Parlamentskorrespondenz Nr. 97 vom 28.01.2021

Bundesrat: Dringliche SPÖ-Anfrage an Außenminister Schallenberg zu Atombomben-Simulationsvideo

Fragen auch zu Corona-Krisenbewältigung, Flüchtlingsthema, Menschenrechten und US-Beziehungen

Wien (PK) – "Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientierungslosen österreichischen Außenpolitik" ist der Titel einer Dringlichen Anfrage der SPÖ an Außenminister Alexander Schallenberg, die heute im Bundesrat zur Debatte stand. Die 42 Fragen an den Außenminister betrafen neben Detailfragen zu einer Video-Simulation mit einem Atombombenabwurf auf Wien bzw. dessen Folgen außerdem die Themen Corona-Krisenbewältigung, die Flüchtlingsfrage, Menschenrechte und US-Beziehungen.

Das Außenministerium habe das Atombomben-Video veröffentlicht, das in weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung und in den sozialen Netzwerken für Empörung gesorgt habe, wird in der Anfrage aufgeworfen. In dem Video des Außenministeriums, das seitens der SPÖ als "absolut indiskutabel" kritisiert wird, werde veranschaulicht, was passieren würde, wenn Wien Ziel eines Atomwaffenangriffs wird.

Dies sei allerdings nicht die erste Aktivität des Außenministeriums und der Person des Außenministers gewesen, die unverständlich und für das internationale Ansehen der Republik Österreich verwirrend und nicht förderlich sei, fassten die SPÖ-BundesrätInnen ihre Fragen an Schallenberg zusammen.

Anfrage thematisiert Simulationsvideo, Corona-Krise, Flüchtlingspolitik, Menschenrechte und US-Beziehungen

Konkret wollten die AnfragestellerInnen zum Video wissen, wie es zustande kam und ob der Bundeskanzler bei der Entscheidung zur Produktion des Videos eingebunden bzw. die Bundesregierung und der Koalitionspartner über das Vorhaben informiert waren. Darüber hinaus ging es in der Anfrage auch um die österreichische Anti-Atompolitik.

Außerdem interessierte sich die SPÖ für die Beteiligung des Außenministeriums bei der Bewältigung der Corona-Krise. Weiteres Thema war die Situation in den Flüchtlingslagern in Europa und den Nachbarländern. Unter anderem wurde dazu auch der aktuelle Stand zur Aufnahme von Flüchtlingen bzw. Kindern in Österreich und der EU aus den Aufnahmezentren, die Beurteilung der dortigen humanitären und menschenrechtlichen Situation sowie zu österreichischen Hilfslieferungen erfragt. Darüber hinaus ging es den SozialdemokratInnen um die Bedeutung der Menschenrechte in der österreichischen Außenpolitik bzw. unter anderem auch darum, warum Österreich den UN-Migrationspakt nicht unterzeichnet habe. Zudem thematisierte die SPÖ auch Fragen rund um die Beziehungen zwischen den USA und Österreich im Zusammenhang mit dem Ende der Präsidentschaft Donald Trumps und dem neuen US-Präsidenten Joe Biden.

Anfragestellerin Korinna Schumann (SPÖ/W) sprach in der Sitzung dazu von einem "Horrorvideo" des Außenministeriums, wo Wien und andere Hauptstädte in der Auswirkung eines Atomangriffs gezeigt würden. Das sei brandgefährlich, verwerflich und gegen jede Logik in dieser Zeit, so Schumann. Der Außenminister sollte eine verbindende Rolle haben, meinte sie. Insgesamt sieht sie in dem Video "Showpolitik" und ein Ablenkungsmanöver zum "Versagen" der Regierung in der Pandemie. Den aktuellen Atomwaffenverbotsvertrag hätte man auch anders abhandeln können, so Schumann, als in dieser "Horrorform".

Aber auch einen "Kuschelkurs" mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump kritisierte Schumann, ebenso wie ein Zitat des Ministers, demzufolge er im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen sagte, ein "Geschrei nach Verteilung ist nicht die Lösung".

Schallenberg: Zweck des Videos war, auf reale Gefahr aufmerksam zu machen

Außenminister Alexander Schallenberg betonte, der aktuelle Atomwaffenverbotsvertrag sei ein großer Schritt nach vorne, dem jahrelange Bemühungen vorausgegangen waren, bei dem Österreich an der Speerspitze stand. Die Risiken der verheerenden Atomwaffen seien leider so real wie eh und je, so der Minister. So seien unter anderem immer noch mehr als 13.000 solcher Atomsprengköpfe existent. Zweck des Videos war, auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Im Zuge der Medienaktivitäten rund um den Abschluss des Atomwaffenverbotsvertrags seien mehrere Videos für sein Ressort produziert worden – es ging dabei um Warnung und Bewusstseinsbildung zu einer realen Bedrohung. Das Video beruhe auf seriösen Fakten, die Kosten haben sich auf 4.000 € netto belaufen, so der Minister.

Was die Anti-Atompolitik und nukleare Abrüstung betreffe, setze er hier weiterhin auf Konsens. Im Jahr 2021 werde ein besonderer Fokus auf Abrüstungsbemühungen gelegt, so Schallenberg.

Zu den Flüchtlingslagern und erschütternden Bildern betonte Schallenberg, Österreich setze auf Hilfe vor Ort und habe sich dabei immer solidarisch gezeigt. Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte stelle eine klare Konstante der österreichischen Außenpolitik dar, dafür stehe er auch international ein. Dem Minister zufolge gibt es keine aktuelle Beschlussfassung auf europäischer Ebene zur Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Österreich liege aber bei der Aufnahme von Kindern im EU-Schnitt an zweiter Stelle, betonte Schallenberg. Betreffend den UN-Migrationspakt verwies er darauf, dass das Thema Gegenstand der Regierungsverhandlungen gewesen sei.

Die klare Ausrichtung der Bundesregierung zur stärkeren Hinwendung zu den USA werde nicht von der Person des US-Präsidenten abhängig gemacht, führte der Außenminister weiter aus. Es gehe hier insgesamt um eine Stärkung der gemeinsamen Werte der liberalen Staaten.

Schließlich hob Schallenberg auch die Arbeit im Zusammenhang mit der Pandemie hervor, etwa was Rückholaktionen, das Grenzmanagement für PendlerInnen und SaisonarbeiterInnen und den ständigen Austausch mit den Nachbarländern betreffe. Auch den österreichischen Exportunternehmen stehe man im Ausland zur Seite.

An Schwerpunkten für das Jahr 2021 in der Außenpolitik nannte Schallenberg etwa die transatlantische Zusammenarbeit, das Stichwort Abrüstung, aber auch, den Westbalkan wieder stärker auf die Agenda zu setzen. Zudem gelte es, die Wirtschaft zu unterstützen, damit Österreich am Ende der Krise wieder als Exportnation in die Gänge komme.

In der Debatte ortete Stefan Schennach (SPÖ/W) "Weihrauch" in der Beantwortung des Ministers zu besagtem "erbärmlichen Video" und kritisierte, dass rund um den Atomwaffenverbotsvertrag in einer Zeit, in der viele Ängste kursieren würden, so ein "Nonsens" produziert werde. Kritik übte er auch an einer jüngsten Abschiebung zweier integrierter Mädchen und mutmaßte aus diesem Anlass, dass insgesamt ein innenpolitischer Themenwechsel gewollt werde.

Johannes Hübner (FPÖ/W) bezeichnete es umgekehrt als Skandal, dass es bei der betreffenden Abschiebung viele Jahre davor nicht gelungen sei, diese durchzusetzen. Er stimmte Schallenberg in dem Punkt zu, dass Atomwaffen eine reale Gefahr darstellen, kann aber das "Selbstlob" zum Atomwaffenverbotsvertrag nicht nachvollziehen, zumal kein einziger Staat, der über Atomwaffen verfüge, unterschrieben habe. Was die USA betreffe, sollte auch das Trennende gesehen werden, meinte Hübner. So würden die Vereinigten Staaten etwa das drittgrößte Atomarsenal auf dem Gebiet der EU unterhalten.

Auch Eduard Köck (ÖVP/N) erwähnte zu den kritisierten Abschiebungen, es habe für die Familie seit 2010 mehrfach rechtskräftige Abweisungen gegeben. Hier seien die Säulen des Rechtsstaates zu achten und es sei nicht zu akzeptieren, dass Menschen durch Rechtsbruch im Land bleiben. Den Atomwaffenverbotsvertrag bezeichnete Köck als große Leistung des Außenministers, ebenso wie im Zusammenhang mit der Pandemie die Rückführungen der BürgerInnen nach Österreich sowie die Lösungen im grenzüberschreitenden Verkehr hervorzuheben seien. Was die Flüchtlinge in Lesbos betreffe, würden unter anderem mit österreichischem Geld vor Ort ein psychosomatisches Betreuungszentrum eingerichtet und ein SOS-Kinderdorf zur Begleitung unbegleiteter Minderjähriger ausgebaut.

Adi Gross (Grüne/V) räumte ein, dass neben der globalen ökologischen Bedrohung der Klimakrise auch die atomare Bedrohung nach wie vor real sei. Das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags war ein historischer Tag, so Gross, zumal Österreich maßgeblich daran mitgewirkt habe – wenn auch traurig sei, dass die Atommächte nicht dabei seien. Das Video bezeichnete er als nicht sonderlich geglückt in einer Zeit von Ängsten und Sorgen. Das Flüchtlingslager Moria, aber auch die genannten Abschiebungen aus Österreich seien aber aus seiner Sicht ein Skandal und unmenschlich, so Gross. Letztere stellen aus seiner Sicht eine Folge von systematischen Verschärfungen des Asylrechts der letzten zehn Jahre dar, wiewohl es jetzt gelte, diese Menschen in Not herauszuholen. (Schluss Bundesrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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