Parlamentskorrespondenz Nr. 303 vom 15.03.2021

EU-Außenpolitik: Rolle der EU als globaler Akteur soll gestärkt werden

Außenminister Alexander Schallenberg legt EU-Jahresvorschau für sein Ressort vor

Wien (PK) – Österreich werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Europäische Union eine starke und sichtbare Rolle in der Welt spielt und als treibende Kraft des regelbasierten Multilateralismus auftritt. Dafür sei es auch notwendig, die Effektivität der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu verbessern, macht Außenminister Alexander Schallenberg in der Jahresvorschau zur EU-Außenpolitik 2021 geltend und legt dem Nationalrat damit auf über 80 Seiten einen Bericht zu den geplanten Vorhaben in der Union vor (III-237 d.B. und III-740-BR/2021 d.B.).

Die Rolle der EU als geeinter, globaler Akteur, der in der Welt für einen regelbasierten Multilateralismus einritt, soll laut EU-Jahresprogramm 2021 demnach gestärkt werden. Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission unter anderem eine gemeinsame Mitteilung über die Stärkung des Beitrags der EU zum regelbasierten Multilateralismus vorgelegt. Wichtig sei dabei die Kohärenz zwischen "internen und externen Politiken" in der Union selbst, insbesondere im  Menschenrechtsbereich und beim Schutz der Grundrechte, wie seitens des Außenressorts erklärt wird. Österreich werde sich weiterhin auf die Achtung existierender Normen und Rechte konzentrieren, um die Glaubwürdigkeit der Union zu fördern.

Sicherheitsunion soll weiter ausgebaut werden

Die zunehmenden Konflikte und Krisen in der Nachbarschaft der EU und darüber hinaus würden zudem mehr denn je erfordern, dass Europa noch stärker und geschlossener als außen- und sicherheitspolitischer Akteur auftritt, wie im Bericht weiter dargelegt wird. Zudem habe die COVID-19-Pandemie die Notwendigkeit der Resilienz und strategischen Autonomie der Union nicht nur in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestätigt. Im Bereich der Sicherheit und Verteidigung ist demnach geplant, die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten 2021 weiter voranzutreiben, was 2022 in einem strategischen Kompass für die zivilen bzw. militärischen Instrumente und Politiken in der Union münden soll. Zudem ist beabsichtigt, die Kooperation mit der NATO weiter zu vertiefen.

Die Sicherheit der BürgerInnen der Europäischen Union sei weiterhin oberste Priorität, heißt es dazu. Neben der bereits am Tisch liegenden neuen Strategie für die EU-Sicherheitsunion sind weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, zur Verhütung und Aufdeckung hybrider Bedrohungen sowie zur Förderung der Cybersicherheit und zur Erhöhung der Resilienz kritischer Infrastruktur geplant.

Migrationsströme: Partnerschaften mit Herkunfts- und Transitländern sowie Perspektiven vor Ort

Zu den wichtigsten Herausforderungen Europas zählt außerdem weiterhin die Bewältigung illegaler Migrationsströme. Wien setzt sich dabei für eine gesamteinheitliche Migrationspolitik, die einen effektiven Außengrenzschutz, verstärkte externe Maßnahmen und interne Aspekte verbindet, ein. Die externe Migrationspolitik sollte nach Ansicht des Außenressorts demnach gegenüber Afrika mit gleichem Nachdruck verfolgt werden wie gegenüber den für die östliche Mittelmeer- und Balkanroute relevanten Drittstaaten.

Zur Eindämmung illegaler Ankünfte und für Rückführungen will die Union die Staaten des Westbalkans, des Nahen und Mittleren Ostens sowie der Seidenstraße in die Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel einbeziehen. Österreich spricht sich in diesem Zusammenhang für die geplante Stärkung der Partnerschaften mit Herkunfts- und Transitländern und den Schutz und die Schaffung von Perspektiven vor Ort aus. In den Verhandlungen zum neuen Pakt für Migration und Asyl will sich der Außenminister zudem aktiv einbringen.

Unterstützung Südosteuropas bei der Überwindung der COVID-19-Pandemie

Geht es um die Heranführung der Staaten Südosteuropas an die EU, braucht es im Lichte der COVID-19-Pandemie nach Meinung des Außenressorts neben dem eigentlichen Beitrittsprozess vermehrte Aufmerksamkeit in der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Staaten der Region bei der Überwindung der Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen, der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo sowie der Förderung der regionalen Kooperation zwischen den sechs Beitrittswerbern. Österreich spricht sich dafür aus, möglichst bald die Verhandlungsrahmen für die EU-Beitrittsverhandlungen von Albanien und Nordmazedonien zu finalisieren und die Verhandlungen danach umgehend zu starten. Dies sei für die Glaubwürdigkeit des Beitrittsprozesses entscheidend. Für das Ansehen und den Einfluss der EU im Westbalkan ist es aus Sicht des Außenressorts 2021 zudem besonders wichtig, die Region möglichst gut bei der Überwindung der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. Auch in der Heranführung der vier verbleibenden südosteuropäischen Beitragswerber Montenegro, Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo bleibt Österreich engagiert.

Was die östliche Partnerschaft betrifft, wird die Situation im Berg-Karabach-Konflikt vonseiten der EU weiterhin sehr genau beobachtet, insbesondere was die Umsetzung des Waffenstillstandes betrifft, wird in der Jahresvorschau des Weiteren erläutert. Bei den Bemühungen um eine friedliche Lösung will die Union die Minsk-Gruppe der OSZE und den EU-Sonderbeauftragten weiterhin unterstützen und ergänzen. Aus Sicht Österreichs kann eine nachhaltige Friedenslösung nur am Verhandlungstisch erzielt werden.

Im Hinblick auf die USA strebt die EU weiterhin eine möglichst enge Zusammenarbeit in den Beziehungen an. Die ersten Ankündigungen von US-Präsident Joseph Biden würden jedenfalls auf einen Neustart der transatlantischen Beziehungen im Jahr 2021 hindeuten. Österreich werde sich dafür einsetzen, dass "die EU die Hand über den Transatlantik ausstreckt und vermehrt Seite an Seite mit den USA an der Bewältigung aktueller Herausforderungen arbeitet".

Die Beziehungen zwischen der EU und Russland bleiben seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Stadt Sewastopol sowie der Destabilisierung in der Ostukraine, den Nervengiftanschlägen auf Sergei Skripal und Alexei Nawalny, wiederholten Cyberattacken, Spionagefällen oder der zunehmenden Militarisierung der Krim weiterhin schwer belastet. Die EU will auch 2021 einen dualen Ansatz, nämlich die Umsetzung der Sanktionen sowie der fünf vereinbarten Leitlinien, zu denen etwa die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zählt, verfolgen.

Gegen die Türkei hat die EU angesichts der fortdauernden völkerrechtswidrigen Aktivitäten der Türkei im östlichen Mittelmeer weitere Sanktionen verhängt, was von Österreich auch begrüßt wird. Im Länderbericht der Europäischen Kommission zur Türkei vom Herbst 2020 wurden wie schon in den Vorjahren erhebliche Rückschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und freie Meinungsäußerung laut. Österreich spricht sich deswegen nach wie vor für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und anstatt dessen für ein europäisch-türkisches Nachbarschaftskonzept aus. Die große Mehrheit der EU Mitgliedstaaten würde aber aufgrund strategischer Prioritäten und bilateraler Wirtschaftsinteressen weiter an der "Verhandlungsfiktion" mit der Türkei festhalten, erklärt das Außenressort.

Im Bereich der atomaren und chemischen Waffen werden für die EU-Mitgliedstaaten 2021 die weiteren Entwicklungen rund um das Abkommen über Mittelstreckenraketensysteme (INF-Abkommen) und das Vorgehen gegen den Einsatz von Chemiewaffen im Vordergrund stehen. Weitere wichtige Themen bilden die Zukunft des Wiener Nuklearübereinkommens (JCPOA) und die Umsetzung durch den Iran, der Aufbau eines Dialogs zu dessen Raketenprogramm sowie das Raketen- und Nuklearwaffenprogramm Nordkoreas. Österreich wird sich in diesen Fragen dem Außenressort zufolge dafür auch weiterhin als Ort des Dialogs anbieten. (Schluss) keg