Parlamentskorrespondenz Nr. 183 vom 24.02.2021

Nationalrat beschließt einstimmig Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz

Absicherung des jüdischen Gemeindelebens wird mit jährlich 4 Mio. € unterstützt

Wien (PK) – Die Israelitische Religionsgemeinschaft in Österreich wird künftig eine jährliche Sonderförderung von 4 Mio. € erhalten. Der Nationalrat gab heute einstimmig seine Zustimmung zum "Österreichisch-Jüdischen Kulturerbegesetz (ÖJKG)", das rückwirkend mit Anfang 2020 in Kraft treten soll. Quer durch die Fraktionen wurde besonders die Zukunftsorientierung des Gesetzes hervorgehoben, welches dazu beitragen soll, dass das jüdische Leben in Österreich eine gesicherte Zukunft hat.

Israelitische Religionsgesellschaft erhält jährlich Sonderförderung von 4 Mio. €

Wofür die Gelder genau verwendet werden, obliegt laut dem Österreichisch-Jüdischen Kulturerbegesetz der Vertretung der Israelitischen Religionsgesellschaft in Gestalt der größten jüdischen Gemeinde in Österreich, der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien. Zur näheren Regelung von Rechten und Pflichten ist ein Zuwendungsvertrag in Aussicht genommen. Die zweckgemäße Verwendung der Mittel ist jedenfalls einmal jährlich zu dokumentieren und von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu bestätigen. Ausgezahlt werden sollen die Mittel in vier jährlichen Tranchen zu je einer Million Euro, die 5 Mio. € für das vergangene Jahr werden en bloc mit Inkrafttreten des Gesetzes bereitgestellt. Andere Leistungen der öffentlichen Hand an die jüdischen Gemeinden, etwa für Schul- und Religionsunterricht oder zur Erhaltung verwaister jüdischer Friedhöfe, bleiben unberührt.

Abgeordnete aller Fraktionen betonen Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft

ÖVP-Abgeordneter Martin Engelberg wies auf den wichtigen jüdischen Beitrag zu Kunst, Kultur und Gesellschaft Österreichs hin. Der Zustand der jüdischen Gemeinde sei auch immer ein Gradmesser dafür, wie es einem Land gehe, zitierte er einen früheren IKG-Präsidenten. Der alte Antisemitismus gehe erfreulicherweise zurück, leider wachse aber ein neuer, oftmals importierter, Antisemitismus immer stärker an. Diese Bedrohungslage führe zu einem hohen Sicherheitsaufwand der jüdischen Einrichtungen. Die jüdische Gemeinde in Österreich sei heute zwar klein, aber sehr aktiv. Das Gesetz, dass auf die Zukunft gerichtet sei, unterstütze sie dabei, dass sie diese Tätigkeit fortsetzen könne. Besonders erfreulich war für Engelberg die einhellige Zustimmung zu dem Gesetz.

Jörg Leichtfried (SPÖ) bezeichnete die antisemitischen Vorfälle des Jahres 2020 als einen traurigen Tiefpunkt der jüngsten Geschichte Österreichs. Gleichzeitig habe sich aber auch ein hohes Maß an Solidarität und Unterstützung gezeigt, was Anlass zu Hoffnung gebe. Niemals dürfe vergessen werden, was in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen sei, betonte Leichtfried. Antisemitismus, vor welchem Hintergrund auch immer, dürfe niemals toleriert werden. Das Kulturerbegesetz, das nun beschlossen werde, sei ein Beitrag zur Umsetzung der Forderung "Niemals vergessen". Die SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz und Thomas Drozda würdigten das Gesetz als einen wichtigen Schritt Österreichs, seine historische Verantwortung wahrzunehmen. Schatz forderte außerdem, mit dem Kampf gegen den Antisemitismus auch einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus rasch umzusetzen.

Wie die RednerInnen der anderen Fraktionen hob Susanne Fürst (FPÖ) die Zukunftsorientierung des Gesetzes hervor und würdigte den wichtigen jüdischen Beitrag zur österreichischen Kultur. Der Jugend sollte man besonders das Werk jüdischer AutorInnen wie Arthur Schnitzler und Stefan Zweig ans Herz legen, meinte Fürst. Sie könnten darin Haltungen und Werte finden, die auch heute noch ihre Gültigkeit hätten und in die Zukunft weisen würden.

Eva Blimlinger (Grüne) erinnerte an die große jüdische Gemeinde bis 1938, von der im Mai 1945 nur eine Handvoll Menschen in Wien überlebt hatte. Zehntausende seien ermordet, über hunderttausend österreichische Jüdinnen und Juden vertrieben worden. Nach 1945 habe man den Überlebenden die Rückkehr und die Wiedererlangung ihres Besitzes sehr schwer gemacht. Manche seien trotzdem nach Wien gekommen, ganz einfach deshalb, weil sie es als ihre Heimat ansahen. Heute gehe es darum, dass die bestehende Gemeinde die notwendige Sicherheit habe, dass jüdisches Leben weiterhin gelebt werden könne. Leider nehme derzeit neben dem neuen auch der traditionelle Antisemitismus in Form von Verschwörungstheorien wieder zu. Dagegen gelte es vorzugehen.

Helmut Brandstätter (NEOS) sagte, das Gesetz sei ein später Versuch, Unrecht gutzumachen. Zu begrüßen sei, dass es neben der notwendigen Vermittlung des Wissens um die Vergangenheit auch auf die Zukunft ausgerichtet sei. Branstätter begrüßte besonders das im Gesetz formulierte Ziel, den Dialog der Religionen zu fördern. Österreich habe eine besondere Verantwortung für den Schutz der jüdischen Einrichtungen und im Kampf gegen den Antisemitismus. Gerade PolitikerInnen seien aufgerufen, mit gutem Beispiel voranzugehen und in ihrer Wortwahl eine besondere Sensibilität zu zeigen.

Bundesministerin Karoline Edtstadler dankte für den einstimmigen Beschluss des Gesetzes. Das Kulturerbegesetz stelle einen Schritt der Umsetzung der Strategie gegen den Antisemitismus dar. Diese werde demnächst im Verfassungsausschuss behandelt. Jüdisches Leben zu stärken, abzusichern und sichtbarer zu machen, ist für Edtstadler ein wesentlicher Faktor, um Antisemitismus zurückzudrängen. Zu wünschen sei, dass der Kampf gegen Antisemitismus von den politisch Verantwortlichen ernst genommen werde, sagte die Ministerin. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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