Parlamentskorrespondenz Nr. 100 vom 29.01.2021

FISK-Herbstprognose: Budgetäre Auswirkungen der Krise schwer abzuschätzen

Fiskalrat empfiehlt konsequente Rückkehr zu nachhaltiger Budgetpolitik nach Ende der Pandemie

Wien (PK) – Neben den weitreichenden gesundheits- und gesellschaftspolitischen Effekten gehen mit der Corona-Krise massive budgetäre und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen einher, deren Ausmaß zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur mit beträchtlicher Unsicherheit abzuschätzen ist, lautet das Ergebnis des Herbstberichts des Fiskalrats (FISK) betreffend die Jahre 2019 bis 2021 (III-226 d.B.). Er gibt darin zum Stand von Dezember 2020 einen Gesamtüberblick über die österreichischen Finanzen sowie über die Einhaltung der Fiskalregeln. Empfohlen werden neben einer gut vorbereiteten, aber konsequenten Rückkehr zu nachhaltiger Budgetpolitik nach Ende der Pandemie;, die Aufrechterhaltung der kommunalen Investitionstätigkeit und Daseinsvorsorge sowie die Fortsetzung von Maßnahmen zur Stärkung des Arbeitsmarkts.

FISK: Pandemie bewirkt massive Verschlechterung der Fiskalindikatoren Österreichs

Die FISK-Herbstprognose 2020 basiert auf einer Schätzung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) von Anfang November 2020, die bereits die Auswirkungen des zweiten Lockdowns bei einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 um 7,7%. Die weitere Verschärfung des Lockdowns seit Mitte November fließe auf Basis eigener Analysen in die FISK-Prognose ein, heißt es in dem Bericht.

Der Defiziteffekt der COVID-19-Pandemie wurde in der FISK-Prognose mit 38,3 Mrd. € im Jahr 2020 und weiteren 22,5 Mrd. € im Jahr 2021 beziffert. Diese schließe neben den Kosten der Hilfsmaßnahmen (- die eher ausgabenseitig angesiedelt sind -) auch die Auswirkungen des Wirtschaftseinbruchs (- der sich eher einnahmenseitig auswirkt -) ein. Die Pandemie führt laut FISK-Prognose zu einer historischen Verschlechterung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos von +0,7% des BIP (2019) auf –10,1% des BIP im Jahr 2020 sowie –6,4% des BIP im Jahr 2021.

Die Schuldenquote Österreichs werde von 70,5% des BIP (2019) auf 84,8% des BIP im Jahr 2020 und 87,1% des BIP im Jahr 2021 steigen. Während 2020 das hohe Primärdefizit sowie der Rückgang des BIP zum Tragen kommen, dämpfen im Folgejahr die konjunkturelle Erholung sowie Steuerstundungen die Schuldenquote. Die Einnahmenquote ändere sich aufgrund der gleichgerichteten Entwicklung von Einnahmen und nominellem BIP verhältnismäßig gering. Die Ausgabenquote werde jedoch von 48,4% des BIP im Jahr 2019 auf 58,3% im Jahr 2020 klettern, gefolgt von 54,2% des BIP im Jahr 2021, so die Analyse des Fiskalrats.

Staatseinnahmen historisch eingebrochen - außerordentlicher Anstieg der Staatsausgaben

Der Einbruch der gesamtstaatlichen Einnahmen erreiche im Jahr 2020 ein bisher unbekanntes Ausmaß und übersteige den Rückgang des Jahres 2009 im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise um ein Vielfaches. Als Begründung nennt der Fiskalrat einnahmensenkende Maßnahmen im Ausmaß von 5 Mrd. €, insbesondere die temporäre Umsatzsteuersenkung, die Verlustrücktragsmöglichkeit, die Senkung der ersten Einkommensteuertarifstufe und rückläufige Einnahmen aufgrund des makroökonomischen Schocks im Ausmaß von –9,5 Mrd. €.

Der moderate Anstieg der Einnahmen im Jahr 2021 um 6,1 Mrd. € bzw. 3,4% auf 186,7 Mrd. € wird mit einer verhaltenen wirtschaftlichen Erholung und weiteren einnahmensenkenden Maßnahmen erklärt. Aber auch die Dynamik der Staatsausgaben erreiche infolge der staatlichen Hilfsmaßnahmen außerordentliche Dimensionen, stellte der Fiskalrat fest. Laut FISK-Prognose wachsen die Staatsausgaben im Jahr 2020 um 25,8 Mrd. € bzw. 13,4% im Jahresabstand auf 218,3 Mrd. €. Im Jahr 2021 werde mit einem Rückgang um 6,6 Mrd. € bzw. 3% auf 211,7 Mrd. € gerechnet.

Nach Einschätzung des Berichterstellers gehen davon im Jahr 2020 19 Mrd. € auf direkte COVID-19-Hilfsmaßnahmen zurück, im Jahr 2021 reduziere sich der Effekt auf 4,3 Mrd. €. Diese bestehen vor allem aus Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Härtefallfonds und Umsatzersatz. Weitere im Jahr 2020 beschlossene Maßnahmen, wie die Umweltförderung und die Arbeitsmarktförderung würden zu weiteren Ausgabenerhöhungen in Höhe von 1,8 Mrd. € bzw. 3,2 Mrd. € in den Jahren 2020 bzw. 2021 führen.

Trotz übermäßiger Defizite keine EU-Verfahren in den Jahren 2020 und 2021

Im Jahr 2019 seien die Maastricht-Kriterien (Defizitobergrenze von 3% des BIP und hinreichend rasche Rückführung der Staatsschuldenquote) noch klar erfüllt worden. Ab dem Jahr 2020 weurden diese deutlich verfehlt, heißt es in dem Bericht. Diese Verfehlungen in den Jahren 2020 und 2021 seien der COVID-19-Pandemie und damit einem außergewöhnlichen Ereignis mit enormer Unsicherheit geschuldet, sodass die Europäische Kommission bereits im Frühjahr 2020 – für alle Mitgliedstaaten der EU – entschied, kein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits einzuleiten.

FISK für weitere Stärkung des Arbeitsmarkts

Vor diesem Hintergrund lautet die Empfehlung des Fiskalrats eine gut vorbereitete, aber konsequente Rückkehr zu nachhaltiger Budgetpolitik nach Ende der COVID-19-Pandemie anzustreben. Die Finanzkrise 2008 habe gezeigt, dass die konsequente Wiederherstellung einer soliden Fiskalposition einerseits die Grundlage der hervorragenden Bonität und besonders günstiger Finanzierungskonditionen der Republik Österreichs, andererseits des erforderlichen Handlungsspielraums für eine umfassende staatliche Intervention in der neuen Krisensituation bildete. Im Unterschied zur Finanzkrise würden die derzeit niedrigen Zinsen den Weg zur nachhaltigen Budgetpolitik erleichtern. Der Fiskalrat betont die Notwendigkeit der Planungssicherheit für Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft und empfiehlt daher einen mittelfristigen Pfad zum Abbau des Budgetdefizits sowie zur Rückführung der Staatsschuldenquote zu entwickeln.

Eine weitere Empfehlung zielt auf die Aufrechterhaltung kommunaler Investitionstätigkeit und Daseinsvorsorge ab. Die Finanzierungslücke müsse unter sorgfältiger Prioritätensetzung geschlossen werden, um auch unter den gegenwärtig besonders herausfordernden Rahmenbedingungen die örtliche Versorgung mit Infrastruktur und sozialen Dienstleistungen sicherzustellen, heißt es.

Dem Arbeitsmarkt komme besondere Bedeutung zu, argumentierte der Fiskalrat für die Sicherung des Fortbestands der heimischen Unternehmen durch Stärkung der Liquidität, der Eigenkapitalausstattung sowie der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Des Weiteren befürwortet der FISK den Ausbau der Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen des AMS. (Schluss) gla