverfassung grundgelegte bundesstaatliche Struktur der Republik Österreich", leitete Bundesrat-Vizepräsident Christian Buchmann sein Statement ein. Der österreichische Bundesstaat stehe für einen kooperativen Föderalismus. Er nehme damit etwas vorweg, was in der Europäischen Union zur weit ausgreifenden europäischen Realität geworden sei, das sogenannte "Mehrebenen-System" (Multi Level Governance).

Angesichts der großen Herausforderungen ist es für Buchmann eine konsequente zeitgemäße Entwicklung, dass zur nationalen, regionalen und kommunalen Ebene auch die europäische Ebene hinzukommt und diese auch immer weitere Bereiche der Rechtsetzung durchdringt. "Herausforderungen wie die weltweite Klimaveränderung und die wirtschaftliche Globalisierung können nur durch große gemeinsame Initiativen bewältigt werden", betonte Buchmann.

Eine große Herausforderung ist für Buchmann die Erhaltung der Nähe zu den BürgerInnen. Erhebungen zeigten, dass Ländern und Gemeinden mehr Vertrauen entgegengebracht werde als dem Bund oder der Europäischen Union.

Das europäische Primärrecht überbrückt laut Buchmann einen scheinbaren Gegensatz zwischen dem föderalen Denken und der europäischen Integration durch das Konzept der Subsidiarität, wonach die jeweils übergeordnete Ebene nur dann subsidiär tätig zu werden hat, wenn die jeweils untergeordnete Ebene eine Aufgabe selbst nicht erfüllen kann. Die nationalen Parlamente seien ständig gefordert, diese abstrakte Konzeption mit Leben zu erfüllen. Gerade der österreichische Bundesrat nehme diese Aufgabe intensiv wahr, betonte Buchmann. Er schloss sein Statement mit einem Bekenntnis zu den Werten der Grundrechtsdemokratie, die er als "europäisches Gemeingut" definiert. "Die Republik Österreich wie die Europäische Union bekennen sich zur Grundrechtsdemokratie. Seit 75 Jahren sichert sie in Österreich sozialen Frieden und fairen Interessenausgleich", erklärte Buchmann.

Nationalratspräsident Sobotka: Demokratie muss die Digitalisierung bewältigen

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka schloss die Festversammlung mit Dankesworten an die Rednerinnen und Redner. Er wolle in Erinnerung rufen, dass die Demokratie nicht nur das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit einfordere, sondern auch eine besondere Form der politischen Kommunikation erfordere. Um zu gelingen, müsse die politische Diskussion offen, manchmal auch konfrontativ, aber immer kompromissbereit sein. Sobotka sieht hier besonders die Herausforderungen der Digitalisierung sowie die der Herstellung eines faktenorientierten Diskurses.

Noch sei der endgültige Rahmen für die Digitalisierung in der politischen Kommunikation nicht gefunden worden, gab der Nationalratspräsident zu bedenken. Viele Entwicklungen, wie Big Data, werfen offene Fragen auf. Erkennbar sei aber auch, dass der Zugang zur Politik niederschwelliger und dass die Transparenz politischer Entscheidungen und Ansichten höher geworden sei.

Die Digitalisierung sei jedoch keine einfache Übertragung des Analogen, sie bedeute einen fundamentalen Kulturwandel, der auch zerstörerisches Potenzial haben könnte, warnte Sobotka. Er rief dazu auf, sich den Problemen zu stellen, die aus den sozialen Medien, ihren Echokammern, Filterblasen, Verschwörungstheorien und der hemmungslosen Verbreitung von Hass im Netz entstehen. Für ein wichtiges Gegenmittel hält Sobotka ein echtes historisches Bewusstsein. Dieses müsse der bedrohlichen Zunahme von Stereotypisierungen, Vorurteilen, Geschichtsklitterung, Hass, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegengesetzt werden. Zweifellos müsse die Demokratie in Zeiten der Digitalisierung weiterentwickelt werden. Das erfordere eine offene, direkte, faktenorientierte Kommunikation, die alle verschiedenen Zugänge, Überlegungen und Ideen in allen Medien und Formen für einen konstruktiven Diskurs respektiere und nütze. "Politische Kommunikation soll nicht aneinander vorbeireden, sondern das aufeinander Bezogene, das sich Austauschende unterstützen", sagte Sobotka. (Schluss) sox

HINWEIS: Die Festveranstaltung kann via Live-Stream unter dem Link www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek. mitverfolgt werden und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar. Fotos von dieser Festsitzung finden Sie auf der Website des Parlaments.