Parlamentskorrespondenz Nr. 288 vom 11.03.2021

Wer ist im Fall Commerzialbank Mattersburg verantwortlich?

Kontroverse Debatte im Bundesrat nach Dringlicher Anfrage der SPÖ

Wien (PK) – Breit diskutiertes Thema im heutigen Bundesrat war auch die Pleite der Commerzialbank Mattersburg. Die burgenländischen BundesrätInnen der SPÖ Sandra Gerdenitsch und Günter Kovacs orten dabei "unglaubliche Umstände und ebenso grobe Missstände" und sehen in erster Linie unter Verweis auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses im burgenländischen Landtag ein kollektives Versagen der Bankenaufsicht. In ihrer Dringlichen Anfrage, die sie unter dem Titel "Kriminalfall Commerzialbank – wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?" an den Finanzminister richteten, erheben die beiden LändervertreterInnen demnach auch schwere Vorwürfe gegen das innerstaatliche System der Bankenaufsicht (Wirtschaftsprüfer – Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – Finanzmarktaufsicht (FMA) - Finanzministerium (BMF)) sowie gegen Minister Blümel. Dieser habe trotz seiner politischen Verantwortung für die Versäumnisse der Bankenaufsicht und den dadurch entstandenen enormen wirtschaftlichen Schaden bislang kein einziges Wort der Entschuldigung und des Bedauerns geäußert, lautet die Kritik. Den SPÖ BundesrätInnen geht es vor allem darum, die Geschädigten über die Einlagensicherung hinaus zu unterstützen.

Finanzminister Gernot Blümel betonte, nach einem derart besorgniserregenden Kriminalfall sei es notwendig, Schlüsse zu ziehen, um ähnliche Fälle zu verhindern. Er habe daher eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit FMA und OeNB eingesetzt, die analysiert und Maßnahmen vorschlägt. Er rechnet in Kürze mit einem Endbericht und hofft, dass nicht nur der Bund Schlüsse zieht, sondern auch das Burgenland.

SPÖ sieht Verantwortung beim Bund und beim Finanzminister

Die Commerzialbank ist vor acht Monaten mit einer Überschuldung von 870 Mio. € geschlossen worden. Es handelt sich dabei um die drittgrößte Pleite in der Geschichte der Zweiten Republik. Betroffen davon sind rund 13.500 Menschen, Unternehmen und Gemeinden. "Leitbetriebe sind in Bedrängnis geraten, Bauvorhaben und andere Projekte der öffentlichen Hand und von Privaten können nicht umgesetzt werden, die Unternehmen der Region verlieren fix eingeplante Aufträge", heißt es in der Begründung der Dringlichen Anfrage. Die SPÖ-MandatarInnen unterstreichen, der Untersuchungsausschuss habe eindeutig ergeben, dass das Land Burgenland seine Pflichten als Revisionsverband völlig ordnungsgemäß wahrgenommen habe und daher nicht für die Schulden haftbar gemacht werden könne. Dennoch habe das Land sofort Hilfe durch Übernahme von Haftungen und Forderungen zugesagt, während der Finanzminister bis heute nicht dargelegt habe, welche Maßnahmen sein Ressort und andere Bundesbehörden zur Unterstützung der Geschädigten sowie zur qualitativen Verbesserung der Bankenaufsicht setzen werden. Dabei gehe es nicht nur um die Existenz vieler Menschen, sondern auch um den Ruf des Finanzplatzes Österreich, so Gerdenitsch und Kovacs. "Hören Sie auf, das Burgenland immer wieder anzupatzen", rief Gerdenitsch dem Minister zu und erinnerte an die 15 Klagen, die gegen die Republik eingebracht wurden. Auch in mehreren Gutachten werde das Versagen der Bankenaufsicht klar herausgearbeitet, sagte sie.

Die 36 detaillierten Fragen an den Minister zielen unter anderem darauf ab, wie sich der Minister erkläre, dass die FMA und die OeNB trotz konkreter Hinweise im Jahr 2015 und trotz der krassen Auffälligkeiten in den Bilanzen die Malversationen nicht aufdecken konnten. Die BundesrätInnen erkundigten sich auch nach Berichten, Stellungnahmen oder sonstige Akten, die zu dem Fall aufliegen, und kritisierten scharf, dass das BMF sich geweigert habe, dem Untersuchungsausschuss Akten zu liefern. Gerdenitsch warf dem Minister auch vor, den Untersuchungsausschuss falsch über den Aktenstand informiert zu haben. Die SPÖ wollte auch wissen, welche Konsequenzen Blümel aus dem kollektiven Versagen der Bankenaufsicht gezogen habe und was er plane, um den Geschädigten unter die Arme zu greifen sowie Härtefälle und jahrelange Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Blümel erwartet baldigen Bericht der Arbeitsgruppe zu Konsequenzen aus dem Fall Commerzialbank

Auch Finanzminister Gernot Blümel sprach von einem Kriminalfall, für dessen Aufklärung die Justiz und die politischen Organe im Burgenland zuständig seien. Er war sich mit den SozialdemokratInnen darin einig, dass man aus dem Fall Konsequenzen ziehen müsse und erinnerte an die Arbeitsgruppe, die er gemeinsam mit der FMA und der OeNB eingerichtet hat. Diese soll in einer Gesamtschau Schlüsse für die Zukunft ausarbeiten und auch ausloten, inwieweit es legistischer Nachbesserungen bedarf. Jedenfalls darf es in Zukunft die Doppelrolle der Wirtschaftsprüfer nicht mehr geben, erklärte Blümel. Den Endbericht der Arbeitsgruppe erwartet er in nächster Zeit.

In Beantwortung der konkreten Fragen hielt der Finanzminister fest, dass es keine regelmäßigen Berichte der FMA zu einzelnen Aufsichtsfällen gebe und er auch keine Informationen zur Commerzialbank vor dem 14. Juli 2020 hatte. Mehrmals unterstrich er, dass die Bankenaufsicht unabhängig und weisungsfrei sei und das BMF in die operative Aufsicht nicht involviert sei. Diese erfolge durch FMA und OeNB. Es habe auch keine Einsicht in einzelne Prüfvorgänge. Was die Aktenlieferung betrifft, so erinnerte er an das Schreiben der Finanzprokuratur an den Untersuchungsausschuss vom November 2020, wonach faktisch keine Akten vorhanden seien und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Übermittlungen auch nicht gegeben seien. Über mögliche Malversationen und Entschädigungen hätten die unabhängigen Gerichte zu entscheiden. Man habe die Einlagensicherung und Bankenvertreter ersucht, den gesetzlichen Aufgaben möglichst schnell nachzukommen, unterstrich Blümel. Es sei wichtig, dass die SparerInnen auf die Banken und rechtlichen Sicherungsmechanismen vertrauen können.

Viele Schuldzuweisungen, viele Fragen

Die anschließende Debatte erfolgte kontrovers und war über weite Strecken durch gegenseitige Schuldzuweisungen geprägt. 

Die SPÖ blieb bei ihrer Einschätzung, dass die Prüforgane 20 Jahre lang versagt haben und daher die Verantwortung auch beim Finanzminister liege. Deshalb forderte Günter Kovacs (SPÖ/B) auch, den Geschädigten ihr Geld zurückzugeben. Kovacs kündigte zudem an, Minister Blümel beim nächsten Bundesrat abermals über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe dringlich befragen zu wollen.

Das ließen die ÖVP-BundesrätInnen nicht unwidersprochen und sahen die Verantwortung bei der burgenländischen SPÖ, die ja für die Commerzialbank "Geburtshelfer" gewesen sei und von ihr auch profitiert habe. Ohne die SPÖ hätte es die Bank nicht gegeben, sagte Bernhard Hirczy (ÖVP/B). Die SPÖ sei ihrer Verpflichtung als Aufsichtsbehörde nicht nachgekommen, das Burgenland hätte die Revision jederzeit abgeben können, habe das aber nicht gemacht. Man habe jahrzehntelang weggeschaut, und nun wolle man dem Bund die Schuld zuschieben, ergänzte Karl Bader (ÖVP/N) die Vorwürfe in Richtung SPÖ. Hirczy griff auch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil scharf an, weil dieser sich weigert, seine Telefonprotokolle zu veröffentlichen. Sonja Zwazl (ÖVP/N) sprach vor allem die Aufsichtsräte an. Diese müssten vom Geschäft eine Ahnung haben, sagte sie und forderte, bei der Personalauswahl in Zukunft andere Maßstäbe anzulegen.

Seitens der Freiheitlichen hinterfragten Thomas Dim (FPÖ/O) und Michael Schilchegger (FPÖ/O) ebenfalls die Qualität der Aufsichtsräte der Commerzialbank. Dim, selbst Aufsichtsrat einer Bank, erläuterte, wie die Aufsicht korrekt ablaufen müsste und erinnerte an die verpflichtenden Schulungen für Aufsichtsräte im Rahmen der Fit and Proper-Prüfungen. Wie kann es sein, dass kein einziger der Aufsichtsräte trotz Auffälligkeiten das Geschäftsmodell hinterfragt hat, dass das Vieraugenprinzip nicht funktioniert hat, dass der internen Revision und den externen PrüferInnen nichts aufgefallen ist und dass die FMA keine einzige Querprüfung vorgenommen hat, fragte er. Schilchegger kritisierte scharf, dass WKStA, FMA und OeNB sich aufeinander ausreden würden. Er und sein Fraktionskollege Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) wollten aber auch die ÖVP und den Finanzminister nicht aus der Verantwortung entlassen. Weisungsfreiheit heiße nicht, dass der Minister keine Verantwortung trägt, sagte Schilchegger. Wenn es einen Kriminalfall gibt, habe der Bundesminister von seinen Befugnissen Gebrauch zu machen.

Elisabeth Kittl (Grüne/W) unterstrich mehrmals die Notwendigkeit der Verbesserung der Bankenaufsicht und erinnerte daran, dass der heutige Vizekanzler Werner Kogler bereits beim Fall Bank Burgenland dies gefordert hatte. In ihren Augen liegt die Verantwortung auf allen Ebenen. Sie zeigte kein Verständnis dafür, dass das Burenland im Jahr 2015 die Revision nicht zurückgelegt hat. Auch im Untersuchungsausschuss sei man dafür die Antwort schuldig geblieben. Man  müsse sich auch ohne parteipolitische Brille die Liste jener anschauen, die von der Bank Geschenke genommen haben, so Kittl. Unverständlich ist es für sie auch, dass die außergewöhnlich hohen Zinsen bei der Commerzialbank, die leichten Kredite und die hohen Spenden niemandem aufgefallen sind. (Fortsetzung Bundesrat) jan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


Format